Statue soll nur Schweineblut weinen – VIDEO

„Madonna von Trevignano“: „Seherin“ samt dem Geld verschwunden

Mittwoch, 12. April 2023 | 07:14 Uhr

Trevignano Romano – Die angebliche Seherin der „Madonna von Trevignano Romano“, Gisella Cardia, ist verschwunden.

Die 53-jährige ehemalige Unternehmerin, die eigentlich Maria Giuseppe Scarpulla heißt und vor zehn Jahren wegen betrügerischen Bankrotts zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt worden ist, behauptet, jeden Monat eine Botschaft von der Jungfrau Maria zu empfangen. Seit die zuständige Diözese und die Staatsanwaltschaft ermitteln, sind sowohl die 53-jährige Seherin als auch ihr Mann, die um die „Blut weinende Madonna von Trevignano“ einen schwunghaften Handel mit Devotionalien aufgebaut und von den „Gläubigen“ hohe Geldspenden gesammelt haben, unauffindbar. Während einige „Jünger“ sie weiterhin verteidigen und unter anderem von einer „Hasskampagne“ sprechen, gestehen einige enttäuschte Wundergläubige, Tausende von Euro verloren zu haben.

Twitter/luciano @artedipulire

Maria Giuseppe Scarpulla ist eine schillernde Figur. Wie sie selbst erzählt, soll die 53-jährige ehemalige Unternehmerin ihren Weg zum Glauben gefunden haben, nachdem sie im Jahr 2013 wegen betrügerischen Bankrotts zu einer später auf Bewährung ausgesetzten Haftstrafe von zwei Jahren verurteilt worden war.

Sie soll sich gerade auf dem Weg nach Medjugorje befunden haben, als die Marienstatue, die von ihr mitgetragen worden sei, irgendwann angefangen habe, Blut zu weinen. In der Folge habe sie die Eingebung erhalten, eine große Kopie der Statue auf einem Hügel oberhalb des Braccianosees aufzustellen. Sie behauptete, am dritten Tag jedes Monats von der Jungfrau Maria eine Botschaft zu erhalten. Zudem versprach die „Seherin“ den Gläubigen, Pizzen und Kartoffelnocken – kein Scherz – wie die in der Bibel beschriebenen Brote und Fische mehren zu können.

Es dauerte nicht lange, bis der Hügel, auf dem die Statue aufgestellt worden war, zu einer Art Wallfahrtsort mutierte. Die „Tatsache“, dass die Madonnenstatue einmal im Monat Blut weinte, beeindruckte die Pilger, die aus ganz Italien herbeikamen, tief. Während der Pandemie gesellten sich zu den Mariengläubigen, die das Wunder sehen wollten und sich von der Madonna Hilfe erhofften, neben „gläubigen Impfgegnern“ auch Anhänger „alternativer Heilmethoden“ gegen Covid-19. Scarpulla behauptete nämlich, in direktem Kontakt mit der Jungfrau Maria treten zu können und von ihr den Auftrag erhalten zu haben, Botschaften für die ganze Menschheit zu sammeln.

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Für weniger gläubige Menschen war aber offensichtlich, dass Maria Giuseppe Scarpulla und ihr Ehemann Giovanni Cardia um die „wundertätige Muttergottes von Trevignano“ nach und nach ein weitläufiges Business aufgebaut hatten. Neben einer Onlineseite, auf der für gutes Geld verschiedene Devotionalien wie Madonnenstatuetten und Anhänger feilgeboten wurden, riefen die beiden auch eine gemeinnützige Organisation ohne Gewinnabsichten, eine Onlus, ins Leben, die fleißig Spenden sammelte, die angeblich für die Armen bestimmt waren. Im Laufe der Monate und Jahre sollen Gläubige der Onlus Tausende von Euro überwiesen haben.

Das Bild der frommen Frau bekam bald weitere Risse. Böse Zungen wiesen darauf hin, dass Gisella Cardia weder das Vaterunser noch den Rosenkranz beten konnte. Die aus der Sicht der „Seherin“ echten Probleme begannen aber erst, als ein Privatdetektiv bei der zuständigen Staatsanwaltschaft von Civitavecchia eine Eingabe hinterlegte. Der Mann gab an, Beweise dafür zu haben, dass die Tränen, die einmal im Monat aus dem Gesicht der „Madonna von Trevignano“ fließen, nichts anderes als Schweineblut seien. Auf die Anzeige des Privatdetektivs hin nahm die Staatsanwaltschaft von Civitavecchia Ermittlungen auf. Zugleich setzte die Diözese Civita Castellana, zu der Trevignano Romano gehört, eine Kommission ein, deren Auftrag es ist, „die Phänomenologie der Geschehnisse, die sich seit einiger Zeit in Trevignano Romano ereignen, zu untersuchen“.

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Wie nun bekannt wurde, sind sowohl die 53-jährige Seherin als auch ihr Mann zurzeit unauffindbar. Auf ihrer Seite, auf der sonst „Begegnungen und Wunder“ angekündigt werden, befindet sich ein geposteter Hinweis, dass derzeit alle Treffen abgesagt seien und Termine für neue „Begegnungen“ noch nicht feststünden. Kritiker der Wunder nähren den Verdacht, dass das Ehepaar nach dem Bekanntwerden der gegen sie laufenden Ermittlungen samt dem ganzen Geld ins Ausland geflüchtet sei. Gläubige und Marienpilger, die von der „Madonna von Trevignano Romano“ Hilfe erbitten, meinen hingegen, dass Gisella Cardia Opfer einer Hasskampagne geworden sei und Zuflucht in einem Kloster gesucht habe.

Die Gegner der „Seherin“ werden aber immer mehr. Ein enttäuschter Großspender, der an die Onlus insgesamt 123.000 Euro überwiesen hatte, erklärte, dass vom gesamten Geld nur 400 Euro an eine wohltätige Organisation, in diesem Fall an eine Armenausspeisung, gespendet worden seien. Der Mann, der sich heute verletzt und betrogen fühlt und nicht mehr an Wunder glaubt, verlangt sein Geld zurück.

Sollten sich die gegen sie gerichteten Vorwürfe erhärten, wird sich Maria Giuseppe Scarpulla einem neuen Gerichtsverfahren stellen müssen. Da das alte gegen sie laufende Verfahren wegen Betrugs noch nicht ausgestanden ist, könnte sie im Falle einer Verurteilung diesmal wirklich im Gefängnis landen. Ihr Mann könnte ihr Schicksal teilen.

Zugleich dürfte sich der Rummel um die Anbetung der „wundertätigen Muttergottes von Trevignano“, der im kleinen Dorf regelmäßig für ein Verkehrschaos, aber auch für volle Kassen bei vielen Lokal- und Gewerbetreibenden sorgt, in Luft auflösen.

Von: ka