Medienmogul, Staatsmann, Machtmensch

Ein Jahr nach seinem Tod: Das Erbe von Silvio Berlusconi

Donnerstag, 13. Juni 2024 | 08:03 Uhr

Von: Ivd

Mailand – Ein Jahr nach dem Tod von Silvio Berlusconi hadert Italien weiterhin mit dem komplexen Erbe des Medienmoguls und Politikers. Er prägte das Land wie kein anderer und hinterließ eine gespaltene Nation. Am 12. Juni 2023 starb Berlusconi im Alter von 86 Jahren, doch seine Präsenz in Politik und Gesellschaft bleibt ungebrochen. Arte und das ZDF bringen jeweils Dokumentationen über das Leben und den Einfluss vom Machtmenschen Berlusconi.

Populistischer Pionier und Medienmogul

Silvio Berlusconi wurde 1936 in Mailand geboren und machte sich zunächst als Medienmogul einen Namen, bevor er in die Politik ging. Anfang der 1990-er Jahre gründete er angesichts eines riesigen Korruptionsskandals seine die Partei Forza Italia und versprach Reformen. Viermal wurde er zwischen 1994 und 2011 zum Ministerpräsidenten gewählt, doch seine Bilanz bleibt durchwachsen: hohe Staatsverschuldung, Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit. Berlusconi hinterließ Italien mit einem Erbe des Populismus, dessen Auswirkungen bis heute zu spüren sind.

Skandale und Justizverfahren

International bekannt wurde Berlusconi auch durch zahlreiche Skandale und Justizverfahren, darunter die berüchtigte „Bunga-Bunga-Affäre“, bei denen Berlusconi mutmaßlich Sex-Parties mit jungen Frauen feierte. Dank seiner Medienmacht konnte er sich oft aus der Affäre ziehen. Kritiker werfen ihm vor, die politische Kultur Italiens nachhaltig vergiftet zu haben. Der Vorwurf: Er machte rhetorische Tabubrüche erst salonfähig. Zur Erinnerung: 2022 versprach Berlusconi seiner Fußballmannschaft „einen Bus voller Huren in die Umkleidekabine“ zu bringen, wenn sie den Top-Rivalen schlagen würden. Auch vor Judenwitzen und rassistischen Äußerungen über dem damaligen US-Präsident Barack Obama schreckte der kleine Mann nicht zurück. Mit Wladimir Putin pflegte er bis zuletzt eine enge Freundschaft.

Berlusconi weiterhin hoch im Kurs

Der Status von Berlusconi ist trotz aller Skandale vielerorts ungebrochen. Straßen und Plätze sollen nach ihm benannt werden und sogar eine Briefmarke zu seinen Ehren ist geplant. Bei der Europawahl zierte sein Name in großen Buchstaben das Logo seiner Partei Forza Italia, oft begleitet von Spitzenkandidat Antonio Tajani. Berlusconi hatte es bis zu seinem Tod abgelehnt, einen Nachfolger aufzubauen, was seine Partei nun vor Herausforderungen stellt. Forza Italia kämpft in der von Giorgia Meloni geführten Regierungskoalition ums Überleben und erreicht in Umfragen nur noch etwa acht Prozent.

Erinnerungen und Ehrungen

Ein Jahr nach seinem Tod wird Berlusconi weiterhin geehrt. Seine Kinder erinnerten in überregionalen Zeitungen mit den Worten: „Liebster Papa, deine Liebe wird für immer in uns leben.“ Zahlreiche Gedenkfeiern fanden statt, darunter eine Messe in der Kapelle seiner Residenz in Arcore. Prominente Politiker wie Giorgia Meloni und Matteo Salvini würdigten ihn in den sozialen Medien und erinnerten an seine Errungenschaften und seinen Einfluss.

Berlusconis Vermächtnis in der aktuellen Politik

In der gegenwärtigen Regierung unter Meloni ist Forza Italia die kleinste der beteiligten Parteien, doch Berlusconis Einfluss ist spürbar: Kommentatoren sehen in Melonis Politik und Kommunikationsstil Parallelen zu Berlusconi. Sie nutzt Videobotschaften ähnlich wie er, um kritischen Fragen auszuweichen. Meloni rief ihre Anhänger sogar auf, bei der Europawahl einfach „Giorgia“ auf den Wahlzettel zu schreiben, was an Berlusconis populistische Methoden erinnert.

Berlusconis Erbe bleibt ein kontroverses Thema in Italien: Während Befürworter ihn für seine radikale Haltung und die volksnahe Ausdrucksweise feiern, werden Kritiker nicht müde, die Schattenseiten des einst mächtigsten Mannes Italiens aufzuzeigen. Ob und wie Italien diese Ära überwinden wird, bleibt abzuwarten.

 

Quellen: Berliner Morgenpost, Il Messagero, L’Unione Sarda