Konsum geht steil nach oben, aber Steuereinnahmen stocken

Enorme Steuerhinterziehung: “Diese Zahlen passen einfach nicht zusammen”

Dienstag, 27. Juni 2023 | 08:48 Uhr

Mailand/Rom – Die vom Corriere Economia veröffentlichten Daten fördern Erstaunliches zutage. Obwohl laut ihren Steuererklärungen nicht weniger als 60 Prozent der Italiener mit weniger als 1.000 Euro brutto im Monat auskommen müssen, gibt im Durchschnitt jeder Einwohner des Stiefelstaats jährlich über 2.000 Euro für staatliche Glückspiele wie Lotto, Lotterien und Rubbellose aus.

Der Vergleich zwischen einer riesigen Datenmenge, die Rückschlüsse auf die Ausgaben und den Konsum der Italiener zulässt, und den erklärten Einkommen lässt kaum einen anderen Verdacht zu, als dass italienweit hohe Geldsummen am Steueramt vorbei direkt in den Konsum fließen.

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Fast zwei Drittel der Italiener leben von weniger als 1.000 Euro brutto im Monat. Zumindest geben sie das so an. Werden die Steuererklärungen genauer betrachtet, geben 23,75 Prozent der Steuerzahler ein Jahreseinkommen von weniger als 7.500 Euro brutto an. Weitere 18,84 Prozent erklären ein Einkommen, das zwischen 7.500 und 15.000 Euro liegt. Zusammengenommen tragen 42,6 Prozent der steuerzahlenden Italiener nur zu 1,73 Prozent – oder anders ausgedrückt, mit 175,4 Milliarden Euro – zum Gesamtvolumen der Einkommenssteuer Irpef bei. 13,5 Prozent hingegen erklären ein Jahreseinkommen zwischen 15.000 und 20.000 Euro, was bedeutet, dass sie 5,65 Prozent der gesamten Irpef bezahlen. Die Einkommensgruppe zwischen 20.000 und 29.000 Euro schließlich trägt mit ihren Steuern immerhin zu 22,1 Prozent des Gesamtbetrags der Einkommenssteuer Irpef bei.

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Wie aus den vom Corriere Economia veröffentlichten Daten hervorgeht, leben rund zwei Drittel der Italiener entweder am Rande der Armut oder sie tun sich sehr schwer, mit ihrem Einkommen bis zum Ende des Monats zu kommen. Wie verschiedene Daten aber zeigen, die in ihrer Gesamtheit mit einer nicht zu unterschätzenden statistischen Präzision den Konsum der Italiener abbilden, scheinen Hunderttausende von italienischen Steuerzahlern entweder über nicht deklarierte Zusatzeinnahmen oder über andere Geldmittel, für die sie keine Steuern zahlen, zu verfügen.

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Dazu genügt es, zwei Sparten – das Glücksspiel und die Verbreitung der Smartphones – herauszupicken. Laut den Statistiken der italienischen Zoll- und Monopolbehörde wurde in Italien im Jahr 2022 bei den Glücksspielausgaben ein neuer Rekord erzielt. Während im Jahr 2021 für staatliche Glückspiele wie Lotto, Lotterien und Rubbellose bereits 111,7 Milliarden Euro im wahrsten Sinne des Wortes verspielt worden waren, gaben die Italiener im letzten Jahr für Glücksspiele sage und schreibe geschätzte 136 Milliarden Euro aus. Hinzu kommt, dass für illegale Glückspiele, die sich in den Händen des Organisierten Verbrechens befinden, weitere 20 Milliarden Euro ausgegeben worden sein sollen. Auch ohne diese 20 Milliarden Euro zu berücksichtigen, bedeutet das, dass jeder Italiener – Kleinkinder und Greise miteingerechnet – im Jahr 2022 durchschnittlich 2.320 Euro verspielte. Im Jahr 2021 hingegen waren pro Kopf noch 1.886 Euro fürs Glückspiel verwendet worden.

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Wird die Verbreitung der Smartphones betrachtet, zeigt sich ein ähnliches Bild überbordender Geldausgaben für den Konsum. Obwohl Italien weniger als 60 Millionen Einwohner zählt, werden im Stiefelstaat nicht weniger als 78,2 Millionen Smartphones verwendet. Allein vom Jahr 2021 auf das Jahr 2022 stieg die Anzahl der im Besitz der Italiener befindlichen Smartphones um rund 200.000 Stück. Statistisch gesehen besitzen 97,5 Prozent der italienischen Bürger mindestens ein Smartphone. Auch die Zahl derjenigen, die einen Computer ihr Eigen nennen, nimmt stetig zu. Drei Viertel der Einwohner des Stiefelstaats besitzt und verwendet einen Computer.

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Das Bild, das sich übereinstimmend zeigt, lässt kaum Zweifel offen. Während der Konsum der Italiener sprunghaft ansteigt, stocken die Steuereinnahmen. Der Verdacht, dass in Italien Millionen- und Milliardensummen am Fiskus vorbei direkt den Konsum befeuern, liegt sehr nahe. „Diese Zahlen passen einfach nicht zusammen“, so das Fazit eines Steuerexperten. Der Kampf gegen die Steuerhinterziehung ist eines der größten Probleme, denen sich die römische Regierung wird stellen müssen.

Von: ka