Vergewaltigung und Hetze in den sozialen Medien – VIDEO

Vom Martyrium einer 19-Jährigen: „Niemand hat sich umgedreht“

Freitag, 01. September 2023 | 08:00 Uhr

Palermo – Nach der schrecklichen Gruppenvergewaltigung geriet das Leben der betroffenen 19-Jährigen aus Palermo, deren Leben bereits vorher nie leicht gewesen war, endgültig aus den Fugen. Die junge Frau, die trotz ihrer Ängste und der unverhohlenen Drohungen den Mut besaß, alle Namen ihrer Peiniger zu nennen, war nach der Verhaftung der sieben jungen Männer, die ihr Schreckliches angetan hatten, gezwungen, ihre gewohnte Umgebung zu verlassen.

Aber auch nach der Aufnahme in eine geschützte Gemeinschaft lässt sie das Erlittene nicht los. Besonders die Hetze in den sozialen Netzwerken ist für sie eine große Belastung und eine bittere Enttäuschung. Die Hater, die meinen, dass sie im Grunde selbst schuld sei, machen ihr schwer zu schaffen. Sie hingegen erinnert sich gut daran, dass ihr in dieser unheilvollen Nacht vom 6. auf den 7. Juli niemand zur Hilfe geeilt war. „Niemand hat sich umgedreht“, so die 19-Jährige gegenüber dem Corriere della Sera.

pixabay/StockSnap

Gegen 2.00 Uhr am 7. Juli ging bei den Carabinieri von Palermo ein Anruf aus dem Krankenhaus der sizilianischen Metropole ein. „Bei uns ist eine junge Frau, der es sehr schlecht geht. Sie erzählt, dass sie Opfer sexueller Gewalt geworden sei“, so die Ärzte der Ersten Hilfe des Krankenhauses von Palermo. Als die Carabinieri im Krankenhaus eintrafen, standen sie vor einer verkaterten jungen Frau, die unter Schock stand und sichtbare Zeichen sexuellen Missbrauchs aufwies.

pexels

Die medizinische Untersuchung bestätigte die Schilderung der jungen Frau, dass sie Opfer eines Sexualverbrechens geworden war. In der Folge versuchten die Ärzte und die Krankenpflegerinnen die 19-Jährige davon zu überzeugen, die Namen derer zu nennen, die ihr diese schreckliche Gewalttat angetan hatten. Hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, als normale junge Frau weiterleben zu wollen oder sich der schrecklichen Last zu entledigen, schwieg die 19-Jährige zunächst, willigte dann aber ein, ihren Peinigern Namen zu geben.

Das anfängliche Zögern, die Scham und, wie sie den Ermittlern mitteilte, die Angst, das Leben ihrer Peiniger zu ruinieren, wichen schnell einer dunklen Wut. Zuletzt quoll es aus der 19-Jährigen nur so heraus. Sie erzählte, wie sie am Abend des 6. Juli in einem Lokal die sieben jungen Männer getroffen hatte, von denen einer ein alter Freund von ihr gewesen war. Sie sagte, dass auch Alkohol und Drogen im Spiel gewesen seien und dass sie mit den Männern durch die Straßen von Palermo gezogen sei, bis sie die Strandpromenade der Stadt erreicht hätten, wo die sieben Männer über die wehrlose junge Frau hergefallen waren.

In ihrer Aussage ließ sie kein Detail der schrecklichen Gewalttat aus, die sie erlitten hatte. Die junge Frau erzählte auch vom vergeblichen Versuch, um Hilfe zu rufen. „Niemand hat sich umgedreht“, so die 19-Jährige. Sie schloss ihre Aussage mit den Worten, dass sie von ihren Peinigern einfach am Straßenrand liegengelassen worden sei und zwei Passanten die Rettungskräfte verständigt hatten.

ANSA / IGOR PETYX

Nach der Anzeige, in der sie die ersten vier Namen nannte, wurde die 19-Jährige zurück zu ihrem Wohnort gebracht, das ehemalige Fischerviertel Arenella von Palermo, wo die junge Frau nach dem frühen Tod ihrer Mutter bei ihrer Tante lebt. Zu ihrem Pech wohnen die Vergewaltiger und ihre Familien im selben kleinen Viertel, wo jeder jeden fast mit dem Namen kennt. Nachdem sie das Erlittene auch ihrer Tante erzählt hatte, half diese ihr dabei, einen Anwalt zu finden. Bereits wenige Stunden nach der Anzeige wurden die ersten vier Männer verhaftet und eingekerkert. Wenige Wochen später nahmen die Carabinieri auch die restlichen drei mutmaßlichen Sexualstraftäter fest.

Im kleinen Viertel am Meer nördlich von Palermo verbreitete sich die Nachricht der Festnahmen in Windeseile. Es dauerte nicht lange, bis die Angehörigen der verhafteten jungen Männer das Opfer mit dem Tod bedrohten. Sie setzte darüber die Carabinieri in Kenntnis, die sie seither nie mehr aus dem Auge ließen. Die Angst vor Repressalien, aber auch der Wunsch, sie aus dieser für sie nicht mehr tragbaren Lage herauszuholen, veranlassten die Ermittler dazu, ihr zu raten, zu einer Pflegefamilie zu ziehen.

Die 19-Jährige, die nach dem frühen Tod ihrer Mutter und der Vernachlässigung durch ihren Vater jahrelang in einem Heim gelebt hatte, stimmte zunächst zu. In der geschützten Gemeinschaft verbrachte sie die ersten Wochen nach der Vergewaltigung. Sie blieb in ständigem Kontakt mit den Carabinieri, zu denen sie eine enge Beziehung aufbaute, die sie auch in ihren sozialen Netzwerken publik machte, indem sie Fotos von sich mit einer Carabinieri-Mütze postete.

Diese Geste gefiel ihrer besten Freundin gar nicht. Es handelte sich dabei um jene junge Frau, die sich gemeinsam mit dem Opfer und den sieben jungen Männern getroffen hatte, dann aber fortgegangen war. „Sie kann nichts dafür, lasst sie in Ruhe“, schrieb die 19-Jährige an die Adresse jener, die ihrer Freundin vorwarfen, sie am Abend des Missbrauchs mit den jungen Männern alleingelassen zu haben. Es verging wenig Zeit, bis Nutzer in den sozialen Medien die Identität der jungen Frau herausfanden, deren Name vorher in den Medien nie aufgetaucht war. Tausende von Menschen aus ganz Italien bekundeten ihre Solidarität.

Facebook/Non una di meno – Palermo

Durch die vielen Solidaritätsbekundungen gestärkt und nicht zuletzt, weil sie ihre noch verbliebenen Verwandten und ihre Freunde vermisste, beschloss sie, nach Arenella zurückzukehren. Zudem wollte sie in ein „normales Leben“ zurückfinden. Sie ging mit ihren Freunden aus, veröffentlichte Fotos von ihren Abenden am Meer, sang auf TikTok jene Lieder, die sie so sehr liebte und antwortete manchmal jenen vielen Menschen, die ihr ihre Zuneigung zeigten.

Facebook/Non una di meno – Palermo

Aber ihr Wunsch, an ihr früheres, wenn auch oftmals schwieriges Leben anzuknüpfen, scheiterte. Das Erlittene ließ die 19-Jährige nicht mehr los. Ihr inneres prekäres Gleichgewicht geriet endgültig ins Wanken, als Hater ihre Videos hart kritisierten und sie beschuldigten, ihre Vergewaltiger zu provozieren. Die junge Frau versank in Verzweiflung. „Ihr bringt mich um“, so eines ihrer Postings. Da die Ermittler befürchteten, dass sie sich etwas antun könnte, rieten sie ihr erneut dazu, Arenella zu verlassen und in eine geschützte Wohngemeinschaft zurückzukehren. Die junge Frau willigte ein. Sie packte ihre Sachen und zog zurück zur sozialen Wohngemeinschaft.

Seit wenigen Tagen befindet sie sich weit weg von Palermo und Sizilien an einem unbekannten Ort. Allerdings ist sie weiter online. Sie fährt fort, sich gegen die Hasspostings derer zur Wehr zu setzen, die meinen, dass sie sich eigentlich alles selbst eingebrockt habe.

fotolia.de/rachaphak

Dass ihre mutmaßlichen Peiniger hinter Gittern sitzen, ist für sie nur ein schwacher Trost. Die Tatsache, dass Melonis Partner mit Vergewaltigungsaussagen schockt, dürften sie ebenfalls schmerzen. Die junge Frau will ihre Tante und ihre Freunde umarmen, abends am Strand sitzen und dabei lauschen, wie die Wellen ihres heimatlichen Meeres gegen das Ufer schlagen. Ganz Italien wünscht der 19-Jährigen, wieder in ein „fast normales Leben“ zurückzufinden.

Von: ka

Kommentare

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26 Kommentare auf "Vom Martyrium einer 19-Jährigen: „Niemand hat sich umgedreht“"


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Grünschnabel
1 Monat 15 h

Den Vergewaltigern ein Tattoo mitten im Gesicht als Schandmal damit sie ein Leben lang damit konfrontiert sind und als Abschreckung für alle Gleichgesinnten!!!

N. G.
N. G.
Kinig
1 Monat 10 h

Damit könnte sogar ich leben, obwohl ich immer und fast ausnahmslos auf Integration bin. Man wirft nicht Menschen weg, weil sie vielleicht einmal nen Fehler gemacht haben.

Staenkerer
1 Monat 6 h

@N. G. “an fehler mochn konn oan passiern, ober sich nor vor de konsqenzn druckn isch feige!” des hott mir mein voter von kloan auf gsog!

elvira
elvira
Universalgelehrter
29 Tage 14 h

@N. G. i bin a fir integration ober belästigung, vergewaltigung, gewalt isch a absolutes no go und in keinster weise zu entschuldigen und a in keinster weise schian zu redn. und es miasn viel, viel härtere strofn her

elvira
elvira
Universalgelehrter
29 Tage 14 h

@Staenkerer jemend vergewaltigen isch nit “lai mol a fehler mochn” geats nou?

schnegge
schnegge
Tratscher
1 Monat 10 h

isch schun hetzig!!! wenn a frau in an kurzn rock odo in hoacha schuiche ecc in a bar sitzt und eppas trinkt odo amfoch la sympatisch isch wert ihr vorgiworfn ( sollte sie sexuell belästigt wern odo no schlimma) selbst schuldig zi sein!
wo lebm mir denn???
sischt wellmo ibro voraus sein, ibro afn noigstn stond usw. obo ba der denkweise seimo wo hinto do steinzeit. bsundos do partna fa do miss meloni!!!

nok
nok
Superredner
1 Monat 5 h

Ja da stellt sich die Frage, warum wird ein kurzer Rock angezogen?
Deine Antwort weil ich anziehen darf was ich will.

Aber du bist dir schon im klaren was du damit bezweckst…

Hustinettenbaer
1 Monat 2 h

@nok
Wenn eine Frau/ein Mann in Shorts am Bartresen steht, ist sie/er dann Freiwild ? Springt man in einen Garten, weil da schöner Rosenkohl steht ?

schnegge
schnegge
Tratscher
1 Monat 2 h

@nok kurzer rock, kurze hose kurzes top… bist du etwa auch so einer der den opfern die schuld gibt oder was???

müssen wir frauen uns rechtfertigen was und wie wir uns anziehen??? wir sind hier nicht in indien oder der türkei. ist dir schon aufgefallen oder???

elvira
elvira
Universalgelehrter
29 Tage 14 h

@nok dir miaset men jo komplett uane schmiern

Zugspitze947
29 Tage 9 h

nok: das ist totaler Quatsch !!!!!!! 🙁

milchmann
milchmann
Superredner
29 Tage 3 h

@nok Waffen tragen und sie gebrauchen ist schon ein Unterschied.
Oder zahlst du, ganz nach deinem Motto, jeder Schwalbe ihren Tarif, weil du hättest sie ja haben können.

nok
nok
Superredner
22 Tage 11 h

Aber antwort habe ich keine bekommen, nur Beschimpfungen und beleidigungen…

Neumi
Neumi
Kinig
22 Tage 11 h
@Nok Eine ernsthafte Anwort: Warum macht man sich schick? a) Weil man gesehen werden will, vielleicht auch angesprochen, eventuell auch einfach, weil sie sich damit wohler fühlt. Glotzen ist also grundsätzlich erst mal erlaubt. Und wenn ansprechen heutzutage verboten wird, dann ist es bald vorbei mit dem Nachwuchs. Aber was darüber hinausgeht, ist eben nicht erlaubt. Klar, wenn sie sich die Unterwäsche runterreißen würde und jemandem in den Schoß springen würde, könnte man das schon als Einladung ansehen, das Outfit alleine reicht dafür aber nicht. Selbst in einer hüllenlosen Stripper-Bar gilt: Ansehen: ja. Anfassen: nein. Ob einer ein Arsch ist… Weiterlesen »
Brummbaer
Brummbaer
Tratscher
1 Monat 14 h

Welch tragische Folgen diese Schandtaten für die betroffenen Opfer haben, die das verarbeiten und in ein normales Leben zurückfinden müssen, geht leider meistens unter…Auch die Hater in den Netzwerken sind miserabel, sicher hätte sich die junge Frau nicht auf Alkohol- und Drogenrausch einlassen sollen, aber das weiss sie nun aus dieser bitteren Erfahrung selber! Sie nun auch noch anzuprangern, ist brutal und ohne Mitgefühl! Hoffen wir, daß das Mädchen gute Menschen findet, die sie wieder Vertrauen und Geborgenheit finden lassen!

vunmirausgsechn
vunmirausgsechn
Tratscher
1 Monat 11 h

@Brummbaer “Auch die Hater in den Netzwerken sind miserabel, sicher hätte sich die junge Frau nicht auf Alkohol- und Drogenrausch einlassen sollen” genau des isch es Problem: auch wenn jemand im Rausch sein sollte isch so eine Tat in absolut nicht zu rechtfertigen!!! des auch wen und aber isch ein Bedsinn….

vunmirausgsechn
vunmirausgsechn
Tratscher
1 Monat 9 h

@vunmirausgsechn…. wor in Aufregung und hosns zu schnell obschickt 😀

elvira
elvira
Universalgelehrter
29 Tage 14 h

es geat niamend eppes un ob sie betrunkn oder auf drogn wor. niamend hots recht jemend zu vergewoltigen.

der echte Aaron
der echte Aaron
Universalgelehrter
1 Monat 11 h

da gehörten die Familienmitglieder der Vergewaltiger auch eingesperrt überhaupt wenn sie dem Opfer drohen….

N. G.
N. G.
Kinig
1 Monat 10 h

Sippeenhaft? Gabs, in der Nazi Zeit. Du dafür?

der echte Aaron
der echte Aaron
Universalgelehrter
1 Monat 7 h

@N. G.
du hosch wohl wieder nix verstonden…..nix neues!!!

Goennenihrwichtigtuer
1 Monat 7 h

N.G. hot dor dein vorleseprogramm lei in holben sotz vorglesen? Do steat “wenn sie dem Opfer drohen” dasses für die normal isch dass es Opfer ihre Heimat verlassen soll und die Täter bleiben kennen, kenn mor jo aus deiner Russland Ukraine Einstellung.. sein tuasch schun du dr nazi und nit dr Aaron…

xXx
xXx
Kinig
1 Monat 12 h

Es ist schon traurig das man der Jungen Dame raten muss, irgendwo komplett neu anzufangen, mit neuem Name.

Die Täter würden bei mir sowieso kein Tageslicht mehr sehen, aber auch im Netz muss es endlich deutliche Konsequenzen geben für Hater und Hetzer.

Hustinettenbaer
1 Monat 14 h

“vergeblichen Versuch, um Hilfe zu rufen. „Niemand hat sich umgedreht”

Schande über Täter, Hater, feige Weggucker und Täter-Versteher.
🤮

Homelander
Homelander
Tratscher
1 Monat 14 h

Mir fehlen die Worte, ich wünsche der Frau viel Kraft und hoffe, dass diese Kraturen zur Rechenschaft gezogen werden! ich wüsste da etwas, aber das darf ich leider nicht schreiben, aber ihr könnts euch ja denken!

Paladin
Paladin
Superredner
1 Monat 13 h

Leider wird ein normales Leben in diesem Umfeld unmöglich sein. Da spielen viele Faktoren eine Rolle, nicht zuletzt patriarchalische, mafiöse Gesellschaftsstrukturen. Man kann der jungen Frau nur Raten ein neues Leben woanders zu beginnen, wo sie von diesen Personen nicht mehr belästigt wird und vor ihnen sicher ist.

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