17-Jähriger wendet sich an Anwaltsvereinigung

Sohn von Impfgegnern: „Ich will mich impfen lassen“

Mittwoch, 23. Juni 2021 | 07:01 Uhr

Florenz – Der 17-jährige Matteo hat aus seiner Sicht das Pech, dass seine Eltern Impfgegner sind.

Matteo, dem von seinen Erziehungsberechtigten die für Minderjährige notwendige Zustimmung zur Verabreichung der Impfdosis verweigert wird, will aber den Kampf für „seine Freiheit“ nicht aufgeben. Der Jugendliche gedenkt, alle zur Verfügung stehenden Rechtsmittel auszuschöpfen und sich notfalls sogar an den Staatspräsidenten zu wenden. Dieser Weg ist aber sehr steinig. Rechtsanwälte berichten, dass es viele ähnlich gelagerte Fälle gibt.

„Meine Familie glaubt nicht an die Impfstoffe, aber es ist die einzige Waffe, um zum gewohnten Leben zurückzukehren. Ich möchte mich impfen lassen, um frei zu sein“, so der 17-jährige Matteo aus Florenz. Nachdem sein Vater und seine Mutter, die beide Impfgegner sind, ihm die Zustimmung zur Verabreichung des Impfstoffs verweigert hatten, wandte sich der Jugendliche an die Vereinigung der auf Eherecht spezialisierten Anwälte der Toskana.

ANSA/CIRO FUSCO

„Wenn es nötig ist, werde ich mich an den Staatspräsidenten wenden“, so der Minderjährige gegenüber dem Florentiner Tagblatt „La Nazione“. Der Florentiner Gymnasiast will sich unbedingt impfen lassen. Er ist dermaßen davon überzeugt, dass er seine Lehrer um Rat und Hilfe bat, seine Entscheidung für den Schutz der eigenen und der öffentlichen Gesundheit gegen seine Eltern durchzusetzen. „Ich gehe mit meinen Freunden ans Meer. Bereits mit 14 Jahren bin ich abends alleine ausgegangen und eine Patientenverfügung habe ich auch schon gemacht. Ich verstehe nicht, warum ich nicht unabhängig entscheiden kann, mich impfen zu lassen“, so Matteo gegenüber dem auf Ehe- und Familienrecht spezialisierten Rechtsanwalt Gianni Baldini, der von den Lehrern des 17-Jährigen kontaktiert worden war.

APA/APA/dpa/Fabian Sommer

Der Weg bis zum ersehnten „Pieks“ ist aber steinig. Aufgrund seiner Minderjährigkeit kann Matteo selbst keinen Rechtsanwalt mit seinem Fall betrauen. Es bleibt seinem Lyzeum oder einer anderen Institution überlassen, den zuständigen Sozialdienst zu beauftragen, im Namen des 17-Jährigen die Verweigerung der Zustimmung zur Impfung anzufechten. Eine Eingabe beim Garanten für Kinder- und Jugendrechte kann ebenfalls zu einem Verfahren führen. Ansonsten besteht noch die Möglichkeit, sich an das Büro für zivilrechtliche Interventionen der Jugendstaatsanwaltschaft zu wenden. Nach einer protokollarischen Niederschrift des Impfwunsches des Minderjährigen kann die Eröffnung eines Verfahrens beim Jugendgericht beantragt werden. Das Jugendgericht wiederum bestellt einen eigenen Kurator, der den Anspruch des Jugendlichen gegenüber seinen Eltern unterstützen wird. In allen Fällen kann nur der Richter den Konflikt schlichten.

ANSA/GIUSEPPE LAMI

Beim Streit des 17-Jährigen mit seinen Eltern handelt es sich jedoch keinesfalls um einen Einzelfall. „Mit der Ausweitung der Impfung auf Jugendliche unter 18 Jahren häufen sich die Streitigkeiten zwischen Eltern und Kindern“, so Gianni Baldini. Der Rechtsanwalt, der der Vereinigung der auf Ehe- und Familienrecht spezialisierten Advokaten der Toskana als Präsident vorsteht, berichtet, bereits mehrere entsprechende Anfragen erhalten zu haben.

„Es kommt vor, dass Minderjährige geimpft werden wollen und die Eltern damit nicht einverstanden sind. Es gibt aber auch Fälle, in denen Eltern – egal ob verheiratet, getrennt oder geschieden – unterschiedliche Auffassungen zur Impfung vertreten. Und wer entscheidet dann? Das Problem ist, dass im italienischen Rechtssystem Minderjährige, die der elterlichen Gewalt unterstehen, weder über ihre eigene Gesundheit entscheiden noch einen Rechtsbeistand mit der Wahrung ihrer Rechte beauftragen können. Da für Jugendliche die Impfung nicht nur die Möglichkeit der Rückkehr zur Normalität bietet, sondern auch eine Geste der sozialen Verantwortung ist, steht diese Frage derzeit besonders im Rampenlicht“, erklärt Gianni Baldini.

ANSA/LUCA ZENNARO

Die Probleme treten auf, wenn die Eltern nicht einverstanden sind. „In der Regel muss die Entscheidung, ein Kind zu impfen, von beiden Eltern geteilt werden. Dieses Prinzip gilt unabhängig davon, ob die Eltern verheiratet sind, zusammenleben oder rechtlich getrennt oder geschieden sind. In allen Streitfällen – sowohl bei Konflikten zwischen den Eltern selbst als auch bei jenen mit dem Kind – muss der Streit, wenn er nicht innerhalb der Familie geschlichtet werden kann, mithilfe des Jugendgerichts gelöst werden. Wenn die Eltern getrennt oder geschieden sind oder wenn entsprechende Verfahren anhängig sind, ist ein Verfahren vor einem ordentlichen Gericht in Betracht zu ziehen. Für den Fall, dass das Kind geimpft werden möchte, die Eltern aber dagegen sind, wäre es der beste Weg, über die Schule oder einer anderen Einrichtung den zuständigen Sozialdienst zu beauftragen, im Namen des Minderjährigen vor dem zuständigen Gericht einen Einspruch einzulegen“, erläutert der auf Ehe- und Familienrecht spezialisierte Rechtsanwalt.

In jedem Fall ist der Weg zum ersehnten „Pieks“ in die Freiheit für Jugendliche, denen die Zustimmung zur Impfung verwehrt wird, alles andere als leicht. Zudem dürften mit der Impfung nicht alle familiären Konflikte ausgeräumt sein. Anstatt harte Konflikte auszutragen, wäre es besser, wenn Eltern ihre Kinder als mündige Mitmenschen betrachten und mit ihnen in Dialog treten würden.

Von: ka