Von: idr
Salò – Dreieinhalb Jahre nach dem tödlichen Unfall auf dem Gardasee, bei dem ein junges Paar sein Leben verlor, kommt es erneut zu einer juristischen Auseinandersetzung. Diesmal geht es nicht um die Schuldfrage oder die Strafe, sondern um das Luxusboot, das die Leben auslöschte. Christian Teismann, Eigentümer der Riva Aquarama, will sein beschlagnahmtes Motorboot zurück. Die Forderung löst bei den Familien der Hinterbliebenen Entsetzen aus.
In der Nacht vom 19. Juni 2021 ereignete sich vor der Küste von Salò eine Katastrophe: Greta Nedrotti und Umberto Garzarella lagen in ihrem kleinen Holzboot auf dem Wasser und beobachteten die Sterne. Gegen 23.24 Uhr raste ein Riva-Motorboot mit 300 PS in die kleine Nussschale. Auf den Videos von Überwachungskameras ist zu sehen, wie ein großer, greller Punkt sich rasend schnell einem kleinen, schwachen Punkt näherte. Beim Aufprall hob das Motorboot ab, hielt jedoch nach der Kollision nicht an.
Alkoholisiert und deutlich zu schnell
Der 37-jährige Umberto starb sofort, die 25-jährige Greta ertrank, nachdem sie über Bord geschleudert und verletzt worden war. Die beiden deutschen Manager an Bord des Motorboots – Patrick Kassen das Boot seines Kollegen Christian Teismann – fuhren weiter nach Salò und legten dort an. Ihre Erklärung später: Sie seien von einem Zusammenstoß mit Treibholz ausgegangen. Der wahre Grund: Alkohol, wie sich später herausstellte.

Beide Manager wurden anschließend rechtskräftig verurteilt: Kassen erhielt vier Jahre und sechs Monate Haft wegen fahrlässiger Tötung, Teismann zwei Jahre und elf Monate. Nach Feststellung des Gerichts war Kassen betrunken am Steuer – und Teismann wusste davon. Sachverständige errechneten, dass die Münchner mit dem Vierfachen der erlaubten Geschwindigkeit unterwegs waren. Die grünen und roten Navigationslichter waren für die Opfer nicht sichtbar, da sich der Bug des Motorbootes bei so hoher Geschwindigkeit zu weit aus dem Wasser hob.
Verurteilter fordert Tötungswerkzeug zurück
Nun fordert Teismann sein Boot zurück. Am 9. Dezember fand vor dem Schwurgericht in Brescia eine Anhörung statt. Sein Anwalt Alessandro Silveri Gentiloni argumentiert, das Verfahren sei abgeschlossen, sein Mandant habe das Recht, sein Eigentum zurückzuerhalten. „Die Riva ist ein Wrack, es gibt keinen rechtlichen Grund, die Beschlagnahmung nicht aufzuheben“, so der Anwalt. Das Motorboot der prestigeträchtigen Marke Riva befindet sich derzeit in einer bewachten Bootshalle am Gardasee.
Das Oberste Gericht Italiens hatte kürzlich entschieden, dass die Frage der Beschlagnahmung neu geprüft werden müsse. Es sei nicht klar, welche konkrete Rolle die nicht zugelassenen Positionslichter beim Unfall gespielt hätten. Die Annahme einer „grundsätzlichen Gefährlichkeit“ der Riva sei nicht ausreichend begründet. Ein Gutachten soll nun klären, ob die fehlenden zugelassenen Lichter tatsächlich zum Unfall führten.
Angst bei den Familien
Die Familien der Opfer reagieren mit Fassungslosigkeit. Sie befürchten, dass der Münchner, der das Motorboot zum Zeitpunkt des Unfalls fuhr, wieder ans Steuer zurückkehren könnte. Die Familie Nedrotti fordert zudem, dass Teismanns Bootsführerschein eingezogen wird. Der Vorwurf: Missachtung der Navigationsregeln.
Der Fall wirft grundsätzliche Fragen auf: Kann jemand, der durch fahrlässiges Verhalten zwei Menschen getötet hat, einfach zur Tagesordnung übergehen und sein Luxusspielzeug zurückfordern? Aus juristischer Sicht mag Teismanns Anwalt recht haben – das Verfahren ist abgeschlossen, das Boot ist Privateigentum. Doch aus moralischer Perspektive stellt sich die Situation völlig anders dar.




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