„Klima der Angst“: 32 Übergriffe in 45 Tagen gefilmt – VIDEO

Sexuelle Gewalt in Dutzenden von Fällen: Primar verhaftet und entlassen

Freitag, 09. Mai 2025 | 08:16 Uhr

Von: ka

Piacenza – Nach wochenlangen Ermittlungen wurde der Primar der Radiologieabteilung des Krankenhauses von Piacenza, Emanuele Michieletti, wegen sexueller Gewalt in Dutzenden von Fällen verhaftet.

Dem 60-jährigen Emanuele Michieletti, der inzwischen auf Beschluss der Krankenhausleitung entlassen wurde, wird vorgeworfen, Dutzende Frauen eingeschüchtert und zu sexuellen Handlungen gezwungen zu haben. In nur 45 Tagen gelang es den Ermittlern, 32 Übergriffe auf Kolleginnen und Krankenpflegerinnen auf der Station zu filmen, auf der ein Klima der Angst und des Schweigens herrschte.

Die Ermittlungen kamen ins Rollen, nachdem eine Ärztin ihren Vorgesetzten angezeigt hatte. Die Szene, die die Ärztin schildert, ist schockierend. Die Frau – es ist Anfang Januar – betritt das Büro des Primars, um den Urlaubsplan zu besprechen. Der Primar, Emanuele Michieletti, 60 Jahre alt und Leiter der Radiologieabteilung des Krankenhauses von Piacenza, habe sofort den Raum verschlossen, seine Kollegin gegen ein Möbelstück gedrückt und sie vergewaltigt. Die sexuelle Gewalt wurde erst unterbrochen, als ein dritter Arzt an die Tür klopfte.

In ihrer Verzweiflung wandte sich die Ärztin zunächst an die Leitung des zuständigen Gesundheitsbetriebs. Mit Unterstützung der Gesundheitsbehörde zeigte die Ärztin Emanuele Michieletti an. Nach der Anzeige wegen sexueller Gewalt leitete die zuständige Staatsanwältin Grazia Pradella Ermittlungen ein.

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Seit gestern steht Michieletti unter Hausarrest, die Anklage gegen ihn lautet nach den polizeilichen Ermittlungen unter der Leitung von Michele Saglio auf schwere sexuelle Gewalt und Verfolgung. Bei den Ermittlungen stellte sich schnell heraus, dass die Ärztin leider nicht das einzige Opfer war. Das Bild, das die Ermittlungsakten von den Vorgängen auf der Abteilung zeichnen, ist verstörend. Gewalt gegen Ärztinnen und Krankenpflegerinnen soll es fast täglich gegeben haben. Die Kameras, die die Ermittler in der Klinik des inzwischen entlassenen Primars installiert hatten, zählten in nur 45 Tagen nicht weniger als 32 Übergriffe auf Kolleginnen und Krankenpflegerinnen.

Besonders beunruhigend ist, dass einige der mutmaßlichen Opfer Angst hatten, Anzeige zu erstatten, denn in der Radiologieabteilung des Krankenhauses von Piacenza herrschte ein Klima der Angst und des Schweigens, das die Ermittler ohne Umschweife als „Omertà“ bezeichnen.

Für die Ermittler war das Verhalten des Primars „seit einiger Zeit bekannt“. Der Arzt habe, so die Ermittler, „tatsächlich mit fast jeder Frau, die allein durch die Tür seines Büros kam, sexuelle Handlungen vorgenommen“, auch wenn die sexuellen Beziehungen in einigen Fällen „einvernehmlich“ gewesen seien.

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Michieletti habe damit auch vor seinen männlichen Kollegen geprahlt und von ihnen „Ratschläge“ erhalten, wie er mit einigen der Opfer umgehen solle. Nicht zuletzt deshalb habe in der Abteilung ein „Klima der Angst und des Schweigens“ geherrscht.

Exemplarisch für das Klima in der Radiologie ist der Fall einer anderen Ärztin, die den Primar zunächst angezeigt hatte, es sich dann aber aus „Angst vor beruflichen Konsequenzen“, wie es in der polizeilichen Erklärung heißt, innerhalb weniger Stunden anders überlegte.

Aus den Zeugenaussagen geht hervor, dass Michieletti, der aus Vercelli stammt, in Mailand Medizin studiert hat und in Piacenza durch häufige Interviews in der Lokalpresse bekannt ist, sowohl aufgrund seiner Position als Primar als auch aufgrund seiner „Beziehungen“ als „mächtig“ beschrieben wird.

In Bezug auf den Straftatbestand des Stalkings, der in mindestens zwei Fällen festgestellt wurde, betont die Staatsanwaltschaft, dass „die Opfer ständig in die Praxis des Arztes gerufen wurden – in einigen Fällen sogar über Lautsprecher – und unter Androhung von Konsequenzen gezwungen wurden, sexuelle Übergriffe und Gewalt zu erdulden“. Wie die Videos belegen, „waren die Taten im Wesentlichen Ausdruck von Machtmissbrauch und Einschüchterung“.

Neben den Opfern, von denen zehn Emanuele Michieletti angezeigt haben, gibt es eine unbekannte Zahl von Geliebten. Die Ermittler filmten unter anderem, wie er eine Frau gegen ihren Willen begrapschte. Anschließend rief er eine seiner Geliebten ins Studio, um seinen Trieben freien Lauf zu lassen.

Die Beamten stellten fest, dass „sein ständiges sexuelles Verlangen ihn von seiner Arbeit ablenkte, die ausschließlich dem Wohl der Patienten dienen sollte“. In der Tat sollen die Übergriffe während der Arbeitszeit stattgefunden haben.

 

Vor dem Richter machte der Primar von seinem Schweigerecht Gebrauch. Auch seine Anwälte wollten sich nicht zu den Vorwürfen äußern.

Die Verhaftung des bekannten Primars sorgen weit über Piacenza hinaus für großes Aufsehen. Nach Angaben der Ermittler war das Verhalten des Primars „seit einiger Zeit bekannt“. Warum aber bedurfte es erst der Anzeige eines mutigen Opfers, um die Mauer des Schweigens und Wegsehens zu durchbrechen?

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