Erfreulicher Trend mit vielen Ursachen – VIDEO

Überraschung: Ausgewanderte Italiener kehren häufiger zurück

Donnerstag, 09. November 2023 | 07:04 Uhr

Rom – Wie aus der Studie „Italiani nel mondo“(„Italiener in der Welt“) der Stiftung „Migrantes“ der italienischen Bischofskonferenz hervorgeht, hat sich die Zahl der Italiener, die aus dem Ausland zurückkehren, in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt.

Der für Italien erfreuliche Trend hat Beobachtern zufolge viele Ursachen. Die Aussicht, nach der Rückkehr aus dem Ausland mehrere Steuervorteile in Anspruch nehmen zu können, und die für einige Berufsgruppen bestehende Möglichkeit, auch in der sonnigen Heimat gutes Geld zu verdienen, werden aber als häufigste Gründe für die Rückkehr genannt.

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Die Experten unterstreichen jedoch, dass das Phänomen der Abwanderung italienischer Fachkräfte ins Ausland nicht zu Ende sei. Obwohl sich der Abstand zwischen Auswanderern und Rückkehrern im letzten Jahrzehnt stetig verringert hat, kann noch nicht von einer echten Trendumkehr gesprochen werden.

Die nackten Zahlen sprechen aber eine deutliche Sprache. Während im Jahr 2012 die Anzahl der nach Italien zurückgekehrten Personen, die die Gesetze zugunsten der „Rückkehr der Gehirne“, die dem sogenannten „Brain-Drain“ entgegenwirken sollen, in Anspruch genommen hatten, nur 29.000 akademische Fachkräfte betragen hatte, stieg deren Zahl neun Jahre später, im Jahr 2021, auf 75.000 an.

Insgesamt kehrten innerhalb eines Jahrzehnts rund 443.000 Italiener auf diese Weise in ihre Heimat zurück. Dass der Stiefelstaat für gut ausgebildete Fachkräfte langsam wieder attraktiv wird, verdeutlicht die stetig sinkende Differenz zwischen aus- und einwandernden Italienern. Auch wenn die Zahl der Auswanderer immer noch größer als jene der Rückkehrer ist, fällt auf, dass innerhalb weniger Jahre der Zahlenunterschied von 76.000 im Jahr 2016 auf „nur“ mehr 19.000 Italiener absank.

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Aufgeteilt nach Ländern kehren mit jeweils zwölf und zehn Prozent die meisten ausgewanderten Italiener aus Deutschland und Großbritannien nach Italien zurück. Auf den weiteren Plätzen folgen die Schweiz und Frankreich. Auffällig ist, dass ein signifikant hoher Anteil der Rückkehrer aus Südamerika stammt. Es handelt sich dabei zumeist um Brasilianer und Argentinier mit italienischen Wurzeln, die als Nachkommen italienischer Auswanderer von den italienischen Staatsbürgerschaftsgesetzen profitieren, die diesen Rückkehrern die Erlangung der Staatsbürgerschaft einräumen.

Viele Experten vertreten die Meinung, dass der Hauptgrund für das Abflauen der Abwanderung junger Hochschulabsolventen aus Italien und die Rückkehr ausgewanderter italienischer Fachkräfte die ab dem Jahr 2019 eingeführten steuerlichen Vergünstigungen seien. Hochschullehrer und Forscher kommen beispielsweise in den Genuss einer Einkommenssteuerermäßigung von bis zu 90 Prozent. Andere Arbeitnehmer können immerhin noch 70 Prozent der italienischen Einkommenssteuer Irpef abschreiben.

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Schade nur, dass die römische Regierung glaubt, sich diese Vergünstigungen nicht mehr länger leisten zu können. Die Regierung Meloni plant, einen Teil dieser Ermäßigungen auf 50 Prozent zu senken. In der Hoffnung, Giorgia Meloni doch noch umstimmen zu können, wurde unter den Auslandsitalienern, deren Zahl in den letzten 18 Jahren von kaum mehr als drei auf fast sechs Millionen hochschnellte, eine Petition initiiert.

Abgesehen von den Steuererleichterungen besteht der eigentliche Unterschied zwischen denjenigen, die sich für eine Abwanderung ins Ausland entscheiden, und denjenigen, die in Italien bleiben, im Gehalt. Einer Studie des interuniversitären Konsortiums AlmaLaurea zufolge verdient ein Hochschulabsolvent fünf Jahre nach Abschluss seines Studiums in Europa durchschnittlich 2.532 Euro netto pro Monat. In Italien hingegen bringt ein Akademiker mit denselben Voraussetzungen monatlich lediglich rund 1.600 Euro nach Hause. Zudem ist die Selbstständigkeit außerhalb Italiens viel weniger verbreitet – nur 4,6 Prozent im Ausland gegenüber 13 Prozent in Italien – was den unbefristeten Verträgen zugutekommt.

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Wie die Studie nachweist, verlassen vor allem junge Leute, darunter überdurchschnittlich Frauen, den Stiefelstaat, um im Ausland einer Beschäftigung nachzugehen. Für Italien ist diese „Flucht der jungen Gehirne und Hände“ ein ständiger Aderlass. Da in Italien die Kosten für die Ausbildung der Auswanderer anfallen, diese Leute aber dann in einem anderen Land ein Einkommen erwirtschaften und dort die Steuern zahlen, entsteht dem Land ein beträchtlicher wirtschaftlicher Schaden, dessen Umfang auf etwa ein Prozent des italienischen Bruttoinlandsprodukts geschätzt wird.

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Auch wenn für einige Berufsgruppen aufgrund des in Italien herrschenden Fachkräftemangels nun die Möglichkeit besteht, auch in der sonnigen Heimat gutes Geld zu verdienen, werden im Ausland meist doch noch die höheren Gehälter gezahlt. Solange sich auf dieser Ebene wenig ändert, werden die „Gehirne“ und „jungen Hände“, die Italien den Rücken kehren, immer zahlreicher als die Heimkehrer sein. Das Lohngefälle, das Italien benachteiligt, bleibt also ein ungelöstes Problem.

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Was zu tun ist, um diesen Aderlass zu beenden, sind sich die Experten einig. Die bereits vorhandenen Steueranreize für Rückkehrer müssen beibehalten und das zum nahen Ausland herrschende Lohngefälle geschlossen werden.

Von: ka