Kardinal steigt in den Untergrund und stellt Verbindung wieder her

Es werde Licht: Hausbesetzer erneut mit Strom versorgt

Montag, 13. Mai 2019 | 07:56 Uhr

Rom – Nachdem in Casal Bruciato, wo Einwohner sich gegen den Einzug einer Roma-Familie gewehrt hatten, langsam Ruhe einzukehren scheint, lässt die ewige Stadt aufgrund der Wohnungsnot erneut von sich hören. Diesmal schritt die Kirche selbst ein. Der Päpstliche Almosenier, Kardinal Konrad Krajewski, stieg selbst in den Untergrund, um für 450 ärmere Menschen, die aufgrund der Wohnungsnot und ihrer misslichen Lage ein Haus besetzt hatten, die Stromversorgung wiederherzustellen.

Das Kräftemessen zwischen der Stadtgemeinde Rom und dem Energiedienstleister Acea auf der einen und rund 450 ärmeren, römischen Bürgern, die ein verlassenes Haus besetzt hatten, auf der anderen Seite dauerte bereits seit Monaten an, als am 6. Mai zu einer drastischen Maßnahme gegriffen wurde. Nachdem die Hausbesetzer Schulden von rund 300.000 Euro angehäuft hatten, tauchten vor dem besetzten Gebäude, in dem auch Veranstaltungen der alternativen Szene der Hauptstadt stattfinden, Techniker auf und schnitten den „rebellischen Hausbewohnern“ den Strom ab.

Was folgte, war eine Fülle von Appellen von Sozialverbänden und Künstlern, den 450 Hausbesetzern, unter denen sich auch fast 100 Minderjährige befinden, „das Licht zurückzugeben“. Aber alle Appelle fruchteten nichts. Die Gemeinde und der Energiedienstleister blieben hart. Aber dann kam Hilfe von ganz unerwarteter Seite. Am Samstagabend suchte der Päpstliche Almosenier, Kardinal Konrad Krajewski, die Hausbesetzer auf, um den Kindern Lebensmittel und Geschenke zu bringen. Mit dem Versprechen, dass wenn die Gemeinde den Strom nicht wieder anschließen würde, er am späten Abend dies selbst tun werde, verließ er das Haus wieder.

Er hielt Wort. Gegen 22.00 Uhr ließ sich der polnische Kardinal von den Anwesenden jene Bodenluke zeigen, unter der wenige Tage vorher die Stromverbindung unterbrochen und die Siegel angebracht worden waren. Unter der Verblüffung aller öffnete der Kardinal Konrad Krajewski die Luke und stieg selbst hinunter. Er zerbrach die Siegel, verband die Kabel und stellte so den Hausbewohnern wieder das Licht an. Jenen, die ihn darauf hinwiesen, dass die Hausbesetzer für diese illegale Handlung nun massive Probleme bekommen würden, erwiderte er, dass er stellvertretend für den Vatikan gegenüber der Präfektur und der Acea selbst die alleinige Verantwortung übernehmen werde und zu diesem Zweck auf dem Zähler seine Visitenkarte hinterlassen habe.

„Ich schritt gestern Abend persönlich ein, um die Verbindung am Zähler wiederherzustellen. Es war eine Verzweiflungstat. Über 400 Personen – viele davon haben Familien mit Kindern – waren ohne Strom und hatten nicht einmal die Möglichkeit, die Kühlschränke am Laufen zu halten“, so Kardinal Konrad Krajewski gegenüber der italienischen Nachrichtenagentur Ansa.

Laut Quellen aus dem Vatikan hatte der Kardinal von der schwierigen Lage, in der sich die Bewohner des Hauses befanden, erfahren, und sah sich als Päpstlicher Almosenier in der Pflicht, eine menschliche Handlung zu vollziehen und zum Wohle der Familien dafür Sorge zu tragen, die Stromverbindung wiederherzustellen.

ANSA/CLAUDIO PERI/Kardinal Konrad Krajewski

Als die Techniker der Gesellschaft Areti, die für den Energiedienstleister Acea das Stromnetz betreut, die „Anomalie“ im Stromverteilernetz bemerkten, eilten sie – begleitet von einigen Polizeieinheiten – sofort zur betreffenden, im Boden versenkten Elektrokabine. Aber es nützte nichts. Unter dem Motto „senza luce non si vive“(ohne Licht lebt man nicht, Anmerkung der Redaktion) fanden sich vor der Kabine Hunderte von Hausbesetzern und Sympathisanten zu einer Protestkundgebung ein und blockierten so den Zugang. Bis zum Abzug der Ordnungskräfte gegen 3.00 Uhr am frühen Sonntagmorgen hinderten die Protestierenden die Techniker daran, die Stromverbindung erneut zu trennen, und zwangen sie, unverrichteter Dinge wieder abzuziehen.

Der Kampf zwischen den Hausbesetzern und dem Energieversorger wird weitergehen, aber seit Samstag ist – so die Einwohner des besetzten Gebäudes – Kardinal Konrad Krajewski „einer von uns“.

Von: ka