Tausende Tonnen verseuchter Schlamm illegal auf Feldern entsorgt – VIDEO

„Wer weiß, was mit den Kindern passiert, die auf Klärschlamm gewachsenen Mais essen“

Freitag, 28. Mai 2021 | 08:02 Uhr

Brescia – Die Carabinieri und die Staatsanwaltschaft von Brescia sind einem schier unglaublichen Fall rücksichtsloser Umweltverschmutzung mit Gefährdung von Menschen und Tieren auf der Spur.

Laut Ansicht der Ermittler wurden von einer Firma, die im Bereich der Aufbereitung von Klärschlämmen tätig ist, nicht weniger als 150.000 Tonnen verseuchter Klärschlamm als „Düngemittel“ deklariert und landwirtschaftlichen Betrieben angeboten. Der mit Schwermetallen, Kohlenwasserstoffen und anderen Schadstoffen verseuchte Schlamm wurde später auf 3.000 Hektar Feldern in vier norditalienischen Regionen illegal entsorgt. Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft von Brescia wurden alle Betriebsanlagen der Firma beschlagnahmt.

Die Ergebnisse der Auswertung der abgehörten Telefongespräche ließen selbst erfahrene Ermittler erschaudern. „Ich denke manchmal daran. Wer weiß, was mit den Kindern passiert, die auf Klärschlamm gewachsenen Mais essen“, so der für den Verkauf zuständige Geschäftsführer der Firma.

Der ermittelnden Staatsanwaltschaft von Brescia zufolge war das Hauptziel der Firma, welche im Bereich der Aufbereitung von Klärschlämmen tätig ist, eine möglichst große Menge von Schlämmen zu möglichst niedrigen Kosten zu entsorgen. Laut den Ermittlern wurden von der Firma, deren Produktionsstätten inzwischen beschlagnahmt wurden, zwischen Januar 2018 und August 2019 nicht weniger als 150.000 Tonnen verseuchter Klärschlamm als „Düngemittel“ deklariert und landwirtschaftlichen Betrieben zur Verteilung auf den Äckern angeboten.

Carabinieri Tutela Forestale

Das „Geschäftsmodell“ der Firma war denkbar einfach. Die Firma holte den Klärschlamm ab, der von öffentlichen und privaten Kläranlagen, die von Haushalten und Industrieanlagen stammende Abwässer aufbereiten, stammte, und führte ihn den eigenen Anlagen zu. Anstatt den Klärschlamm aber wie von strengen Richtlinien vorgeschrieben einem aufwendigen Wiederaufbereitungsverfahren zu unterziehen und ihn somit legal in für die Umwelt unbedenkliche Düngemittel umzuwandeln, wurde der mit Schwermetallen, Kohlenwasserstoffen und anderen Schadstoffen verseuchte Schlamm einfach als „Defäkationsgips“ deklariert. Als ob dies nicht genug wäre, wurden dem Schlamm noch aus der Entsorgung von Altbatterien stammende gefährliche Substanzen wie etwa Schwefelsäure zugefügt.

Carabinieri Tutela Forestale

„In den Proben des Gipses, der von der Firma stammte und für die Ausbringung auf die Felder bestimmt war, wurden Konzentrationen von Fluoriden, Sulfaten, Chloriden, Nickel, Kupfer, Selen, Arsen, Kohlenwasserstoffen, Zink, Phenol, Methylphenol und anderen Schadstoffen festgestellt, die die höchstzulässige Menge dutzendfach, wenn nicht gar hundertfach überschreiten“, so der zuständige Untersuchungsrichter von Brescia in seiner Anordnung, die zur Beschlagnahme aller Industrieanlagen der betreffenden Firma führte.

Carabinieri Tutela Forestale

Dieser hochgefährliche, aber von den Verantwortlichen der Firma einfach als „Düngemittel“ deklarierte Schlamm wurde später landwirtschaftlichen Betrieben angeboten. Aus Telefonmitschnitten und Abhöroperationen geht hervor, dass die Verantwortlichen der Firma die Besitzer der landwirtschaftlichen Flächen dazu überredeten, ihnen die „Defäkationsgipse“ zum Nullkostenpreis abzunehmen. Nach der Verteilung des „Düngers“ übernahm die Firma sogar die Kosten für das Pflügen der Felder. Laut den Ermittlern waren die Landwirte weniger an den Eigenschaften des „Düngemittels“, sondern vielmehr an den großen Einsparungen, die sich aus der kostenlosen Bearbeitung der Felder ergeben, interessiert. Ersten Ermittlungsergebnissen zufolge wurden auf diese Weise etwa 150.000 Tonnen verseuchter Klärschlamm auf rund 3.000 Hektar Ackerfläche illegal entsorgt.

Die hohen Einnahmen aus der Abnahme der belasteten Klärschlämme sowie die Falschdeklarierung und die kostengünstige „Entsorgung“ des „Düngers“ ermöglichten es den beteiligten Unternehmen, Millionen von Euro an illegalen Gewinnen einzufahren. Experten schätzen, dass von den auf diese Weise „gedüngten“ Feldern, die infolge Verteilung der „Defäkationsgipse“ stark mit Schadstoffen belastet sind, eine große Gefahr für die öffentliche Gesundheit ausgeht. Es ist nicht auszuschließen, dass durch die mehrmals erfolgte Entsorgung von Schlämmen gefährliche Schadstoffe bis zu wasserführenden Bodenschichten vordringen können. Dadurch könnte sich eine Gefahr für das Trinkwasser ergeben. Zudem könnten Feldfrüchte, die auf dem illegal mit Klärschlamm belasteten Äckern angebaut wurden, mit Schwermetallen und anderen Schadstoffen belastet sein.

Carabinieri Tutela Forestale

Wie ein mitgeschnittenes Telefongespräch zeigt, dürften selbst die mutmaßlichen Täter beim Gedanken, was sie Kindern möglicherweise antun, Gewissensbisse bekommen haben.

Von: ka