Wein ohne Alkohol: Sakrileg oder Fortschritt? – VIDEO

“Der Wein der Zukunft wird alkoholfrei sein”

Freitag, 06. September 2024 | 07:56 Uhr

Von: ka

Calamandrana – Massimo Lovisolo ist sich sicher, auf der richtigen Spur zu sein. “Der Wein der Zukunft wird alkoholfrei sein und ich bin der erste in Italien, der ihn produziert”, so der umtriebige Inhaber der Unternehmensgesellschaft SO.VI.PI., die für Drittkunden Weine und Schaumweine herstellt. Massimo Lovisolos Vorhaben gilt gerade in Italien als Sakrileg.

Der Unternehmer aus Piemont lässt sich jedoch nicht beirren und hält seinen Kritikern entgegen, dass Italiens Weinwirtschaft riskiert, am Markt vorbeizuproduzieren. “Die jungen Leute trinken heute weniger Wein. Vielmehr bevorzugen sie andere Getränke, darunter auch viele alkoholfreie. Das ist eine Tatsache. Wenn wir nicht innovativ sind, werden wir auf dem internationalen Markt immer mehr Marktanteile verlieren”, so Massimo Lovisolo gegenüber dem Corriere della Sera.

SO.VI.PI.

Für den italienischen Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida ist Wein ohne Alkohol kein Wein. “Nennt es ein Getränk auf Traubenbasis, aber keinen Wein”, findet der Minister deutliche Worte. Josko Gravner, der Meister der in Terrakotta-Amphoren gereiften Weine mit ihrer charakteristischen orangen Farbe, ist der gleichen Ansicht. “Alkoholfreie Weine sind ein Blödsinn. Wenn junge Leute weniger Wein trinken, ist das die Schuld der Industrie”, meint der Weinbauer und Kellermeister aus Oslavia bei Görz.

Während in Italien eine heftige Debatte über das Für und Wider von entalkoholisiertem Wein tobt, schickt sich in der Gegend von Asti, in Calamandrana, ein Unternehmer, Massimo Lovisolo, an, genau diesen Weg zu beschreiten und mit einem Produkt zu experimentieren, das weltweit einen Umsatz von nicht weniger als zwei Milliarden Dollar erzielt, in Italien aber verboten ist. “Der Wein ist in der Krise. Die Hälfte der Weltbevölkerung trinkt keinen Alkohol. Angesichts dieser Fakten erscheint es mir logisch, innovativ zu denken und die Produktpalette auszudehnen”, so der umtriebige Inhaber der Unternehmensgesellschaft SO.VI.PI..

SO.VI.PI.

“In Italien ist die Herstellung von entalkoholisiertem Wein verboten, aber im übrigen Europa ist sie erlaubt. Als Lebensmittelunternehmen habe ich eine behördliche Lizenz erhalten, um mit dem Experimentieren beginnen zu können. Ich betone, dass ich diese Tätigkeit im Rahmen des Gesetzes ausübe. Sobald die gesetzliche Lage endgültig geklärt ist, werde ich der erste sein, der ihn herstellt. Ich bin dazu bereit”, erklärt Massimo Lovisolo.

“Mein Unternehmen stellt seit vier Generationen Wein für Drittkunden her. Während wir den Wein früher in Korbflaschen abgefüllt haben, verwenden wir heute Flaschen. Ich biete auch Getränke in Dosen an. Nicht alle sind damit einverstanden. Manche sagen, dass dies den Geschmack verändern würde, aber der Markt verlangt es. Das gilt nicht nur für Wein, sondern auch für Gin und Tonic, ohne Innovation kommen wir nirgendwohin”, spricht Massimo Lovisolo über seinen Betrieb.

SO.VI.PI.

“Zunächst gilt es zwischen entalkoholisierten und alkoholfreien Getränken zu unterscheiden. Während aus ersteren der Alkohol extrahiert wird, fällt bei der Herstellung der letzteren kein Alkohol an. Es handelt sich dabei um eine nicht unbedeutende Unterscheidung, die einen schnell wachsenden Markt kennzeichnet, in den viele Länder investieren, von dem aber das große Weinland Italien ausgeschlossen bleibt. Da die italienische Gesetzgebung die Weinproduzenten daran hindert, den aus dem Wein gewonnenen Alkohol zu entsorgen, dies ein Lebensmittelunternehmen jedoch tun darf, sofern es dafür eine Lizenz besitzt, sind wir ein Lebensmittelunternehmen geworden”, erklärt der Inhaber der SO.VI.PI..

Massimo Lovisolo fügt hinzu, dass es zwar auf dem italienischen Markt bereits mehrere heimische Unternehmen gebe, diese aufgrund der italienischen Gesetzeslage aber dazu gezwungen seien, den Wein für teures Geld im Ausland, etwa in Spanien, entalkoholisieren zu lassen.

SO.VI.PI.

Vom Landwirtschaftsminister bis zum mächtigen italienischen Bauernverband Coldiretti schlägt ihm jedoch harter Widerstand entgegen. “Ich hoffe, dass wir wieder so bald wie möglich zum Dialog zurückfinden können. In allen Lebensmittelbereichen kommt es zu Innovationen, man denke nur an die ganzen Lebensmittelprodukte für Veganer. Für mich ist es unverständlich, warum dies beim Wein anders sein soll. Der Weinkonsum wird nie wieder die Mengen früherer Zeiten erreichen. Entalkoholisierter Wein ist nicht die Antwort auf alle Probleme, aber er ist ein neuer und wachsender Markt”, bemüht sich der Unternehmer um mehr Verständnis für seinen Weg.

SO.VI.PI.

“Die jungen Leute trinken heute weniger Wein. Vielmehr bevorzugen sie andere Getränke, darunter auch viele alkoholfreie. Das ist eine Tatsache. Wenn wir nicht innovativ sind, werden wir auf dem internationalen Markt immer mehr Marktanteile verlieren. Unsere Trauben herzunehmen, um eine Nachfrage zu befriedigen, halte ich nicht für eine Schande. Schändlich wäre es jedoch, den Markt ausländischen Anbietern zu überlassen, während so viele italienische Unternehmen in der Krise stecken”, betont Massimo Lovisolo.

Die Diskussion, ob Weine ohne Alkohol ein Sakrileg und ein Irrweg sind oder einen neuen Weg darstellen, um den Weinbauern neue Märkte zu eröffnen, wird auch in Südtirol mit Interesse verfolgt.

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