Ungeimpfte belasten Krankenhäuser in hohem Maße

“Einschränkungen sind schuld der Impfgegner”

Dienstag, 28. Dezember 2021 | 08:04 Uhr

Rom – Unter den Experten, die die römische Regierung beraten, wird der Ärger über die Impfgegner, die in hohem Maße für die ansteigende Belastung der Krankenhäuser verantwortlich sind, immer größer.

Da aus seiner Sicht kaum mehr als zehn Prozent der Italiener, die sich zwar impfen lassen könnten, diese aber aus den verschiedensten Gründen verweigern, letztendlich dafür verantwortlich sind, dass bestimmte Einschränkungen alle treffen, fordert der angesehene Immunologe Sergio Abrignani ein hartes Durchgreifen. „Wegen der No vax wechselt Italien die Farbe. Die Impfpflicht ist eine harte Maßnahme? Covid-19 trifft uns viel härter“, meint Sergio Abrignani mit Blick auf die Krankenhauszahlen.

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Sergio Abrignani gehört zu jenen gewichtigen Stimmen, die keine Alternative zur Impfpflicht mehr sehen. Der Immunologe, der als Professor für Allgemeine Pathologie an der Staatlichen Universität von Mailand lehrt, das Nationale Institut für Molekulargenetik „Romeo und Enrica Invernizzi“ leitet und Mitglied des Technisch Wissenschaftlichen Komitees (CTS), das die Regierung Draghi berät, ist, vertritt im Lichte der letzten Zahlen die Ansicht, dass die Pandemie nur mehr durch die Impfung aller Impfbaren besiegt werden kann. „Das Virus lässt uns keine Zeit, die Ungeimpften zu überzeugen. Die Omikron-Variante verbreitet sich sehr schnell“, so Sergio Abrignani gegenüber der Mailänder Tageszeitung Corriere della Sera.

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Die Lage in Italien ähnelt jener in ganz Europa. Eine Ausnahme bildet nur Deutschland, wo nach einem Lockdown für Ungeimpfte ein Abschwellen des Infektionsgeschehens verzeichnet wurde. Italien scheint von einer Trendwende aber noch weit entfernt zu sein. Es sind nicht nur die hohen Infektionszahlen – in Italien wurden am Samstag 54.762 Coronavirus-Ansteckungen gemeldet – die dem anerkannten Mediziner zu denken geben, sondern es ist auch der ansteigende Druck auf die Krankenhäuser, der Sergio Abrignani und seinen Kollegen im CTS große Sorgen bereitet.

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„Ein grundlegender Parameter dafür, dass die Regionen die Farbe wechseln, wodurch das Leben von Millionen von Italienern auf den Kopf gestellt wird, ist der Prozentsatz der Belegung der Intensivstationen. Heute werden mehr als vier Fünftel der Betten von Ungeimpften belegt. Das ist nicht richtig. Würden sich alle impfen lassen, wären alle Regionen ‚weiß‘“, legt der Immunologe den Finger in die Wunde.

„Sollten Regionen dazu gezwungen sein, von ‚gelb‘ auf ‚orange‘ oder gar auf ‚rot‘ zu wechseln, wäre dies jenen anzulasten, die die Coronaschutzimpfung verweigert haben. In der Tat zeigen Daten des Istituto Superiore di Sanità(ISS), dass eine nicht geimpfte Person im Alter von 80 Jahren ein 85-mal höheres Risiko aufweist, auf der Intensivstation zu landen als eine geimpfte Person. Dasselbe Risiko ist in der Altersgruppe der 60- bis 79-Jährigen 13-mal und bei den 40- bis 59-Jährigen immerhin noch sechsmal höher“, so Sergio Abrignani, der seine wissenschaftliche Schlussfolgerung mit Zahlen untermauert.

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Es sind vor allem die über 50-Jährigen, die ins Visier des Experten geraten. „Das Virus macht zwischen ideologisch motivierten Impfgegnern und zögernden Menschen keinen Unterschied. Ich kann diejenigen verstehen, die Zweifel haben, aber ich rechtfertige nicht das Verhalten jener, die in einer so kritischen Lage für das Land und nach zwei Jahren Pandemie paranoide Gewissheiten hegen. Ich meine damit diejenigen, die glauben, dass der Impfstoff die Erbsubstanz verändere und unfruchtbar mache, aber auch diejenigen, die von einem globalen Komplott der großen Pharmaunternehmen zur Kontrolle der Völker schwadronieren oder behaupten, dass die Särge von Bergamo leer gewesen seien“, lässt der Immunologe seinem Ärger freien Lauf.

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Sergio Abrignani unterstreicht, dass neun von zehn Italienern, die geimpft sind, nun dazu gezwungen sind, die Folgen, für die die ungeimpfte Minderheit verantwortlich ist, mitzutragen. „Die Impfpflicht ist eine harte Maßnahme? Covid-19 trifft uns viel härter. Wenn alle geimpft wären, wären nur 20 bis 25 Prozent der Intensivbetten belegt und ganz Italien wäre ‚weiß‘. Von den etwa drei Millionen über 50-Jährigen, die nicht geimpft sind, sind 1,4 Millionen über 60 Jahre alt. Diese entsprechen etwa acht Prozent der Gesamtbevölkerung dieser Altersgruppe. Es handelt sich um eine kleine Minderheit, die aber in hohem Maße intensivmedizinische Betreuung in Anspruch nimmt und auf diese Weise das Leben der anderen 92 Prozent, die ihre Pflicht erfüllen, beeinträchtigt“, nimmt sich der Experte, der als Mitglied des CTS die Regierung berät, kein Blatt vor dem Mund.

In Italien ist die Furcht groß, durch die Omikron-Variante und durch die verbliebenen Ungeimpften um den mühsam erarbeiteten Vorsprung gebracht zu werden. Beobachter glauben, dass das Land Anfang nächsten Jahres auf einen Lockdown für Ungeimpfte und eine allgemeine Impfpflicht zusteuert.

Von: ka