Von: ka
Neapel/Paris – Die Begegnung zwischen der Neapolitanerin Angela Carini und der algerischen Athletin Imane Khelif dauerte nur 46 Sekunden. Nachdem sie während des sichtlich ungleichen Boxkampfes zwei schwere Treffer erhalten hatte, entschloss sich die 25-Jährige aus gesundheitlichen Gründen zur Aufgabe.
„Es hat so weh getan“, sagte sie zu ihrem Trainer Emanuele Ronzini, als nach einer harten Rechten der Boxerin ihr Kopf- und Gesichtsschutz nachjustiert werden musste. „Das ist nicht gerecht“, beklagte sich Angela Carini, die ihren Olympiatraum bereits nach der ersten Begegnung begraben musste. Als die Kampfrichter ihre Entscheidung mit dem endgültigen Urteil zugunsten von Imane Khelif bestätigten, kniete sie im Ring nieder und begann zu weinen.
Die Tatsache, dass die algerische Athletin Imane Khelif nach ihrem Ausschluss von den Boxweltmeisterschaften vor einem Jahr zu den Boxwettbewerben der Olympischen Spiele in Paris zugelassen wurde – dem IOC zufolge hatte sie die geschlechtsspezifischen Zulassungsprüfungen überstanden – sorgte von Anfang an für Diskussionen.
Als bekannt wurde, dass die Neapolitanerin Angela Carini das Lospech hatte, im Achtelfinale im Weltergewicht der Boxerinnen gegen die Algerierin in den Ring steigen zu müssen, gingen in Italien die Wogen hoch. Der „ungleiche Kampf zwischen einer Frau und einem Mann“ sorgte nicht nur bei den einfachen Sportbegeisterten, sondern auch unter Italiens Politikern für Kopfschütteln und Empörung.
Obwohl ihr viele dazu rieten, erst gar nicht anzutreten, blieb die junge Neapolitanerin fest entschlossen, gegen Imane Khelif in den Ring zu steigen. „Ich werde morgen in den Ring steigen und mein Bestes geben“, so Angela Carini am Vorabend des Matches. Am Donnerstag kurz nach Mittag war es so weit. Trotz der unüblichen Zeit wollten viele Italiener live dabei sein, wenn „ihre“ Angela Carini gegen die Athletin die Kampffläche betritt.
Es war aber von Beginn an eine sehr ungleiche Begegnung. Die 25-jährige Polizistin aus Neapel hatte keine Chance, gegen Imane Khelif zu bestehen. Nachdem sie von der Boxerin eine sehr heftige Rechte erhalten hatte, musste sie den Kampf wegen eines Problems mit ihrem Kopf- und Gesichtsschutz kurz unterbrechen. „Es hat so weh getan“, sagte sie zu ihrem Trainer Emanuele Ronzini, während dieser ihren Helm nachjustierte. Angela Carini kehrte nach dieser kurzen Auszeit zwar wieder in den Ring zurück, sah sich aber wenige Sekunden später dazu gezwungen, das Match zu beenden. Nach einer erneuten sehr harten Rechten der Algerierin hob sie die Hand und kehrte in ihre Ecke zurück.
„Das ist nicht gerecht“, beklagte sich Angela Carini, die ihren Olympiatraum bereits nach der ersten Begegnung begraben musste. Als die Kampfrichter ihre Entscheidung mit dem endgültigen Urteil zugunsten von Imane Khelif bestätigten, kniete sie im Ring nieder und begann zu weinen. Als Zeichen ihres Protests verweigerte sie Imane Khelif den Handschlag.
„Ich stieg in den Ring, um zu kämpfen, aber ein Schlag tat mir zu sehr weh. Da sagte ich zu mir, dass es reicht. Meine Nase schmerzte sehr, ich konnte nicht mehr weitermachen und wusste, dass ich aufhören muss. Es hätte der Kampf meines Lebens sein können, aber ich musste an meine Sicherheit und meine Gesundheit denken. Obwohl ich noch nie Angst hatte, in einen Ring zu steigen, hatte ich das Gefühl, dass ich das Match beenden musste“, so die 25-Jährige nach der Begegnung mit Imane Khelif. „Ich gehe erhobenen Hauptes aus dem Kampf“, fügt Angela Carini hinzu.
Carini hatte damit die Debatte zunächst selbst durch ihr Verhalten befeuert. Dann allerdings ruderte sie zurück. Demnach sei der nach dem Ende des Kampfes verweigerte Handschlag nicht geplant gewesen. Dies sei jedoch ein Missverständnis gewesen. “Das war keine absichtliche Geste, ich entschuldige mich bei ihr und bei allen. Ich war wütend, weil die Olympischen Spiele für mich vorbei waren. Ich habe nichts gegen Khelif, wenn ich sie noch einmal treffen würde, würde ich sie umarmen”, sagte Carini.
Carini äußerte im Anschluss außerdem ihr Unverständnis über die Geschlechtsdebatte. “Wenn sie nach Meinung des IOC kämpfen darf, respektiere ich diese Entscheidung”, sagte die 25-Jährige der “Gazzetta dello Sport”. Sie habe versucht, die Diskussion auszublenden. “Diese Kontroversen haben mich auf jeden Fall traurig gemacht und es tut mir leid für die Gegnerin, die auch nur hier ist, um zu kämpfen”, sagte Carini.
Wie nicht anders zu erwarten, sorgte die ungleiche Begegnung in Italien für heftige Wortmeldungen. „Es tut mir für sie so leid. Als ich gestern erfuhr, dass sie kämpfen wird, freute ich mich, denn im Sport zählen Einsatz, Verstand und Charakter. Aber dann zählt auch, dass man auf gleicher Augenhöhe kämpfen kann. Aus meiner Sicht war es kein sportlicher Wettkampf auf gleicher Augenhöhe“, meint die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni.
„Angelas untröstliches Weinen trifft unser Herz, aber ihr Rückzug macht ihr alle Ehre“, so Senatspräsident Ignazio La Russa.
Die Italiener sind empört. „Du hast das Richtige getan, Angela. Deine Geste und dein Opfer des Verzichts sind mehr wert als 1000 Medaillen! Die Ungerechtigkeit einer Olympiade, die einen Mann gegen eine Frau antreten lässt, macht uns sprachlos“, so der Kommentar eines wütenden Italieners.
Aber nicht nur in Italien, sondern auch auf internationaler Ebene gehen die Wogen hoch. Die bekannte Schriftstellerin und Autorin der Romanreihe Harry Potter, J. K. Rowling, die in der Vergangenheit immer wieder mit transfeindlichen Aussagen aufgefallen war, äußerte sich sehr kritisch. „Jemand mit einer DSD kann nichts dafür, wie er geboren wurde, aber er kann sich dafür entscheiden, nicht zu betrügen; er kann sich dafür entscheiden, Frauen keine Medaillen wegzunehmen und er kann sich dafür entscheiden, keine Verletzungen zu verursachen“, so J. K. Rowling, die auf ihrer X-Seite aus dem The Daily Telegraph-Artikel der Journalistin Suzanne Moore zitiert.
„Männer gehören nicht in den Frauensport“, stimmt Elon Musk, der im US-Wahlkampf Donald Trump untersützt, auf seiner eigenen Nachrichtenplattform X dem Kommentar einer US-Schwimmerin zu.
Auch Trump selbst meldete sich zu Wort. Seiner Aussage nach möchte er „Männer von Frauenwettbewerben ausschließen“.
Die von Alice Schwarzer gegründete deutschsprachige feministische Zeitschrift Emma übt ebenfalls harte Kritik.
Imane Khelifs Geschlechtsangabe gilt als umstritten. Einem DNA-Test zufolge soll sie aber das männliche Geschlechtschromosom Y besitzen. Das würde bedeuten, dass Imane Khelif genetisch männliche Merkmale hat.
Nach einem DNA-Test wurde die Athletin letztes Jahr vom Finale um Gold der Boxweltmeisterschaft ausgeschlossen. Dem Testergebnis zufolge habe Imane Khelif nicht die Regel erfüllt, dass Personen, die XY-Chromosomen besitzen, nicht an Frauenwettbewerben teilnehmen dürfen. Berichten zufolge sei Khelif auch aufgrund erhöhter Testosteronwerte disqualifiziert worden. Eine Berufung vor dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) gegen diese Disqualifikation zog Khelif später zurück, wodurch die während der Boxweltweltmeisterschaft getroffene Entscheidung rechtskräftig wurde.
Da das Internationale Olympische Komitee (IOC) für olympische Boxwettbewerbe ein anderes Regelwerk anwendet, wurde Imane Khelif zu den olympischen Wettkämpfen zugelassen. Die International Boxing Association (IBA) teilte mit, dass Imane Khelif „keiner Testosteronuntersuchung unterzogen wurde, sondern einem gesonderten und anerkannten Test, dessen Einzelheiten vertraulich bleiben“. Zudem sei Khelif laut ihrem Reisepass eine Frau. Das IOC sagte ferner aus, dass es nicht um eine „Transgender-Angelegenheit“ handle. Imane Khelif gilt demnach als Frau mit einer seltenen Genmutation.
Die heftige Debatte steht jedoch erst am Anfang. In den sozialen Medien X und Facebook geht das Hashtag #IStandWithAngelaCarini und durch die Decke.
In der hitzig geführten Debatte um die Zulassung von zwei zuvor vom Weltverband disqualifizierten Boxerinnen für die olympischen Frauen-Wettbewerbe hat das IOC vor einer Eskalation gewarnt. “Wir dürfen daraus keinen Kulturkampf machen, sondern müssen an die Menschen denken, die von Falschinformationen betroffen sind”, sagte IOC-Sprecher Mark Adams. Die Diskussion um das Geschlecht von Imane Khelif aus Algerien und Lin Yu-Ting aus Taiwan sei “ein Minenfeld”. Die Athletinnen könnten seelische Schäden erleiden, ergänzte Adams.
Es gebe keine einfache Erklärung in dieser Frage, weder wissenschaftlich noch politisch gebe es einen Konsens in der Geschlechterdebatte. “Wenn ein gemeinsames Verständnis erreicht wird, wären wir die Ersten, die danach handeln würden”, sagte der IOC-Sprecher. “Wissenschaftlich gesehen ist das kein Kampf eines Mannes gegen eine Frau.”
Das im Pass angegebene Geschlecht sei für viele Sportarten maßgeblich für die Zulassung zu den Wettbewerben. Im Boxen sei das Regelwerk schon bei Olympia 2016 in Rio und 2021 in Tokio so wie in Paris angewendet worden. Auf Testosteron wurde im Vorfeld nicht getestet.
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