Von: ka
Genua – Ein angesehener Virologe, Matteo Bassetti, führt die Covid-19-bedingte Überfüllung der italienischen Krankenhäuser auf eine falsche Kommunikation über das Virus zurück.
„Die Kommunikation über das Virus war falsch. Es ist die Panik, die das Gesundheitswesen explodieren lässt“, so Matteo Bassetti, der sich nicht scheut, mit seiner Meinung gegen den Strom zu schwimmen. Hart ins Gericht geht der streitbare Experte mit dem Technisch Wissenschaftlichen Komitee (CTS) in Rom, dem er vorwirft, die Ausarbeitung von Richtlinien für die häusliche Behandlung von Corona-Patienten versäumt zu haben. „Würde es geeignete Richtlinien und eine entsprechend organisierte Territorialmedizin geben, hätten bis zu einem Fünftel der hospitalisierten Covid-19-Patienten zu Hause behandelt werden können“, so das Fazit des angesehenen Virologen.
Ein angesehener Virologe, Matteo Bassetti, unterstützt zwar die Corona-Hygiene und -Schutzmaßnahmen, warnt aber vor der immer stärker um sich greifenden Panik. Matteo Bassetti, der an der Universität von Genua das Fachgebiet der Infektiologie lehrt und die Abteilung für Infektionskrankheiten der Klinik „San Martino“ von Genua leitet, rät dazu, die Verbreitung von Schreckensnachrichten zu vermeiden.
„Die Kommunikation über das Virus war falsch. Die Menschen zu terrorisieren, kann dabei helfen, sie zum Zuhausebleiben zu bewegen, aber auf der Ebene des Krankenhauses mehrt eine sich in Panik befindende Bevölkerung nur zu Chaos“, meint Matteo Bassetti, der einmal mehr die übergroße Panikmache kritisiert.
„Covid-19 wurde aufgebauscht. Es sind nicht die Kranken, sondern die Panik und die Angst der Menschen, intubiert zu werden oder gar zu sterben, die das Gesundheitswesen explodieren lassen. Wenn ich von jenen, denen es nicht schlecht geht, täglich 100 Anrufe erhalte, wie soll ich mich dann um die wirklich Kranken kümmern?“, fragt sich der angesehene Virologe.
„Das Gesundheitswesen riskiert den Kollaps, weil es von Tausenden von symptomfreien oder wenig symptomatischen Personen bedrängt wird, die ohne Weiteres zu Hause behandelt werden könnten. So aber stürmen sie die Notaufnahmen und verstopfen die Telefonzentralen der Krankenhäuser, was dazu führt, dass Ärzte und Pflegekräfte wertvolle Zeit verlieren. Dies geschieht, weil sie von den Behörden, die sie eigentlich hätten beruhigen sollen, in Panik versetzt wurden“, erläutert Matteo Bassetti.
Hart ins Gericht geht der streitbare Experte mit dem Technisch Wissenschaftlichen Komitee (CTS) in Rom, dem er vorwirft, die Ausarbeitung von Richtlinien für die häusliche Behandlung von Corona-Patienten versäumt zu haben. „Würde es geeignete Richtlinien und eine entsprechend organisierte Territorialmedizin geben, hätten 15 bis 20 Prozent der hospitalisierten Covid-19-Patienten zu Hause behandelt werden können. Wer hätte diese Aufgabe übernehmen müssen? Hätte das CTS, das um eine Ansteckung auf dem Strand zu vermeiden, die Abstände zwischen den Strandschirmen genau festgelegt hat, nicht die Richtlinien ausarbeiten können, wie und von wem die Patienten häuslich betreut werden können?“, fragt sich Matteo Bassetti, der damit auf ein seiner Ansicht schwerwiegendes Versäumnis hinweist.
„Es muss auch gesagt werden, dass Covid-19 zwar enorme Schäden verursacht, aber bei der großen Mehrheit der Fälle einen asymptomatischen oder einen von geringen Symptomen gekennzeichneten Verlauf zeigt. Das Virus hat eine Letalitätsrate von weniger als einem Prozent und ist vor allem für ältere Patienten mit einem schlechten Gesundheitszustand gefährlich“, so der Experte.
Auf die Frage, warum auch unter jungen Leuten schwere und tödliche Fälle verzeichnet werden, antwortet Matteo Bassetti, dass es sich um eine „böse Infektion“ handle, zu der viele Faktoren wie die Genetik, der allgemeine Gesundheitszustand sowie der Zustand der Immunabwehr und die Viruslast zum Zeitpunkt der Ansteckung beisteuern würden. Dabei müsse aber immer auch bedacht werden – so Matteo Bassetti – dass bereits vor dem Aufkommen von Covid-19 die außerhalb des Krankenhauses zugezogene Lungenentzündung die weltweit fünfthäufigste Todesursache gewesen sei, wobei es sich um eine Krankheit handle, der auch Kindern und jungen Erwachsenen zum Opfer fielen.
Mit seiner Kritik und seinen Ansichten dürfte der angesehene Virologe aus Genua zwar anecken, aber nicht ganz alleine dastehen. Die Corona-Notlage hat auch dazu beigetragen, Unzulänglichkeiten und mangelnde Organisation der Behörden und des Gesundheitswesens offenzulegen. In Italien häufen sich die Stimmen, die meinen, dass es im Sommer vielfach versäumt worden ist, geeignete Vorbereitungen für die zweite Corona-Welle zu treffen.