Von: ka
Barzago – Die Bußgelder für kleinere Vergehen wie Falschparken stellen für viele Gemeindeverwaltungen eine willkommene Gelegenheit dar, die oft klamme Gemeindekasse aufzubessern. Einige Gemeinden, darunter Barzago in der Lombardei, versuchen jedoch einen anderen Weg zu gehen. Die Gemeindeverwaltung der in der Nähe des Lago di Lecco gelegenen Ortschaft, allen voran die junge und engagierte Bürgermeisterin Melissa Cereda, ist fest davon überzeugt, dass die Aufgabe der Gemeindepolizei weniger darin besteht, die Bürger zu bestrafen, sondern sie zu besserem Verhalten zu „erziehen”.
Zu diesem Zweck wurden die sogenannten „moralischen Bußgelder” eingeführt. Stellen die Polizisten ein Vergehen fest, legen sie einen „moralischen Strafzettel” unter den Scheibenwischer. Dieser ähnelt dem klassischen Strafzettel, beinhaltet jedoch keine Geldstrafe, sondern hat die gleiche Bedeutung wie die „Gelbe Karte” beim Fußball. Es handelt sich um eine erste Verwarnung, um die Bürger zur Einhaltung der Regeln anzuhalten. Nur im Wiederholungsfall kommt es zur „Roten Karte” und es werden echte Strafen verhängt. Doch kann ein solches Konzept funktionieren?
Die Gemeinde Barzago in der Nähe des Lago di Lecco in der Lombardei hält einen einzigartigen Rekord: „Nicht ein einziger Bußgeldbescheid wurde im letzten Jahr ausgestellt”, freut sich der stellvertretende Bürgermeister Manuel Mauri. Allerdings ist dies laut der Gemeindeverwaltung ein Rekord, der nicht für immer und ewig halten sollte. „Unserer Meinung nach müssen einige Bußgelder verhängt werden, nicht, um die Gemeindekasse zu füllen, sondern um undisziplinierte Autofahrer zu ‚erziehen‘, wie man sich in einer Gemeinschaft verhält“, warnt der Gemeindeassessor die Bürger von Barzago. „Der erste Schritt werden jedoch keine echten Geldstrafen sein“, kündigt Manuel Mauri an.
Die Gemeinde Barzago hat nämlich sogenannte „moralische Bußgelder” eingeführt. Wer einen solchen Zettel unter dem Scheibenwischer seines Autos vorfindet, muss ihn als eine Art „Gelbe Karte” vonseiten der Gemeindeverwaltung betrachten. „Die moralischen Bußgelder werden ähnlich wie echte Bußgelder erstellt”, erklärte der stellvertretende Bürgermeister. „Die Gemeindepolizei, die die Bußgelder verhängt, notiert tatsächlich auch das Kennzeichen der wild geparkten Fahrzeuge. Sollte dasselbe Fahrzeug dann erneut beim Falschparken erwischt werden, wird eine echte Geldstrafe verhängt, denn das wilde Parken ist das Hauptproblem, mit dem wir zu kämpfen haben”, betont Manuel Mauri.
Es handelt sich also um schriftliche Verwarnungen, die dem klassischen Strafzettel sehr ähnlich sehen. Da die Polizisten jedoch gleichzeitig das Kennzeichen notieren, ist es bei wiederholten Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung ein Leichtes, echte Bußgeldbescheide auszustellen.
Mit dem Vorschlag der „moralischen Bußgelder” soll das Bewusstsein für die Einhaltung der Regeln geschärft werden, anstatt Menschen zu bestrafen und vor allem Geld einzunehmen. Das Privileg des „moralischen Bußgeldbescheids“ gilt für kleinere Vergehen wie das Parken im Parkverbot oder ohne Parkscheibe, auf Zebrastreifen oder in Einfahrten sowie für das ordnungswidrige Parken auf Behindertenparkplätzen ohne Berechtigung. Letzteres würde mit einem Bußgeld von 572 Euro und einem Abzug von fünf Führerscheinpunkten besonders teuer zu stehen kommen.
Zahlreiche Meldungen von Einwohnern aus Barzago beziehen sich auf das unzivilisierte Verhalten von Autofahrern und die damit verbundenen Gefahren für den Verkehr. „Diese moralischen Appelle zur Einhaltung der Regeln, denen gegebenenfalls echte Bußgelder folgen, dienen nicht so sehr der Bestrafung, sondern sollen ein Verantwortungsbewusstsein fördern, das wir alle besitzen sollten“, bekräftigt Mauri.
„Leider mussten wir feststellen, dass es keinen anderen Weg gibt, denn viele Autofahrer parken ihre Fahrzeuge weiterhin rücksichtslos, sogar auf den Gehwegen. Dann müssen Fußgänger, darunter auch Mütter mit Kinderwagen oder mit Kindern an der Hand, von den Gehwegen auf die Straße ausweichen, weil die Autos keinen Platz zum Vorbeigehen lassen“, betont der Vizebürgermeister und bekräftigt damit den Willen, die bereits verwarnten Wiederholungstäter zu bestrafen.
Barzago ist jedoch nicht die einzige Gemeinde, die versucht, undisziplinierte Autofahrer mit sogenannten „moralischen Bußgeldern” zu besserem Verhalten zu „erziehen”. Auch die Gemeinde Sagliano Micca bei Biella im Piemont erprobt seit dem vergangenen Herbst das gleiche Konzept: Falschparker werden zunächst verwarnt statt sofort bestraft.
Die große Frage ist jedoch, ob mit den „moralischen Bußgeldern” das hehre Ziel erreicht werden kann, die Disziplin der Autofahrer und damit die Sicherheit aller Bürger zu verbessern.
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