Von: ka
Rom – Die Klage des Verbands der Strandbadbetreiber des Stiefelstaats, dass eine größere Zahl von Italienern den Stränden und Strandbädern fernbleibt, kommt nicht von ungefähr. Eine Studie des italienischen Handelsverbandes Confcommercio zeigt, wie die Ausgaben für Wohnen, Energie und Ernährung – also die sogenannten unvermeidbaren Ausgaben – die Kaufkraft der Italiener schmälern und den gesamten Konsum dämpfen, darunter auch den für den gewohnten Jahresurlaub.
Der Trend, dass immer mehr Italiener auf den lang ersehnten Sommerurlaub verzichten, ist nicht neu. Neu ist jedoch, dass er in diesem Jahr offensichtlicher ist und mit größerer Härte zuschlägt. Die Touristiker und die Strandbadbetreiber schlagen Alarm. „Was die Besucherzahlen und die Umsätze an den Stränden angeht, war der Juli schlechter als der Juni”, erklärt Antonio Capacchione, Präsident der Gewerkschaft der Strandbetreiber.
Tatsächlich sind die Zahlen erschreckend. In einer Region mit starker Strandurlaubstradition wie der Emilia-Romagna beträgt der Rückgang der Touristenankünfte und -Nächtigungen fast 25 Prozent. Darüber hinaus stellt der Verband fest, dass an den italienischen Stränden ein deutlicher Anstieg ausländischer Besucher zu verzeichnen ist, während die Zahl der italienischen Besucher deutlich zurückgegangen ist.
Laut einer Umfrage des Preisvergleichsportals Facile.it und des Marktforschungsinstituts EMG Different, an der eine repräsentative Stichprobe der italienischen Bevölkerung teilnahm, werden dieses Jahr rund neun Millionen Italiener – etwa 15 Prozent der Einwohner des Stiefelstaats – auf einen Urlaub verzichten. Die überwältigende Mehrheit von 70 Prozent tut dies aus finanziellen Gründen. Diese Personen gaben an, dass sie es sich schlicht nicht leisten können, in den Urlaub zu fahren. Alle anderen Verzichtsgründe, wie etwa gesundheitliche oder persönliche, rangieren weit abgeschlagen auf den Plätzen.
Für den in Italien besonders ausgeprägten Urlaubsverzicht wurde sogar ein eigener Begriff, ein Neologismus, geprägt. Er heißt „Staycation” und ist eine Wortschöpfung aus den englischen Begriffen „stay” und „vacation”. Er bezeichnet die Entscheidung von Menschen, ihren Urlaub zu Hause zu verbringen. „Staycation” suggeriert, dass es sich um eine freie Entscheidung handelt. Dabei wird jedoch eine Tatsache außer Acht gelassen: In sieben von zehn Fällen handelt es sich um eine erzwungene Entscheidung, die aus finanziellen Gründen getroffen wird.
In einem Land mit stagnierenden Löhnen und galoppierender Inflation ist diese Entwicklung jedoch nicht verwunderlich. Der jüngste Bericht des italienischen Handelsverbandes Confcommercio verdeutlicht den Kaufkraftverlust vieler Italiener. Laut dem Verband sind alle unvermeidbaren Ausgaben, also die Kosten für lebensnotwendige Güter und Dienstleistungen wie Wohnen, Strom, Heizung, Wasser, Gesundheit, Transport und Versicherungen, in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Diese Ausgabenposten machen heute 42,2 Prozent des Familienbudgets aus, was einem Anstieg von 5,2 Prozentpunkten gegenüber 1995 entspricht.
Diese Entwicklung ist nicht mehr von der allgemeinen Wirtschaftslage abhängig, sondern hat strukturelle Gründe. Bei jährlichen Pro-Kopf-Ausgaben von 22.114 Euro entfallen mehr als 9.300 Euro auf unvermeidbare Kosten. Mit Abstand am höchsten ist der Posten Wohnen mit durchschnittlichen Pro-Kopf-Ausgaben von 5.171 Euro, was einem Plus von 109 Euro gegenüber dem Vorjahr entspricht. Es folgen die Ausgaben für Versicherungen und Kraftstoffe für familieneigene Fahrzeuge sowie für Heizung und Strom mit jeweils 2.151 beziehungsweise 1.651 Euro.
Die Preisentwicklung macht die Last der fixen Ausgaben noch schwerer. So ist der Preisindex für diese Güter und Dienstleistungen von 1995 bis 2025 um 132 Prozent gestiegen. Auffällig ist, dass dieser Anstieg mehr als doppelt so hoch ausfiel wie der des Index für handelbare Güter, der im selben Zeitraum lediglich um 55 Prozent stieg. Den stärksten Zuwachs verzeichnete der Bereich Energie mit einem Plus von 178 Prozent in dreißig Jahren, wenngleich sich das Wachstum in den letzten Monaten verlangsamt hat.
Dieses Ungleichgewicht hat zu einer Verlagerung der finanziellen Ressourcen vom freien Konsum – zu dem auch der Tourismusbereich gehört – hin zu den unvermeidbaren Ausgaben geführt. „Wenn ich mehr ausgeben muss, um die gleichen grundlegenden Güter und Dienstleistungen zu erwerben, werde ich zwangsläufig meine frei verfügbaren Ausgaben reduzieren müssen, es sei denn, mein verfügbares Einkommen steigt entsprechend“, bemerkt das Forschungszentrum von Confcommercio.
Die Folgen liegen auf der Hand: Traditionelle Güter, einschließlich Lebensmittel, verzeichnen mit einem Minus von 57 Euro pro Kopf einen erneuten Rückgang der Kaufmengen. Das einzige positive Signal kommt von den marktfähigen Dienstleistungen – Gastronomie, Tourismus, Freizeit –, die dieses Jahr um 134 Euro pro Kopf wachsen. Damit kehren sie jedoch nur knapp über das Niveau von 2019, also vor der Pandemie, zurück.
Die allgemeine Lage bleibt jedoch besorgniserregend. „Dreißig Jahre anhaltende Inflation bei unverzichtbaren Gütern und Dienstleistungen haben das Ausgabeverhalten der Haushalte tiefgreifend verändert. Sie werden immer vorsichtiger und sind weniger bereit, Geld auszugeben“, heißt es in dem Bericht des italienischen Handelsverbandes Confcommercio.
Die Folgen wirken sich auf die gesamte italienische Wirtschaft aus und führen zu einer Negativspirale. Carlo Sangalli, der Präsident von Confcommercio, betont daher die Dringlichkeit staatlicher Eingriffe bei den Tarifen und Steuern, um die Kaufkraft der Haushalte zu stärken und das Wirtschaftswachstum wieder anzukurbeln. „Der stetige Anstieg der unvermeidbaren Ausgaben stellt ein großes Hindernis für die Erholung des Konsumverhaltens dar. Es ist notwendig, die Beschränkungen, die die Ausgabenfreiheit einschränken, zu beseitigen, die Fixkosten zu begrenzen und die Kaufkraft der Haushalte zu schützen“, so Sangalli.
Die erhoffte Trendwende scheint jedoch noch in weiter Ferne zu liegen. Für viele Familien bedeutet dies, einen weiteren Sommer zu Hause zu verbringen und auf einen Urlaub am Meer oder in den Bergen zu verzichten.
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