Angestrebte Wiedereinstellung allerdings abgewiesen

Spritz während der Arbeit: Entlassener Angestellter erhält sechs Monatslöhne

Donnerstag, 26. Januar 2023 | 08:07 Uhr

Venedig – Ein Gericht in Venedig fällte ein Urteil, das Schule machen könnte. Der Lenker eines Linienbootes für den Personentransport, der von seinem Arbeitgeber entlassen worden war, weil er während des Dienstes Spritz getrunken hatte, erreichte vor Gericht zwar eine sechsmonatige Gehaltsnachzahlung, aber nicht seine Wiedereinstellung in den Dienst. Der Richter kam zu diesem „salomonischen Urteil“, weil der Linienbootfahrer zwar „nicht betrunken gewesen“ war, aber es den Kapitänen ohnehin verboten ist, während der Arbeit Alkohol zu konsumieren.

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Nachdem mehrere seiner Kollegen bezeugt hatten, dass der Lenker eines Linienbootes für den Personentransport während seinen Dienstschichten gewohnheitsmäßig Spritz trank, beschloss der Arbeitgeber dieser Sache nachzugehen. Die folgenden Nachforschungen, zu denen auch einige Fotos gehörten, bestätigten den Verdacht, dass der Fahrer während des Dienstes verbotenerweise Alkohol konsumierte.

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Obwohl er sich nie in einem Zustand der Trunkenheit befunden hatte, wurde der Fahrer aufgrund dieses Verhaltens im Juni gekündigt. Der Entlassene, der Angestellter eines Personenbeförderungsunternehmens in Fusina bei Venedig war, ließ die Angelegenheit aber nicht auf sich beruhen und zog vor das Arbeitsgericht. Die Entscheidung des Unternehmens, den Fahrer zu entlassen, veranlasste den Arbeitsrichter dazu, die Unrechtmäßigkeit der Entlassung festzustellen und das Unternehmen zur Zahlung einer Entschädigung von sechs Monatsgehältern zu verurteilen.

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„Im Sinne der Schifffahrtsordnung bezog sich das Unternehmen in der Disziplinarmitteilung auf den Verdacht der Trunkenheit und beschränkte sich im Kündigungsschreiben darauf, den regelmäßigen Konsum alkoholischer Getränke während der Arbeitszeit festzustellen und damit zu bestätigen, dass ein solches Verhalten aufgrund der Rolle des Klägers als Lenker eines Linienbootes ein Verhalten darstellte, das geeignet war, das Vertrauensverhältnis zu beschädigen“, so der Arbeitsrichter von Venedig in seinem Urteil.

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Während dieser erste Teil des Urteils zugunsten des Arbeitgebers ausfiel, wies der Richter mit Blick auf den Arbeitsvertrag im folgenden Abschnitt darauf hin, dass sich das Unternehmen gegenüber seinem Angestellten nicht korrekt verhalten hatte. „Das Unternehmen kann keine Disziplinarmaßnahmen gegen den Arbeitnehmer ergreifen, ohne ihn zuvor die beanstandete Anschuldigung schriftlich mitgeteilt und ihn Gelegenheit zu einer Anhörung gegeben zu haben. Für den Fall, dass der Kapitän getrunken hat, ohne sich in einem Zustand der Trunkenheit zu befinden, sehen weder das Gesetz noch der Arbeitsvertrag Sanktionen vor“, so das Gericht.

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Die hohe Verantwortung, die der Lenker eines Motorboots, das bis zu 300 Passagiere aufnehmen kann, hat, wiegt aber schwer. „Es wird davon ausgegangen, dass die Verantwortung und damit die Sorgfalt, die mit dem Führen von Schiffen mit einer Kapazität von rund 300 Passagieren verbunden ist, die Notwendigkeit mit sich bringt, während der Arbeitszeit und der Ausübung der Pflichten des Kapitäns vom Konsum alkoholischer Getränke abzusehen. Man darf nicht nur nicht betrunken sein, sondern auch nicht in die Gefahr geraten, es sein zu können. Der Arbeitgeber kann nicht verpflichtet werden, einen Schiffsführer zu beschäftigen, der während des Dienstes das Schiff verlässt, um vor dem erneuten Lenken des Schiffes alkoholische Getränke zu konsumieren“, begründet der Arbeitsrichter von Venedig sein Urteil.

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Da für Schiffsführer der Konsum von Alkohol ohnehin verboten ist, ist das Personenbeförderungsunternehmen daher nicht verpflichtet, das Arbeitsverhältnis wieder aufzunehmen. Der trinkfreudige Kapitän wird sich also als Trost mit den sechs Monatsgehältern begnügen müssen.

Gerichtsbeobachter gehen davon aus, dass das Urteil des Arbeitsgerichts von Venedig Schule machen wird. Wer als Lenker von Fahrzeugen mit vielen Passagieren hohe Verantwortung trägt und während des Dienstes beim Konsum von alkoholischen Getränken erwischt wird, kann, auch wenn er nicht betrunken war, vor Gericht nicht auf Wiedereinstellung hoffen.

 

Von: ka