Abkommen regelt vom Geld bis zum freien Abend alles – VIDEO

Neues Modell des Zusammenlebens: „Friedensvertrag“ für „im Haus Getrennte“

Montag, 25. Februar 2019 | 09:41 Uhr

Mailand – Es gibt ihn bereits seit einigen Jahren, aber gerade weil er eine „Privatsache“ zwischen einem Mann und einer Frau ist, die sich zwar nicht rechtlich trennen und scheiden, aber als „im Haus Getrennte“ in den eigenen vier Wänden weiter leben wollen, ist „dieses neue Lebensmodell“ in der Öffentlichkeit kaum bekannt. Wie Anna Maria Bernardini De Pace – eine in Italien sehr bekannte Eherechtlerin – gegenüber dem Corriere della Sera berichtet, handelt es sich dabei ein „schriftliches Abkommen“, das vom Bezahlen der eingehenden Rechnungen, über die Reinigung bis zur „sturmfreien Bude“ für die neue Liebe fast alles regelt.

Der „Friedensvertrag für im Haus Getrennte“, wie er von Anna Maria Bernardini De Pace genannt wird, ist bar jeder gesetzlichen Grundlage und ist von der bekannten Eherechtlerin praktisch „erfunden“ worden. Ziel des Vertrags ist, das Zusammenleben zwischen den „im Haus getrennten“, aber rechtlich immer noch verheirateten Eheleuten genau zu reglementieren, sowie Konflikte, Schuldgefühle und unnötige Ausgaben zu vermeiden.

In der Praxis setzt sich das gesetzlich verheiratete Paar, das aber in den eigenen vier Wänden getrennt weiter leben will, zusammen mit der Rechtsanwältin an einem Tisch und legt schriftlich alle Punkte des zukünftigen „Zusammenlebens“ als „im Haus Getrennte“ fest. Dabei geht es nicht nur um Allgemeines, wie um das Kochen und Putzen, um das Bezahlen der Rechnungen und um den Transport der Kinder zur Schule oder zu Sportstätten, sondern auch um sehr intime Dinge, wie wer wann seinen neuen Partner mit nach Hause nehmen darf und dafür eine „sturmfreie Bude“ bekommt. Geklärt wird auch, wer im ehelichen Schlafzimmer bleiben darf und wer in ein anderes Schlafzimmer umziehen muss.

„Ich erkläre jedem Paar, dass die sich aus der Ehe ergebende Pflicht der gegenseitigen moralischen und materiellen Unterstützung erhalten bleibt. Die einzige Pflicht, die suspendiert wird, ist jene der Treue. Auf irgendeine Weise wird mit dieser Art von Abkommen das Vorhandensein einer Liebhaberin oder eines Liebhabers legitimiert“, so Anna Maria Bernardini De Pace.

Neben so heiklen Dingen, wie die Möglichkeit, den neuen Lebensgefährten an bestimmten Tagen oder Abenden mit nach Hause zu nehmen, kann das Abkommen auch vorsehen, ob im Falle einer gesetzlichen Trennung oder Scheidung der „private Vertrag“ auch einem Richter vorgelegt werden kann.

„Mittlerweile habe ich Dutzende dieser Abkommen gemacht“, berichtet Anna Maria Bernardini De Pace.

„Die typischen Unterschriftswilligen sind Personen, die nicht mehr ineinander verliebt sind und die vielleicht bereits seit Jahren keinen Sex mehr haben, aber aus verschiedenen Gründen weiter ein Paar vortäuschen wollen. Dieser Pakt ist psychologisch beruhigend, weil er klar festlegt, was die beiden Vertragspartner wünschen. Den Kindern wird der Schock erspart, zwischen den Eltern hin- und hergeschoben zu werden. Es gibt keine Streitigkeiten, wer wann was machen soll und darf. Niemand muss sich eine neue Wohnung suchen oder sich vom Richter sagen lassen, wie viel er oder sie ihr oder ihm Unterhalt zahlen soll. Man kann so viele Jahre leben, vielleicht sogar für immer“, so die Einschätzung von Anna Maria Bernardini De Pace.

„Ein besonders kurioser Fall ist der einer Pensionistin, die sehr viel reicher als ihr Ehemann ist, aber Angst hat, in ihrer großen Villa alleine zu schlafen. Der Ehemann ist über das Abkommen sehr glücklich, weil es ihm die Beibehaltung eines gehobenen Lebensstils in seiner gewohnten Umgebung ermöglicht. Der einzige Unterschied gegenüber vorher ist, dass er mit seiner Frau nicht mehr im gleichen Bett schläft“, erzählt die Rechtsanwältin.

Manchmal wollen die „ehemaligen Eheleute“ auch den erwachsenen Kindern eine normale Ehe vorspielen. In den meisten Fällen will das Paar aber mit dem Abkommen das Trauma einer echten Scheidung – einer angstmachenden, plötzlichen und vollständigen Trennung des Paares – vermeiden.

Andere Stimmen – wie unter anderem die der Psychologin Valeria Randone – sehen das Modell der „unter einem Dach Getrennten“ hingegen sehr kritisch und sprechen von fortwährendem Unglücklichsein beider Partner. Dabei fällt besonders die vor den eigenen Kindern geheuchelte Beziehung der Eltern negativ ins Auge.

Und was meinen unsere Leserinnen und Leser? Könnte der „Friedensvertrag für im Haus Getrennte“ helfen, eine traumatische Trennung oder einen Scheidungskrieg zu vermeiden?

 

 

 

Von: ka