Hostel in Berlin wird geschlossen

Hostelkette öffnet in Mestre, doch Proteste aus Berlin hallen nach

Montag, 22. Juli 2019 | 08:11 Uhr

Mestre – Die österreichische Hostelkette Wombat ́s, die bereits in Wien, Berlin, München, Budapest und London präsent ist, hat seit Juli auch in Italien Fuß gefasst. In Mestre bei Venedig ist ein Wombat ́s-Haus mit fast 600 Betten eingeweiht worden. Während sich der Betrieb nach weiteren Wachstumsgelegenheiten in Italien umschaut, ist die Firma allerdings auch immer wieder wegen Auseinandersetzungen mit der Belegschaft in Berlin in die Medien geraten. Dort soll der Standort am 31. August geschlossen werden.

Vier Jahre lang haben die Angestellten in Berlin gekämpft – für mehr Lohn, für bessere Arbeitsbedingungen und für das Recht auf Mitbestimmung. Jetzt verlieren sie alle ihre Jobs, obwohl das Hostel Gewinne einfährt. Dies hat das Unternehmen in einem offenen Brief selbst mitgeteilt.

Doch wie konnte es so weit kommen? Die Konflikte sollen im Jahr 2015 angefangen haben, als die Mitarbeiter einen Betriebsrat gründen wollten. Wie das Nachrichtenportal watson.de berichtet, waren die Chefs von dieser Idee gar nicht begeistert.

In Deutschland und Österreich ist der Betriebsrat ein Organ zur Mitbestimmung und Vertretung der Arbeitnehmerinteressen, der auch an betrieblichen Entscheidungen mitwirkt. Auf Betriebsversammlungen können unter anderem Themen wie Arbeitszeiten und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz diskutiert werden. Aufgabe eines Betriebsrats ist es, im Machtgefälle zwischen Chefs und Angestellten mehr Gleichgewicht herzustellen.

Die Wombat’s-Gründer reagierten mit einem offenen Brief an die Berliner Mitarbeiter, in dem es laut watson wörtlich hieß: “Die Gründung eines Betriebsrates halten wir für einen Schritt in die falsche Richtung, denn er dient ausschließlich dazu, einzelnen Mitarbeitern (nämlich denen, die in so einen Betriebsrat gewählt werden) sich hinter einem besseren Kündigungsschutz (als ihn alle anderen genießen) zu verstecken […]”.

Die geplante Betriebsratsgründung stelle für die Gründer “eine Enttäuschung” und einen Entzug des Vertrauens dar. Dadurch würden sich die Mitarbeiter außerhalb der Werte stellen, “die von Anfang an Wombat’s ausgezeichnet haben.”

Sogar eine Drohung enthielt der Brief: “Wir fragen uns, wie wir ohne dieses Vertrauen miteinander arbeiten sollen, aber ihr habt euch das sicher gut überlegt. Es wird nach dieser Gründung eines Betriebsrates auch von unserer Seite einige Änderungen geben, die dieser neuen Situation Rechnung tragen werden, und wir sollten danach alle überprüfen, ob sich unser Zusammenleben verbessert, oder verschlechtert hat.”

Penis-Graffiti und Beleidigungen

Gewählt wurde der Betriebsrat trotzdem. Doch dann ging der Streit erst richtig los. Ein absurder Höhepunkt schaffte es im März 2019 sogar in die Boulevardpresse: Neben Kreideslogans, die der Betriebsrat aus Protest auf die Straße vor dem Hostel gesprüht hatte, tauchte über Nacht ein gesprühter Penis auf und vulgäre Beleidigungen auf Englisch auf.

Der Vorsitzende des Betriebsrats hat damals Anzeige bei der Polizei unter anderem wegen Beleidigung erstattet, eine Kollegin hat ihre Zeugenaussage allerdings in letzter Minute wieder zurückgezogen.

watson hat das Unternehmen mit den Vorwürfen konfrontiert, aber keine Antwort erhalten. Der “Bild” gegenüber erklärte die Firma im März jedoch: “Dieses nicht enden wollende Vorgehen des Betriebsrates hat zu einem tiefen Riss in der Wombats-Belegschaft geführt, wodurch es möglicherweise am vergangenen Freitag zu Besprayungen der Straße auch durch einzelne Wombats-Mitarbeiter gekommen sein könnte.”

Die Warnstreiks

Der zweite große Höhepunkt im Streit mit den Gründern nach der Betriebsratsgründung erfolgte im Jahr 2017. Die Berliner Wombat’s-Mitarbeiter wagten den nächsten Schritt und forderten einen Tarifvertrag- und damit mehr Geld, mehr Urlaubsanspruch und letztendlich mehr Sicherheit. Gemeinsam mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) versuchten die Angestellten, Verhandlungen mit dem Unternehmen aufzunehmen. Doch das Unternehmen blockte ab.

Die Belegschaft blieb allerdings hartnäckig und entschloss sich zu mehreren Streiks. Die rund zehn Warnstreiks haben nicht lange gedauert – die längsten mehrere Stunden, manche waren auch nach Minuten schon vorbei.

Trotzdem haben sich die Proteste ausgezahlt. Das Unternehmen gab nach und das Berliner Hostel war nun an den Flächentarifvertrag der Gewerkschaft NGG angebunden, berichtet watson.de.

Doch dann kam für den Betriebsrat der nächste Tiefschlag. Das Unternehmen kündigte nämlich an, Reinigungskräfte auszulagern. Outsourcing ist in Deutschland weit verbreitet, und zwar nicht nur im Gastgewerbe. Auch öffentliche Betriebe und Schulen greifen gerade bei Reinigungskräften darauf zurück.

Für das Reinigungspersonal von Wombat’s bedeutete das, dass sie nicht mehr Angestellte des Unternehmens waren, sondern für einen Kleinbetrieb arbeiteten, der ihre Dienste an das Hostel verkauft. Der gerade abgeschlossene Tarifvertrag galt für sie demnach nicht mehr und in Kleinstbetrieben gibt es auch keinen Kündigungsschutz.

Deshalb hat der Betriebsrat weitere Proteste veranstaltet. Unterstützung kann von Gewerkschaften, zivilgesellschaftlichen Initiativen und von Angestellten aus anderen Betrieben. Weil sich Medien für den Fall immer mehr interessierten, kündigten die Wombat’s-Besitzer schließlich an, das Berliner Hostel dicht zu machen.

Demo auch in Mestre

Die Konflikte in Berlin haben auch ihre Schatten nach Mestre geworfen. Wie die Online-Ausgabe der Tageszeitung „La Nuova di Venezia e Mestre“ berichtet, sind bei der Eröffnung in Italien mehrere Mitarbeiter aus Berlin aufgetaucht, um gegen prekäre Arbeitsverhältnisse und die Arbeitspolitik des Unternehmens zu demonstrieren.

Rund 40 Angestellte seien von der Betriebsschließung betroffen. Eine Wombat’s-Mitarbeiterin an der Rezeption verdiene in Berlin die Stunde 11,30 Euro, eine Reinigungskraft 9,11 Euro, erklärten die Mitarbeiter aus Berlin. „Vor unseren Protesten erhielt man mit 100 Stunden 800 Euro, nach den Streiks sind wir auf 1.100 Euro gekommen. Das ist wenig für eine Stadt wie Berlin, wo man ein Miethaus nicht unter 600 Euro im Monat bekommt. Für einen Autoabstellplatz, den man sich als Wohnungsmieter mit anderen teilt, kostet bis zu 450 Euro“, betonten die Berliner Angestellten, die NGG-Mitglieder sind, laut „La Nuova di Venezia e Mestre“.

Zwischen Berlin und Mestre gibt es noch weitere Verbindungen. Eine der neuen Managerinnen in Venedig stammt aus Südtirol und war zuvor Managerin des Berliner Hauses.

Ihr und einem zweiten Berliner Manager wirft der Betriebsrat vor, versucht zu haben, die Arbeit des Betriebsrats zu behindern und den „gewerkschaftlich aktiven Teil der Belegschaft durch Bossing zu zermürben“, wie Milenko Ristiic vom Betriebsrat gegenüber Südtirol News erklärt.

Gesetzeslage in Italien als Vorbild

Trotzdem besteht wenig Möglichkeit für den Betriebsrat als Gremium gegen die Schließung vorzugehen. Befürchtet wird, dass das Unternehmen zu einem späteren Zeitpunkt einfach ein neues Hostel wieder eröffnet – allerdings wieder ohne Betriebsrat.

“Der ‚unternehmerischen Freiheit‘ ist es leider unbenommen zuzumachen und gegebenenfalls neu zu eröffnen. Dasselbe Vorgehen wurde bereits mehrfach bei anderen Betrieben beobachtet, unter anderem bei AmRest (Lizenznehmer von Starbucks in Deutschland). Hierdurch werden bestehende Strukturen aufgelöst und neue geschaffen, die ‚frei‘ von Arbeitnehmervertretung sind”, erklärt Milenko Ristiic gegenüber Südtirol News.

Die Belegschaft habe bisher unter Beteiligung einer breiten zivilgesellschaftlichen Allianz in mehreren Demonstrationen auf die Situation aufmerksam gemacht. Immer wieder wurde auch die Forderung eines Vorkaufrechts für Deutschland – vergleichbar der “Legge Marcora” in Italien – erhoben und die Enteignung der Wombats GmbH Berlin gefordert.

Die Gesetzeslage in Italien sehe laut Betriebsrat ein Vorkaufsrecht für Arbeiterinnen und Arbeiter vor. Wenn ein Unternehmer keine Lust mehr hat und einen Betrieb nicht mehr weiterführen will, dann hätten die Angestellten die Möglichkeit, diesen Betrieb zu übernehmen. Das möchten auch die Angestellten in Berlin erreichen.

Von: mk