Sie leben mit Positiven, stecken sich aber nicht an

Was ist das Geheimnis der “Corona-Resistenten”?

Mittwoch, 31. März 2021 | 07:07 Uhr

Rom/New York – Schon seit Monaten fragen sich Virologen, warum sich einige Personen, die mit SARS-CoV-2-Positiven eng zusammen im gleichen Haushalt leben, nicht mit dem Virus infizieren. Es sind sogar Fälle bekannt, in denen von zwei Personen, die mit einem Infizierten in engen Kontakt getreten sind, die eine schwer erkrankt oder sogar auf der Intensivstation landet und die andere sich nicht einmal mit dem Coronavirus ansteckt.

Nicht weniger als weltweit 200 Labore, deren Arbeit von der Rockefeller University von New York koordiniert wird, versuchen dieser Frage auf die Spur zu kommen. Vom Ergebnis erhoffen sich die teilnehmenden Wissenschaftler und Mediziner einen Durchbruch zu einem Medikament, das vor einer Infektion schützen soll. Der italienische Genetiker Giuseppe Novelli, dessen medizinisches Genetiklabor der Poliklinik der Universität Tor Vergata von Rom an der internationalen Forschungsstudie teilnimmt, verweist auf einige mögliche Ursachen.

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Von Anfang an war die Antwort des Körpers auf den Kontakt mit dem Virus sehr unterschiedlich. Während die einen asymptomatisch blieben oder sich gar nicht erst ansteckten, mussten die anderen mit Sauerstoff oder gar intensivmedizinisch behandelt werden. Von Anfang an fragen sich daher Forscher und Virologen, was die Ursache für diese vollkommen unterschiedlichen Corona-Verläufe seien. Es sind sogar Fälle bekannt, in denen von zwei Personen, die mit einem Infizierten in engen Kontakt getreten sind, die eine schwer erkrankt oder sogar auf der Intensivstation landet und die andere sich nicht einmal mit dem Coronavirus ansteckt. Dem Geheimnis der „Corona-Resistenten“ versuchen Hunderte von Experten auf die Spur zu kommen.

„Seit Mai letzten Jahres versuchen wir, diese fundamentale Eigenschaft der Pandemie zu verstehen. Bei einer Virusinfektion dieser Größenordnung muss man drei Faktoren berücksichtigen: Den Erreger, den Wirt und in welcher Verbindung die Infektion mit dem Wirt steht. Der Wirt sind wir. Aufgrund unserer genetischen Eigenschaften reagieren wir unterschiedlich auf eine Infektion“, so Professor Giuseppe Novelli gegenüber dem italienischen Nachrichtenportal „Huffingtonpost.it“.

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Der italienische Genetiker, dessen medizinisches Genetiklabor der Poliklinik der Universität Tor Vergata von Rom zusammen mit weltweit 200 Laboren an einer internationalen Forschungsstudie teilnimmt, um diese Frage zu ergründen, verweist auf einige mögliche Ursachen.

Für mehrere Krankheiten sind „Resistenzen“ wissenschaftlich dokumentiert. Unter anderem weisen zehn Prozent der Menschen eine natürliche Resistenz gegen die Immunschwächekrankheit Aids auf. Sie infizieren sich nicht, weil deren CCR5 oder C-C-Motiv-Chemokin-Rezeptor 5, der es dem Humane Immundefizienz-Virus ermöglicht, in die Zelle einzudringen, defekt ist. Ähnliche Fälle von Resistenz konnten auch für Krankheiten wie beispielsweise die Malaria und die Tuberkulose gefunden werden.

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„Um zu verstehen, was diese Unterschiede bezüglich der Covid-19-Infektion bedingen, haben wir als Erstes die DNA von schwerkranken Patienten – also solchen, die intensivmedizinische Betreuung benötigen – untersucht und nach genetischen Unterschieden in ihrer DNA gesucht. Wir haben herausgefunden, dass 13 Prozent der schwerkranken Patienten einige bedeutende Unterschiede in den Genen, die den genetischen Code für Interferon – Interferone sind Proteine oder Glykoproteine, die eine immunstimulierende, vor allem antivirale und antitumorale Wirkung entfalten und die erste Barriere der angeborenen Immunität bilden – enthalten, aufweisen. Interferone greifen ein, bevor Antikörper überhaupt erst entstehen“, so der Genetiker.

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Die betroffenen Patienten können diese Abwehrmoleküle nur in sehr unzureichender Menge produzieren. Die Ergebnisse der Studie wurden im Wissenschaftsmagazin Science veröffentlicht. „Mit dieser Studie wurde erstmals aufgezeigt, dass ein genetisches Merkmal des Wirts in der Lage ist, den Schweregrad der Erkrankung zu beeinflussen. Wir sind von dieser Erkenntnis ausgegangen: Wenn es genetische Faktoren für eine Anfälligkeit gibt, ist es offensichtlich, dass sie auch für deren Kehrseite, die Resistenz, existieren. In der Genetik gibt es immer zwei Seiten einer Medaille“, erklärt Professor Giuseppe Novelli.

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Die andere Seite der Medaille sind die „Resistenten“. Trotz des dokumentierten engen Kontakts mit SARS-CoV-2-Positiven steckten sich diese Personen nie mit dem Virus an. „Wir haben als Teil eines internationalen Forschungsprojekts die DNA von erwiesenermaßen resistenten Freiwilligen gesammelt. Diese Freiwilligen, von denen 150 aus Italien stammen, sind befragt und umfangreichen Laboranalysen unterzogen worden. Nun geht es darum, die gewonnenen Datenmengen miteinander zu vergleichen und herauszufinden, ob ihre DNA-Sequenzen Gemeinsamkeiten aufweisen. Zudem wird ihre DNA mit jener der Schwerkranken verglichen“, erläutert der international anerkannte Genetiker.

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Die Studie befindet sich noch mitten in der Forschungsphase. Wann mit ersten Ergebnissen gerechnet werden kann, ist nicht bekannt. „Sollten die ‚Widerstandsfähigen‘ mehr Interferon produzieren, erhalten wir die Erkenntnis, dass Interferon helfen kann. Wenn wir hingegen herausfinden, dass es wie bei Aids eine ‚genetisch geschlossene Tür‘ gibt, entdecken wir vielleicht auch ein Medikament, das den Eintritt des Coronavirus blockiert“, so Professor Giuseppe Novelli.

Ein solches Forschungsergebnis, das zum Durchbruch zu einem Medikament gegen Covid-19 verhelfen würde, wäre nicht nur für den italienischen Genetiker und seine weltweit forschenden Kollegen ein Traum. Allerdings liegt dieser Traum noch in weiter Ferne.

Von: ka