Russische Schlepper ersetzen Ukrainer – VIDEO

Flüchtlingstragödie: Route von Türkei nach Italien immer stärker genutzt

Dienstag, 28. Februar 2023 | 07:00 Uhr

Steccato di Cutro – Die Tragödie, die sich vor einem Strand des beschaulichen Ferienortes Steccato di Cutro südlich der Hafenstadt Crotone in der süditalienischen Region Kalabrien abspielte, offenbart, dass die Flüchtlingsankünfte auf der sogenannten Ägäis-Route immer häufiger werden.

Da die Migranten von Griechenland regelmäßig abgewiesen und zurückgeschickt werden, sind die Schleuser, die mit ihren Booten mit Hunderten von Flüchtlingen von der Türkei aus in See stechen, dazu übergegangen, die griechische Halbinsel Peleponnes zu umschiffen und an der Küste von Apulien und Kalabrien anzulanden. Die nach dem verheerenden Erdbeben erfolgte Lockerung der Kontrollen in der Türkei begünstigt das Treiben der Schlepper und Schleuser. Der Krieg in der Ukraine zwang die kriminellen Organisationen lediglich dazu, die vormals ukrainischen Schleuser durch Russen zu ersetzen. Einige Experten meinen, dass die Vergrößerung der Flüchtlingsströme Moskau Trümpfe in die Hand gebe, auf Europa vermehrt Druck auszuüben.

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Gebannt blickt ganz Europa auf die Flüchtlingstragödie, die sich vor dem Strand von Steccato di Cutro in Kalabrien ereignete. Nachdem ein vollkommen überladenes Flüchtlingsboot unweit der Küste in der stürmischen See zerbrochen war, ertranken Dutzende von Menschen, darunter viele Kinder, im eiskalten Wasser. Bisher wurden mehr als 60 Leichen aus dem Meer geborgen, aber die Retter der Feuerwehr, des Zivilschutzes und der Küstenwache befürchten, dass das Unglück über 100 Opfer gefordert haben könnte.

80 Personen, darunter 20 Kinder, überlebten die Katastrophe. Drei mutmaßliche Schlepper – zwei Türken und ein Pakistaner – wurden von der italienischen Polizei wegen Begünstigung der illegalen Einwanderung festgenommen. Sie werden außerdem beschuldigt, Flüchtlinge vor der Küste ins Meer gestoßen zu haben.

APA/APA/AFP/STRINGER

Da sich Konflikte und humanitäre Krisen im Osten Europas und in Nahost verschärfen und da nach dem Erdbeben in weiten Teilen der Türkei Chaos herrscht, befürchten Beobachter, dass die Flüchtlingstragödie von Steccato di Cutro nicht die letzte ihrer Art sein wird. Laut Zahlen der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache Frontex stieg die Zahl der Flüchtlingsankünfte aus dem Osten an den europäischen Küsten im Vergleich zu den letzten beiden Jahren im Januar um mehr als das Doppelte an. Mit insgesamt über 18.000 Ankünften wurde auch in Italien im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr ein Anstieg von 43 Prozent beobachtet.

Nicht zuletzt aufgrund des längeren Seeweges galt die sogenannte Ägäis-Route bis noch vor einem Jahr als zweitrangige Seeroute, die hauptsächlich von kleinen Segelbooten befahren wurde. Seit vielen Monaten wird aber eine stark wachsende Anzahl von Abfahrten aus der Türkei gemeldet, von wo aus kleine nur zehn bis zwölf Meter lange Boote mit Migranten aus Syrien, Afghanistan, Irak und Pakistan ablegen.

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Da die bisher bevorzugte Balkanroute immer stärker kontrolliert wird, ziehen es die Schleuser und Schlepper vor, die Häfen von Izmir, Bodrum und Çanakkale nutzend von der türkischen Westküste in See zu stechen. Das verheerende Erdbeben, in dessen Folge die Kontrollen gelockert wurden, trug dazu bei, den kriminellen Schleuserbanden ihr Treiben zu erleichtern. Zudem wurde durch die Erdbebenkatastrophe die Zahl der verzweifelten Menschen auf der Flucht erhöht.

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Auch der Krieg in der Ukraine scheint die Menschenschlepper nicht weiter zu stören. Durch die Einberufung der vormals ukrainischen Schleuser zum ukrainischen Heer wurden die türkischen kriminellen Organisationen, die den Menschenhandel organisieren, lediglich dazu gezwungen, die Ukrainer durch Russen zu ersetzen.

In der Tat wurden seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine genau vor einem Jahr 14 Russen wegen illegalen Transports von Asylbewerbern von der italienischen Polizei verhaftet. Daneben klickten auch für mutmaßliche Menschenschlepper aus Kasachstan und Tadschikistan sowie für Syrer, Türken und Ägypter die Handschellen.

Hinter der Zunahme der Flüchtlingsankünfte in Kalabrien und Apulien, die Italiens Küste über die östliche Mittelmeerroute erreichen, steht aber auch ein Strategiewechsel der kriminellen Organisationen. Da die Flüchtlinge und Migranten von Griechenland regelmäßig abgewiesen und zurückgeschickt werden, gingen die Schleuser, die mit ihren Booten mit Hunderten von Flüchtlingen von der Türkei aus in See stechen, dazu über, die griechische Halbinsel Peloponnes zu umschiffen und an den Küsten von Apulien und Kalabrien anzulanden. Der längere Seeweg und die harten Kontrollen auf der früher bei Schleppern beliebten Balkanroute führte aber zwangsläufig dazu, dass sich die Preise der „Tickets“ für die Überfahrt über das Mittelmeer nach Italien empfindlich erhöhten.

Twitter/Vigili del Fuoco

Laut Journalisten der römischen Tageszeitung La Repubblica sollen die Schleuser und Schlepper von den Flüchtlingen nunmehr Preise zwischen 4.000 Dollar für Kinder und 10.000 Dollar für Erwachsene verlangen. Aufgrund dieser für eine viertägige Seefahrt nach Italien sehr hohen Kosten weichen verzweifelte Migranten auf Schlepperorganisationen aus, die billigere Überfahrten auf maroden Lastkähnen und heruntergekommenen Booten anbieten. Diese Menschen riskieren insbesondere in der winterlichen rauen See ihr Leben.

Die Unterbindung des kriminellen Treibens der Menschenschlepper muss – so viele Beobachter – in den Mittelpunkt europäischer Politik rücken. Das ist nicht nur aus humanitären Gründen bitternotwendig. Einige Experten meinen, dass die Vergrößerung der Flüchtlingsströme Moskau Trümpfe in die Hand spiele, auf Europa vermehrt Druck auszuüben.

Twitter/Vigili del Fuoco

Mit Grauen denken die italienischen Behörden daran, dass auf die Flüchtlingstragödie von Steccato di Cutro noch viele weitere solcher tragischen Unglücke folgen könnten. Viele Rettungskräfte, die Leichen von Müttern und Kindern aus dem Meer bargen, hoffen, einen solchen Einsatz nie mehr durchführen zu müssen.

Die Hilfsbereitschaft der Einheimischen ist groß. Viele Einwohner von Cutro und Umgebung halfen den Rettungskräften bei ihrem Einsatz und boten an, Kinder und Jugendliche bei sich aufzunehmen und zu betreuen.

Von: ka