Von: idr
Civita di Bagnoregio – Im Latium, etwa 120 Kilometer nördlich von Rom, liegt ein Ort, der so malerisch wie gefährdet ist: Die Kleinstadt Civita di Bagnoregio thront auf einem Tuffsteinfelsen, umgeben von tiefen Schluchten, die der Wind und das Wasser über Jahrhunderte in die Landschaft gegraben haben. Noch ist ein Plateau übrig, auf dem die Stadt ruhen kann, doch ihren Spitznamen „die sterbende Stadt“ trägt die Civita nicht umsonst.
Die Civita (italienische für “Stadt”) ist nur über eine einzige Fußgängerbrücke zu erreichen. Fahrzeuge haben keinen Platz in den engen Gassen und noch dazu gefährden sie das Fundament, auf dem die Stadt steht. Wer den Anstieg wagt, gelangt in eine Welt, die an vergangene Zeiten erinnert: enge Gassen, Natursteinmauern, ein stiller Hauptplatz und keine Autos. Doch die Idylle trügt, denn der Stadt bricht im wahrsten Sinne des Wortes der Boden unter den Füßen weg.
Ganze Häuserzeilen sind schon ins Tal gerutscht. So hat ein Erdbeben im Jahr 1695 einen großen Teil der Stadt verschlungen. Experten befürchten, dass weitere Erdbeben der Substanz zusätzlich schaden könnten oder sogar einen weiteren Absturz provozieren.
Jährlich eine Million Besucher
Dass die Civita nicht längst verlassen und vergessen wurde, liegt vor allem am wachsenden Interesse der Besucher. Der Ort zieht jährlich rund eine Million Menschen auf das poröse Plateau. Viele davon wollen das „Pompeji des Mittelalters“ bestaunen, solange es noch existiert. Doch dieser Aufschwung bringt auch Herausforderungen: Längst geht es um die Balance zwischen Schutz und Zugang, zwischen Lebendigkeit und Authentizität.
Der Ort wird seit über 2.500 Jahren von Menschen bewohnt und von den Etruskern gegründet. Später haben die Römer die Stadt besiedelt, bevor im Mittelalter die noch heute charakteristischen Gebäude entstanden. Der Tourismus hat dem Ort in den letzten Jahren neues Leben eingehaucht. Tagesgäste kommen in Scharen, besonders in den Sommermonaten. Einige wenige Dutzend Bewohner leben dauerhaft dort, andere pendeln oder betreiben kleine Geschäfte.
Der Kontrast ist es, der die Civita so besonders macht: zwischen Schönheit und Zerfall, zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Vielleicht ist es genau dieser Widerspruch, der Civita di Bagnoregio so besonders macht: ein Ort, der vergeht, aber nicht verschwindet. Noch nicht.
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