Keine Bestätigung des Freispruchs, Mutter entsetzt – VIDEO

Vater getötet, um Mutter zu retten: Alex Cotoia zu sechs Jahren Haft verurteilt

Donnerstag, 14. Dezember 2023 | 08:07 Uhr

Von: ka

Collegno/Turin – Für Alex Cotoia, der vor dreieinhalb Jahren seinen Vater erstochen hatte, um seine Mutter zu schützen, endete der Prozess vor dem Berufungsgericht mit einer bösen Überraschung. Nachdem der junge Mann in erster Instanz freigesprochen worden war, verurteilte ihn das Turiner Berufungsgericht zu einer Haftstrafe von sechs Jahren, zwei Monaten und 20 Tagen.

Seine Mutter ist entsetzt. „Wenn ich ein weiteres Opfer gewesen wäre, eine weitere ermordete Frau, wen würde das interessieren? Ich wäre heute nicht hier“, so die Frau, die beteuert, dass sie ihrem Sohn das Leben verdanke. Die Familie kündigte an, in Berufung gehen zu wollen und sich an das Kassationsgericht zu wenden.

Alex Cotoia, sein Bruder Loris und ihre Mutter blicken auf einen langen Leidensweg zurück. Der Vater von Alex und Loris, Giuseppe Pompa, hatte schon vor vielen Jahren begonnen, seine Frau zu beschimpfen und zu schlagen. Im Laufe der Zeit hatte sich die Lage dermaßen verschlimmert, dass Alex und sein Bruder Loris freiwillig auf Ausgehabende verzichtet hatten, um ihre Mutter nicht mit dem gewalttätigen 52-Jährigen alleine zu lassen. Während des ersten Lockdowns im Frühjahr des Jahres 2020 waren in der Wohnung in Collegno bei Turin die Gewalttätigkeiten noch häufiger geworden.

Am 30. April 2020 war Giuseppe Pompa wie immer nervös und aufgebracht von der Arbeit zurückgekommen. Er hatte sich an den Tisch gesetzt und mehrere Gläser Wein getrunken. Nachdem ihm die beiden Brüder die Weinflasche weggenommen hatten, war der 52-Jährige sehr zornig geworden und hatte seine Frau angegriffen. Diesmal war aber Alex Pompa dazwischengegangen. Er hatte aus der Küche mehrere Messer geholt und hatte mit diesen auf seinen Vater eingestochen. In der Folge hatte er selbst die Rettungskräfte verständigt und den Polizeibeamten die Tat gestanden.

Nach dem Mord hatte das Untersuchungsgericht von Turin dem Antrag der Verteidiger des jungen Mannes stattgegeben und es dem gerade erst volljährig gewordenen jungen Mann ermöglicht, in Hinblick auf die bevorstehende Maturaprüfung an der Hotelfachschule den Hausarrest bei einem Mitschüler zu verbüßen.

ANSA/ ALESSANDRO DI MARCO

Fast eineinhalb Jahre nach der Bluttat folgte der erste Prozess. Vor den Richtern und Geschworenen schilderten der Angeklagte Alex Pompa, seine Mutter und sein älterer Bruder den langen Leidensweg, der letztendlich zur Bluttat geführt hatte. Für die beiden Brüder und ihre Mutter war es nicht leicht, während des Prozesses erneut die Tonmitschnitte anzuhören, auf denen die Stimme des getöteten gewalttätigen Vaters und Ehemanns zu hören war. Die Richter maßen den Aussagen der Familienmitglieder sowie den mitgeschnittenen Gewalttätigkeiten einen hohen Stellenwert zu, was dazu führte, dass Alex Pompa, der später den Nachnamen seiner Mutter, Cotoia, annahm, in erster Instanz freigesprochen wurde.

Zwei weitere Jahre später folgte die böse Überraschung. Das Turiner Berufungsgericht hob das erstinstanzliche Urteil auf und veruteilte Alex Cotoia zu sechs Jahren, zwei Monaten und 20 Tagen Haft. Die Richter des Berufungsgerichts billigten dem jungen Mann lediglich die mildernden Umstände zu, zum Zeitpunkt der Tat nicht zur Gänze zurechnungsfähig gewesen zu sein und nach einer Provokation gehandelt zu haben.

ANSA/STRINGER

Das Berufungsgericht ordnete auch die Übermittlung der Akten an die Staatsanwaltschaft für die Aussagen an, die die Mutter und sein älterer Bruder zur Verteidigung des Angeklagten getätigt hatten. Die Carabinieri hatten die Mutter und den Bruder in jener tragischen Nacht am 30. April 2020 zwar bereits vernommen, aber die beiden waren später nicht mehr von der Staatsanwaltschaft verhört worden.

Während des Prozesses in erster Instanz gaben die Mutter und Loris im Wesentlichen die Aussagen wieder, die sie bereits in der Tatnacht den Carabinieri zu Protokoll gegeben hatten. Die nächsten Angehörigen des Angeklagten haben zwar das Recht, nicht zu antworten, aber wenn sie es tun, müssen sie die Wahrheit sagen. Die Übermittlung der Akten an die Staatsanwaltschaft bedeutet, dass die Richter des Berufungsgerichts die Mutter und Loris verdächtigen, nicht die ganze Wahrheit gesagt zu haben.

Condannato a sei anni Alex Cotoia, uccise il padre per proteggere la madre

Condannato a sei anni Alex Cotoia, uccise il padre per proteggere la madreRibaltando l'assoluzione in primo grado, la Corte d'appello di Torino ha condannato Alex Cotoia sei anni e due mesi di reclusione per omicidio. Nel 2020, il giovane uccise con 34 coltellate il padre violento per difendere la madre.Jari Pilati per il Tg3 delle 14:20 del 13 dicembre 2023

Posted by Tg3 on Wednesday, December 13, 2023

Die Verteidiger von Alex Cotoia weisen diesen Vorwurf mit Entschiedenheit zurück. „Von einem Freispruch in erster Instanz sind wir zu einer Verurteilung und der Übermittlung der Akten gelangt. Für mich ist das unbegreiflich. Nach so vielen Jahren könnte das Gedächtnis der Zeugen unbeabsichtigt getrübt sein“, so Rechtsanwalt Claudio Strata, der zusammen mit seiner Kollegin Giancarla Bissattini Alex Cotoia verteidigt.

Seine Mutter ist entsetzt. „Wenn ich ein weiteres Opfer gewesen wäre, eine weitere ermordete Frau, wen würde das interessieren? Ich wäre heute nicht hier, Alex ist kein Mörder“, so die verzweifelte Frau, die beteuert, dass sie ihrem Sohn das Leben verdanke. Auch sein Bruder Loris ist tief enttäuscht. „Das ist eine Niederlage für die Frauen, die immer noch leiden. Alex hat in Notwehr gehandelt, er hat uns das Leben gerettet, ohne ihn wären wir nicht hier. Wir können dieses Urteil nicht hinnehmen. Alex muss freigesprochen werden, und wir werden bis zum Ende weitermachen“, so der ältere Bruder des Angeklagten über das Urteil.

„Wenn wir wollen, dass sich die Dinge ändern, wie für Giulia (Cecchettin, Anmerkung der Redaktion) und all die anderen getöteten Frauen, dann muss sich etwas ändern. Alex hat in Notwehr gehandelt“, fügt Loris hinzu. Viele Italiener sehen das genauso. Wenn Italien nicht ein Land bleiben will, das unfähig ist, seine Frauen zu beschützen und seine Männer zu erziehen, müsse sich etwas ändern. Aber gerade auch weil jene, die einen möglichen Femizid verhindern, hohe Strafen riskieren, könnte es noch lange dauern, bis sich etwas tut.