Gewaltsamer Tod einer 78-Jährigen wirft viele Fragen auf – VIDEO

Großmutter von eigenen Familienangehörigen ermordet?

Mittwoch, 30. Dezember 2020 | 08:05 Uhr

Montecassiano/Macerata – Der gewaltsame Tod der 78-jährigen Rosina Carsetti wirft viele Fragen auf.

Die Ermittler begegnen den Angaben des Ehemanns, der Tochter und des Enkels des Opfers, nach denen ein Räuber in das Haus eingedrungen wäre und die ältere Frau ermordet hätte, mit immer größerer Skepsis. Aufgrund des nicht unbegründeten Verdachts, dass für den Tod der 78-Jährigen die eigenen Familienangehörigen verantwortlich sein könnten, wird nun gegen den 81-jährigen Enrico Orazi, gegen die 48-jährige Arianna und deren Sohn, den 21-jährigen Enea Simonetti, wegen Mordes, Beihilfe zum Mord und Vortäuschung einer Straftat ermittelt.

YouTube/Rosina Carsetti

Am Heiligabend um 19.51 Uhr läutete in der Carabinierikaserne von Montecassiano – einer Kleinstadt in den Marken – das Telefon. Am anderen Ende der Leitung befand sich Arianna Orazi. Sie schilderte den Carabinieri, dass ein großgewachsener, dunkelgekleideter und einen osteuropäischen Akzent sprechender Dieb in ihr Haus eingedrungen wäre. Ihren Angaben zufolge hätte sie der Dieb zuerst geohrfeigt und gefesselt, anschließend ihren 81-jährigen Vater im Badezimmer eingeschlossen und zuletzt ihre 78-jährige Mutter angegriffen, wodurch diese einen Herzinfarkt erlitten hätte. Die 48-Jährige fügte hinzu, dass erst ihr von Weihnachtseinkäufen heimkehrender Sohn Enea sie und ihren Vater befreit hätte. Nach ihrer Version des Tathergangs hätten sie gemeinsam die auf dem Küchenboden liegende Leiche ihrer Mutter, der 78-jährigen Rosina Carsetti, gefunden und das Fehlen von 2.000 Euro entdeckt.

ANSA/ GUIDO PICCHIO

Als die Carabinieri am Tatort eintrafen, fanden sie wie im Telefonat angegeben, in der Küche die Leiche von Rosina Carsetti. Die Autopsie ergab, dass die 78-Jährige nicht eines natürlichen Todes gestorben war, sondern vermutlich erstickt worden war. Die Beamten der Spurensicherung, die die Wohnung einer minutiösen Untersuchung unterzogen, entdeckten weder Zeichen eines gewaltsamen Eindringens wie aufgebrochene Fenster oder Türen noch Spuren des angeblichen Diebes. In den stundenlangen Verhören durch die Carabinieri und den zuständigen Staatsanwalt verstrickten sich der Ehemann, die Tochter und der Enkel des Opfers zwar in einige Widersprüche, blieben aber bei ihrer Schilderung eines räuberischen Angriffs durch einen unbekannten Täter.

Neben den fehlenden Indizien für einen Raubmord ließ aber besonders ein vergangener Einsatz der Carabinieri die Ermittler stutzig werden. Aufgrund eines schweren Streits mit ihrem Enkel hatte Rosina Carsetti im November die Notrufnummer 112 gewählt und die Carabinieri verständigt. Sie hatte von den Carabinieri verlangt, Enea wegen seines ihr gegenüber rücksichtslosen Tones zurechtzuweisen. Später hatte sich die Lage aber wieder beruhigt und Rosina Carsetti hatte davon abgesehen, formal Anzeige zu erstatten.

Gegenüber ihren Freundinnen hatte die 78-Jährige aber immer wieder darüber geklagt, dass ihre Familienangehörigen sie in einen kleinen, unbeheizten Wohnbereich verbannt hätten und ihr nur zehn Euro am Tag zugestehen würden. In der Folge hatte sich Rosina Carsetti an das Zentrum gegen Gewalt gegen Frauen „Centro antiviolenza Sos Donna“ gewandt. Nach einem ersten am 19. Dezember stattgefunden Gespräch hatte Rosina Carsetti ein für den 29. Dezember anberaumtes Treffen mit der Rechtsanwältin des „Centro antiviolenza Sos Donna“ vereinbart.

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Auf diese Erkenntnisse angesprochen erwiderten die Angehörigen des Opfers, dass es Rosina Carsetti nie an etwas gefehlt hätte und sie nicht verstehen würden, warum die 78-Jährige das Zentrum gegen Gewalt gegen Frauen eingeschaltet hatte. Ihre Angaben konnten die Ermittler aber nicht überzeugen. Vielmehr hegen der Staatsanwalt und die Carabinieri den Verdacht, dass für den Tod von Rosina Carsetti ihre eigenen Familienangehörigen verantwortlich seien. In der Folge wurde Arianna Orazi wegen Mordes und ihr Vater und Sohn wegen Beihilfe zum Mord und Vortäuschung einer Straftat in das Ermittlungsregister eingetragen. Die Freigabe der Leiche des Opfers für das Begräbnis wurde hingegen ausgesetzt. Der zuständige Staatsanwalt von Macerata, Giovanni Giorgio, teilte mit, dass in alle Richtungen ermittelt werde.

Von der Auswertung aller Telefonkontakte der Verdächtigen, der Aufnahmen der Überwachungskameras der Umgebung sowie von der Untersuchung der Besitzerwechsel der Immobilie – das vor einem Vierteljahrhundert gekaufte Haus war dem 21-jährigen Enkel des Opfers, Enea Simonetti, überschrieben worden – erhoffen sich die Ermittler weitere Erkenntnisse. In jedem Fall verdichten sich die Hinweise, dass es sich bei der Bluttat von Montecassiano um einen im engsten Familienkreis verübten Mord handeln könnte.

 

Von: ka