Von: ka
Rom – Als schwierig gestaltet sich der Unterrichtsbeginn in Italiens Schulen.
Auch beim letzten Gipfeltreffen zwischen dem Staat und den Regionen konnten nicht alle strittigen Punkte ausgeräumt werden. Während die Nutzung von Einzelbänken einhellig befürwortet und die Richtlinien, die im Falle eines Auftretens von Corona-Fällen in den Schulen zur Anwendung kommen, verabschiedet wurden, lagen bei der Maskenpflicht und besonders bei der Frage, wie viele Schüler und Studenten in den Bussen und Bahnen transportiert werden dürfen, die Meinungen noch weit auseinander.
Als Gordischer Knoten erweist sich das Problem des Schülertransports. Der Ursprung der Kontroverse ist eine Vorschrift des technisch-wissenschaftlichen Komitees des Gesundheitsministeriums, das in den öffentlichen Verkehrsmitteln eine soziale Distanzierung von einem Meter vorsieht. Die Regionen wiesen den Gesundheitsminister Roberto Speranza darauf hin, dass die Umsetzung der vorgeschlagenen Norm das öffentliche Verkehrswesen ins Chaos stürzen würde. Eine soziale Distanzierung von einem Meter – so die Regionen – hieße den Verzicht auf die Hälfte der möglichen Fahrplätze, was bedeute, nicht alle Schüler rechtzeitig zur Schule bringen zu können. Der Meinung der Regionen schloss sich auch Transportministerin Paola De Micheli an. Das haarige Problem wurde mit einem gemeinsamen Beschluss, die Vorschläge der Regionen, die unter anderem Ausnahmen von der sozialen Distanzierung sowie eine Maskenpflicht vorsehen, zur Prüfung erneut dem technisch-wissenschaftlichen Komitee vorzulegen, vorläufig vertagt.
Verabschiedet hingegen wurden die Richtlinien des Obersten Gesundheitsinstituts ISS (Istituto Superiore di Sanità), die im Falle eines Auftretens von Corona-Fällen in den Schulen zur Anwendung kommen. Die lange Liste von Anleitungen, die nach der Entdeckung eines Corona-positiven Schülers oder Lehrers unter anderem Quarantänemaßnahmen sowie die Möglichkeit der „Schließung“ eines Teils oder der ganzen Schule vorsehen, wurde von allen Seiten angenommen. Einige Fragen wirft noch die Messung der Körpertemperatur auf. Der ursprüngliche Beschluss, die Eltern mit der Temperaturmessung ihrer Kinder zu beauftragen, wurde von vielen Regionen mit einem Nasenrümpfen aufgenommen. Zur Gewährleistung einer einheitlichen Qualität sei es besser – so einige Präsidenten – die Körpertemperatur an den Eingängen der Schulen zu kontrollieren.
Während die Einzelbänke einhellig begrüßt wurden, scheiden sich bei der Maskenpflicht die Geister. Besonders die von Mitte-rechts-Koalitionen regierten Regionen merkten an, dass besonders von Grundschulkindern nicht erwartet werden könne, über mehrere Stunden hinweg eine Gesichtsmaske zu tragen. Diese solle nur gelten – so der Vorschlag – wenn die Mindestdistanz von einem Meter unterschritten wird.
In dieser Frage sind sich auch die Experten nicht einig. Der Arbeitsmediziner und Forscher an der Universität „Milano-Bicocca“ von Mailand, Michele Riva, weist auf die Gefahren einer Ansteckung hin und befürwortet die Maskenpflicht in den Klassen. Wenigstens in den ersten Schulwochen – so Michele Riva – solle auf die Gesichtsmasken nicht verzichtet werden. Anhand des Verlaufs der Pandemie, wobei besonders die Schulen und Universitäten im Blickfeld der Epidemiologen liegen sollten, könne laut dem Experten die Maskenpflicht später immer noch nach und nach gelockert werden.
Der angesehene Virologe und Leiter der Abteilung für Infektionskrankheiten des Krankenhauses „Sacco“ von Mailand, Professor Massimo Galli, vertritt hingegen die Ansicht, dass von Kindern zwischen sechs und zehn Jahren nicht verlangt werden könne, dem Unterricht mit einer Gesichtsmaske zu folgen. Wichtiger sei es – so Massimo Galli – die Maske beim Eintritt in das Gebäude und beim Verlassen der Schule sowie in den öffentlichen Verkehrsmitteln zu tragen.
Massimo Galli befürwortet in dieser Hinsicht auch die Grippeimpfung. Er rief alle älteren und gesundheitlich angeschlagenen Personen dazu auf, sich impfen zu lassen. Sein letzter Satz lässt aufhorchen. „In anderen Ländern werden auch die Kinder geimpft, weil sie als Superspreader gelten“, so die unmissverständlichen Worte des Mailänder Mediziners.
Im Laufe des Gipfeltreffens zwischen den Regionen und Rom kündigte Bildungsministerin Lucia Azzolina auch die Einstellung von 70.000 Lehrern an. Mit ihrer Hilfe – so Lucia Azzolina – solle unter anderem auch der Unterricht in kleineren Gruppen gewährleistet werden. Das Problem des Transports der Schüler und die Frage der Maskenpflicht dürften in den nächsten Tagen – vielleicht sogar schon bei der anstehenden Regionenkonferenz – geklärt werden. In der Zwischenzeit warten Italiens – und Südtirols – Eltern gespannt auf den ersten Covid-19-Schulbeginn.
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