Von: ka
Mailand – In zwei aufsehenerregenden Urteilen wies das Regionale Verwaltungsgericht der Lombardei die Rekurse Hunderter ungeimpfter Sanitätsangestellter zurück und bestätigte deren Suspendierung von der Arbeit. „Die Covid-19-Notlage und die Sicherheit der Patienten, die sich an einen Arzt wenden, haben Vorrang”, so das Gericht in seiner Urteilsbegründung.
Ein Rechtsstreit, der von Hunderten von Ärzten, Krankenpflegern, Technikern und Freiberuflern der Lombardei, die sich dazu entschieden hatten, entgegen der von der Regierung Draghi im Frühjahr eingeführten Impfpflicht für das Sanitätspersonal die Impfung zu verweigern, wurde vom Regionalen Verwaltungsgericht der Lombardei mit zwei aufsehenerregenden Urteilen zumindest vorläufig beendet. In seiner Begründung ließ das Verwaltungsgericht, das unter dem Vorsitz des Richters Domenico Giordano über den Rekurs der Impfgegner zu befinden hatte, keinen Zweifel darüber aufkommen, welche Interessen im Falle einer Pandemie Vorrang haben.
„Die dringende Notwendigkeit, den gesundheitlichen Notstand zu bekämpfen und geeignete und wirksame Mittel zur Eindämmung der SARS-CoV-2-Infektionen bereitzustellen, sowie die Notwendigkeit, allen Menschen den Zugang zur Gesundheitsversorgung unter sicheren Bedingungen zu gewährleisten und in Anwendung des Solidaritätsprinzips die individuelle Gesundheit der Schwächsten zu schützen, die aufgrund ihres Alters oder ihrer Vorerkrankungen gefährdet sind, rechtfertigen die vorübergehende Aufgabe der Entscheidungsfreiheit der Sanitätsangestellten gegenüber der Verabreichung der Impfung”, so die Richter, die damit den von Rechtsanwalt Daniele Granara im Auftrag der Impfgegner eingebrachten Rekurs abwiesen.
Die klagenden Rekurssteller, die sich auf vier lokale lombardische Sanitätsbetriebe – Metropolitanstadt Mailand, Brianza, Insubria und Pavia – verteilen, hatten die Annullierung der schriftlich eingegangenen Einladungen zur Pflichtimpfung und „für die Verletzung ihrer Selbstbestimmung und ihrer Freiheit der Ausübung ihrer Berufstätigkeit Schadenersatz” gefordert.
Zur Untermauerung ihrer Beweggründe hatten die Beschäftigten des Gesundheitswesens, die sich gegen die Impfung entschieden hatten, angeführt, dass das betreffende später in Gesetz umgewandelte Dekret Nr. 44 angeblich gegen einige Artikel der italienischen Verfassung, gegen die Grundrechtecharta der EU und gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoße. Die Rekurrierenden hatten die Ansicht vertreten, dass die Impfpflicht die „Freiheit der Selbstbestimmung” verletze und alle Beschäftigten des Gesundheitswesens gegenüber anderen Berufskategorien diskriminiere.
Die lombardischen Verwaltungsrichter kamen zu einem anderen Urteil. Da ihrer Ansicht zufolge „gesundheitliche Maßnahmen im Bereich der Pflichtimpfungen ausschließlich durch die internen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten geregelt sind”, sahen die Richter auf EU-Ebene keine Normen verletzt. Vielmehr schrieben die Verwaltungsrichter in ihrem Urteil Grundsätze nieder, die dazu bestimmt sind, in naher Zukunft zur geltenden Rechtsprechung zu werden.
„Die beschworene wissenschaftliche Freiheit wird für die Leistungen anerkannt, die Beschäftigte der Gesundheitsberufe glauben, den Patienten zum Zwecke der Behandlung erbringen zu müssen. Diese Anerkennung gilt allerdings nicht für den Schutz der Achtung einer persönlichen wissenschaftlichen Meinung des Empfängers der Behandlung, auch wenn dieser als Angehöriger der Gesundheitsberufe Träger entsprechender wissenschaftlicher Kenntnisse ist”, so eine prinzipielle Ansicht der Verwaltungsrichter.
„Das Gesundheitspersonal hat aufgrund des direkten Kontakts mit dem Patienten eine Garantenstellung für dessen körperliche Unversehrtheit inne, die eine Impfpflicht rechtfertigen kann”, lautet der wichtige Grundsatz, zu dem die Richter gelangten.
Aller Voraussicht nach werden viele ungeimpfte Beschäftigte des lombardischen Gesundheitswesens dieses Urteil vor dem Staatsrat anfechten. Viele Beobachter meinen aber, dass die von den lombardischen Verwaltungsrichtern in ihren beiden Urteilen herausgearbeiteten Grundsätze auch vor höheren Instanzen Bestand halten werden.