Zwei Räuber sterben: Überschreitung der Notwehr? – VIDEO

Überfall auf Juweliergeschäft: Inhaber eröffnet Feuer

Freitag, 30. April 2021 | 07:54 Uhr

Grinzane Cavour – Die kleine piemontesische Ortschaft Grinzane Cavour war am späten Mittwochnachmittag Schauplatz einer Szene, die auch aus einem Western-Film stammen könnte.

Zwei Räuber, die ein Juweliergeschäft überfallen und die Frau sowie die Tochter des Inhabers geschlagen und gefesselt hatten, wurden von Letzterem mit einem Revolver erschossen. Ein dritter Räuber, der angeschossen worden war, wurde Stunden später in einem Krankenhaus festgenommen. Gegen den Schützen, der viele Solidaritätsbekundungen erhält, wurde von Amts wegen ein Verfahren wegen fahrlässiger Überschreitung der Notwehr eingeleitet.

ANSA/ ALESSANDRO DI MARCO

Es war am Mittwochabend gegen 18.30 Uhr als drei Räuber in das Juweliergeschäft „Roggero“ eindrangen. Einer Rekonstruktion der Ereignisse und Zeugenaussagen zufolge schlug einer der drei Räuber der Frau ins Gesicht, während einer seiner Kollegen ihre Tochter fesselte. Die drei Männer zwangen die beiden Frauen dazu, ihnen den Panzerschrank zu öffnen. Allerdings begnügten sich die Kriminellen nicht damit, die Juwelen aus den Vetrinen und aus dem Panzerschrank zu rauben, sondern forderten den Inhaber des Geschäfts, Mario Roggero, der aus dem hinteren Teil des Geschäfts hinzugekommen war, auch dazu auf, ihnen das Geld aus der Registrierkasse mit dem Tagesinkasso auszuhändigen. Was dann geschah, ist nun Gegenstand von Ermittlungen.

ANSA/ALESSANDRO DI MARCO

„Es gab ein Handgemenge. Ich sah mich bewaffneten Männern gegenüber und musste zwischen meinem und ihrem Leben wählen. Mit der rechten Hand öffnete ich die Registrierkasse und mit der linken Hand die Schublade, von der ich wusste, dass sich darin mein Revolver befand. Im selben Moment richteten wir die Waffen aufeinander. Ich musste – (an dieser Stelle brechen die Worte des Mannes ab) – dann sind sie weggelaufen“, so die Erzählung von Mario Roggero.

Die Flucht von zwei der drei Räuber dauerte aber nur wenige Sekunden. Tödlich getroffen brachen die später als der 58-jährige Giuseppe Mazzarino aus Turin und der 45-jährige Andrea Spinelli aus Bra identifizierten Kriminellen wenige Meter vom Geschäft entfernt tot auf der Straße zusammen. Der dritte Täter, der 34-jährige Alessandro Modica aus Alba, wurde wenige Stunden später festgenommen, als er wegen einer Schusswunde am Bein das nahe Krankenhaus von Savigliano aufsuchte.

Unter Leitung der Staatsanwaltschaft leiteten die Carabinieri umgehend Ermittlungen zum Tathergang ein. Bisher bekannt ist, dass auf die Räuber, die mit einer echt aussehenden Spielzeugpistole bewaffnet waren, aus der Waffe von Mario Roggero mehrere Schüsse abgegeben wurden. Nicht zuletzt um nicht mehr wiederholbare Untersuchungen durchführen zu können, wurde gegen Mario Roggero von Amts wegen ein Verfahren wegen fahrlässiger Überschreitung der Notwehr eingeleitet.

ANSA/ALESSANDRO DI MARCO/Facebook/Mario Roggero

Mario Roggero hatte sich den rechtmäßig erworbenen und angemeldeten Revolver zugelegt, nachdem auf sein Juweliergeschäft ein brutaler Raubüberfall verübt worden war. Damals – am 22. Mai 2015 – waren Mario Roggero und seine Tochter von zwei Räubern, die sich als normales Ehepaar ausgegeben hatten, verprügelt, gefesselt und in eine kleine Kammer gesperrt worden. Diese für seine Familie fürchterliche Erfahrung sowie der Verlust von Juwelen im Wert von 300.000 Euro hatten den Inhaber dazu bewogen, im Geschäft eine Waffe aufzubewahren.

Facebook/Mario Roggero

Nach dem Bekanntwerden des Überfalls und des Todes der beiden Räuber brach über Mario Roggero eine Welle der Solidarität herein. Der Bürgermeister von Grinzane sowie viele Freunde und Nachbarn, aber auch Menschen aus ganz Italien drückten Mario Roggero ihre ungeteilte Solidarität aus. Der für die Sicherheit zuständige Gemeindeassessor von Alba – dem Wohnort von Mario Roggero – Marco Marcarino lancierte im Netz den Hashtag #iostoconroggero.

Eine seiner vier Töchter, Silvia Roggero, widmete ihrem Vater auf Facebook einen langen Post. „Gestern ist meine Familie in ein sehr unangenehmes Ereignis verwickelt gewesen. Der Juwelier von Grinzane, der in Notwehr zwei von drei Räubern getötet hat, ist mein Vater. In einer schwierigen Zeit möchte ich offen, zuversichtlich, klar und stark bleiben. Ich habe volles Vertrauen in die Justiz. Es ist mir ein Anliegen, jenen Leuten, die meinem Vater, der meine Mutter und meine Schwester tapfer verteidigt hat, von ihren Balkonen aus applaudiert haben, meinen aufrichtigen Dank auszusprechen“, so Silvia Roggero.

Das endgültige Urteil wird nach Abschluss aller Ermittlungen aber die Justiz fällen.

Von: ka