Experten befürchten nach Lockdown Scheidungsboom

Werden die Ehen Covid-19 überleben?

Mittwoch, 29. April 2020 | 08:03 Uhr

Rom – Da sich Italien noch immer in einem etwas gelockerten, aber weiterhin bestehenden Lockdown befindet, sind zwar noch keine genauen Zahlen bekannt, aber angesichts der Erfahrungen aus Ländern, die die meisten Corona-Einschränkungen hinter sich haben, sind sich die Experten sicher, dass die Folgen der Pandemie und des „erzwungenen“ Zusammenseins viele Ehen auf eine harte Probe stellen werden. Der Verlust des feinen Gleichgewichts zwischen Arbeits- und Privatleben mit der Folge, sich 24 Stunden lang gegenseitig ertragen zu müssen, seien dafür verantwortlich, dass es in den zwischenmenschlichen Beziehungen immer öfter kriselt. Sorgen um das Einkommen und um den Arbeitsplatz, die Frage der Betreuung der Kinder sowie gegenseitige Schuldzuweisungen setzten Ehen zusätzlich einer hohen Belastung aus.

Die Erfahrungen anderer Länder, die einen mehr oder weniger strengen Lockdown bereits hinter sich haben, lassen wenig Spielraum für Hoffnung. In China werden laut Berichten nach den überaus strengen Quarantänemaßnahmen in Wuhan die zuständigen Ämter regelrecht gestürmt. Auch in Japan registrieren die Behörden einen spürbaren Anstieg der Trennungs- und Scheidungsanfragen. Ein japanischer Unternehmer macht sogar aus der Not eine Tugend und bietet vom engen Zusammenleben gestressten Ehepaaren möblierte Kurzzeit-Appartements zur Vermeidung von „Corona-Scheidungen“ an.

Natürlich ist ein Teil des Anstiegs in diesen Ländern auch darauf zurückzuführen, dass aufgrund der Schließung aller Gerichte und Ämter trennungs- und scheidungswillige Ehepaare mehrere Wochen lang keine Möglichkeit besaßen, die Trennung einzureichen oder Scheidungsverfahren fortzuführen. Dies wird vermutlich auch für Italien gelten, wo es während des Lockdowns nicht möglich ist, sich zu trennen. Ausgenommen besondere Trennungsgründe, zu denen unter anderem Misshandlung oder sexueller Missbrauch zählen, ruhen im Stiefelstaat voraussichtlich bis zum 11. Mai alle Anhörungen. Da von der Möglichkeit, das Verfahren auch online, über Mail oder über Videokonferenz abzuwickeln, nur wenige Paare Gebrauch machen, müssen die verlorenen zwei Monate nach der Öffnung von den Ämtern und den Gerichten wieder aufgeholt werden.

Nichtsdestotrotz beweisen die Anstiege in den asiatischen Ländern, dass auch im Westen wohl mit einer Zunahme der Trennungen und Scheidungen gerechnet werden muss. Experten führen für dieses Phänomen eine ganze Reihe von Gründen an. Der Hauptgrund dürfte ihnen zufolge sein, dass der Lockdown mit geschlossenen Schulen, Homeoffice, dem möglichen Verlust des Einkommens und des Arbeitsplatzes sowie dem „erzwungenen“, ganztägigen Zusammensein das gesamte, bisher gewohnte Leben über den Haufen wirft. Besonders Frauen werden von der nicht seltenen Mehrfachbelastung, Smart Working, Homeschooling, ganztägige Betreuung der Kinder und Führung des Haushalts unter einen Hut zu bringen, regelrecht aufgerieben. Werden zwischen den Eheleuten Aufgaben und Lasten nicht gerecht verteilt, könne dies bald zu einer explosiven Stimmung führen, so Familienberater.

All'inizio della Fase 2 La Via Libera traccia un bilancio del prezzo che le donne hanno pagato e continueranno a pagare…

Pubblicato da D.i.Re Donne in Rete contro la violenza su Lunedì 27 aprile 2020

In extremen Fällen kann dies auch in Gewalt münden. Seid dem Beginn des Lockdowns steigen D.i.Re – einem Netzwerk, das im Kampf gegen die Gewalt gegen Frauen tätig ist – zufolge die Fälle häuslicher Gewalt massiv an. D.i.Re zufolge erhöhten sich zwischen dem 2. März und dem 5. April die Hilfsgesuche von Frauen, die laut ihren Angaben Opfer von Gewalt ihrer Partner wurden, um 74 Prozent. Meistens kommt es zum Glück gar nicht so weit. Die Erfahrungen anderer Länder zeigten vielmehr, dass nach der Quarantäne viele Männer und Frauen ihres Ehepartners einfach „überdrüssig“ seien. Ihren Aussagen zufolge habe das lange Zusammenleben bewiesen, dass sie nicht zueinander passten.

Für Italien wird fast einhellig von einem Anstieg der Scheidungen ausgegangen. Die wenigen abweichenden Stimmen argumentieren, dass Krisen mit Verlust von Einkommen und Arbeitsplätzen sowie gerade die Erfahrung, eine Notlage gemeinsam durchzustehen, Paare auch zusammenschweißen können. Wer recht behalten wird, wissen wir mitten in der Pandemie noch nicht. Eine Bilanz, wie viele Ehen an Covid-19 zerbrochen sind, kann vermutlich erst in einem Jahr gezogen werden.

Von: ka