Tempo-30: Stadtpolizistin lässt ihrem Ärger freien Lauf – VIDEO

“Zu nutzlosen und hysterischen Kontrollen gezwungen”

Freitag, 26. Januar 2024 | 08:03 Uhr

Bologna – Dass die Einführung von Tempo-30 im Stadtverkehr, die erst vor Kurzem von Bolognas Stadtvätern beschlossen wurde, bei den Autonutzern auf wenig Gegenliebe stoßen würde, ist wahrlich keine Überraschung, aber dass sie selbst von den Stadtpolizisten kritisch gesehen wird, befremdet dann doch.

Gegenüber der Ausgabe von Bologna des Corriere della Sera lässt eine lieber anonym bleibende Stadtpolizistin ihrem Ärger freien Lauf. „Wir werden gezwungen, nutzlose und hysterische Kontrollen durchzuführen. Die manchmal unklare Beschilderung führt dazu, dass die Bürger verwirrt sind. Da jeder weiß, wo wir stehen, ist es dennoch schwierig, ein Bußgeld zu erhalten“, so die Stadtpolizistin.

Facebook/Andrea Colombo

Nach dem Beschluss der Gemeindeväter von Bologna, fast die gesamte Stadt in eine Tempo-30-Zone zu verwandeln, wird in ganz Italien heiß über Nutzen und Schaden der einschneidenden Maßnahme diskutiert. Während die meisten Autolenker Tempo-30-Zonen ablehnen, glauben Fußgänger – insbesondere Eltern schulpflichtiger Kinder – und Radfahrer, dass sich durch sie die Verkehrssicherheit erhöhen werde.

Von der Straße aus gesehen – oder zumindest aus der Perspektive derjenigen, die die neuen Vorschriften durchsetzen müssen – verliert Tempo-30 jedoch etwas von seiner zugeschriebenen rettenden Kraft. Nach den ersten Tagen intensiver Kontrollen zieht eine Stadtpolizistin, die lieber anonym bleiben möchte, ein ernüchterndes Fazit. Ihrer Ansicht nach lege die Einführung von Tempo-30 offen, was „in den letzten 15 bis 20 Jahren in Sachen Verkehrssicherheit in Bologna nicht getan wurde“.

Dem Journalisten des Corriere della Sera gewährt die Polizistin einen Einblick in ihre tägliche Arbeit. „Wir sind jeden Tag mit sechs Patrouillen im Einsatz. Da es an Personal mangelt, können wir die Anzahl der Patrouillenfahrten nicht erhöhen. Die zehn neuen Kollegen, die heuer hinzukommen sollen, reichen nicht einmal aus, um diejenigen zu ersetzen, die in den Ruhestand treten“, antwortet die Stadtpolizistin auf die Frage, wie die Kontrollen laufen.

Comune di Bologna

„Eigentlich waren die Geschwindigkeitskontrollen vor Tempo-30 nicht besonders umfangreich. Wir stehen mehr oder weniger auf denselben Straßen. Ehrlich gesagt, fällt es mir schwer, in den nun getätigten Kontrollen einen Sinn zu erkennen. Weil jemand unsere Standorte weitergibt, wissen die Leute übrigens im Voraus, wo wir uns hinstellen“, erklärt die Polizistin. Die Beamtin wisse ihrer Aussage zufolge aber nicht, wer der „Maulwurf“ sei.

Auf die Frage des Journalisten, wie sie die Einführung von Tempo-30 beurteile, hat die Uniformierte eine unmissverständliche Antwort. „Sie macht mich ratlos. Eine Sache ist es, die Altstadt in eine Tempo-30-Zone zu verwandeln. In der historischen Altstadt gibt es ohnehin eine Vielzahl von Straßen, auf denen kaum 20 Kilometer pro Stunde erreicht werden können. Um den Fußgängern und Radfahrern eine größere Sicherheit zu gewährleisten, hätte es auch in der Nähe der Schulen genügt, die entsprechenden Straßen mit einigen Geschwindigkeitsschwellen zu versehen“, so die Polizistin.

Facebook/Andrea Colombo

„Auch weil es sich um eine Maßnahme handelt, die nicht flächendeckend angewendet wird, sind viele Autolenker verwirrt. Außerdem ist die Beschilderung nicht immer eindeutig. Manche Straßen, auf denen zunächst Tempo-40 gilt, werden nach einer Bodenschwelle zu einer Tempo-30-Straße. Noch komplizierter wird es, wenn diese dann eine weitere Straße kreuzt, wo eine zugelassene Höchstgeschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde herrscht. Ich lächle, wenn ich den Bürgermeister sagen höre, dass man nicht auf den Tacho schauen muss, sondern sehen soll, ob wir mit dem Telelaser auf der Straße stehen“, so die Beamtin.

Polizia locale Milano

„In den letzten 15 bis 20 Jahren hat die Stadtpolitik unter Sicherheit vor allem den Kampf gegen die Kleinkriminalität verstanden, dabei aber vergessen, die Verkehrssicherheit ins Auge zu fassen. Weil sie uns für andere Dienstleistungen herangezogen haben, hat es immer weniger Geschwindigkeitskontrollen gegeben. Jetzt auf einmal werden wir gezwungen, nutzlose und hysterische Kontrollen durchzuführen“, erklärt die Polizistin, die die Einführung von Tempo-30 sehr kritisch sieht.

Die Beamtin bemängelt auch, dass die Stadtpolizei in den vergangenen Jahren oft als Hilfsorgan für andere Polizeikräfte eingesetzt worden sei. Dies sei geschehen, obwohl die Stadtpolizisten für solche Einsätze nicht ausreichend geschult sind. Um elektrische Roller und Fahrräder verfolgen zu können, mangle es der Stadtpolizei von Bologna zudem an elektrischen Fahrrädern, was laut der Polizistin dazu führe, dass solche Übeltäter nur selten erwischt werden.

Die Frage, warum in den ersten Tagen nur wenige Geldbußen verhängt wurden, beantwortet die Polizistin, indem sie auf die Art der Kontrollen verweist. „Jeder weiß, wo wir stehen. Da 200 Meter vor dem Telelaser ein sogenannter Infovelox (eine elektronische Geschwindigkeitsanzeige, Anmerkung der Redaktion) aufgestellt ist, gelingt es vielen Autolenkern, ihr Fahrzeug rechtzeitig abzubremsen. Es ist daher schwierig, sich ein Bußgeld einzuhandeln“, so die Beamtin.

Die Stadtpolizistin wirft auch einen Blick in die Zukunft. „Ich denke, der Bürgermeister wird irgendwann einige Tempo-30-Bereiche überprüfen und dann mehrere Maßnahmen zurücknehmen. Meiner Ansicht nach wäre es besser gewesen, mit der Einführung dieser Zonen zumindest bis zum Bau der Straßenbahnen zu warten“, meint die Stadtpolizistin.

Mit wirksamen Kontrollen der bisher geltenden Geschwindigkeitsbeschränkungen, die von vielen weiteren Maßnahmen begleitet werden könnten, so scheint es, wäre der Verkehrssicherheit wahrscheinlich mehr gedient als mit der publikumswirksamen Einführung von großen Tempo-30-Zonen.

Von: ka

Kommentare
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Doolin
Doolin
Kinig
3 Monate 5 Tage

…in unseren Dörfern wo tempo 30 ist, kontrolliert niemand…ist lediglich Feigenblatt für Lokalpolitiker…
😄

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Universalgelehrter
3 Monate 5 Tage

Ich weiß nicht, in welchem Land du lebst, aber in Südtirols Dörfen stehen jede Menge Speedboxen, welche auch zwei bis dreimal wöchentlich aktiviert werden. Habe leider auchschon leidvolle Erfahrung💶 in einer 30er Zone machen müssen

Doolin
Doolin
Kinig
3 Monate 5 Tage

@@
…ich zeig dir mal meine Dorfstrasse in einem Ort oberhalb Bozen wo 30 km/ h Schild steht…wenn innerhalb einer Stunde ein Auto siehst, das dies einhält, zahl ich dir ein Liter gueten…
😅

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Universalgelehrter
3 Monate 5 Tage

@Doolin
Du siehst zwar dass die Autolenker zu schnell fahren, aber nicht wie viel sie später zahlen.

World
World
Superredner
3 Monate 5 Tage

In unserem Ort hat Tempo 40 dazu geführt, dass die Autofahrer nun ein aggressiveres Fahrverhalten zu Tage legen. Diejenigen, welche sich an die Begrenzung halten, werden bei jeder Gelegenheit durch zum Teil gefährlichen Manöver überholt.
Die Einheimischen kennen die Stellen ja, wo ein Blitzer stehen könnte.
Und ich habe sogar vollstes Verständnis dafür. Denn wer nicht gerade in Urlaub oder in Rente ist hat verständlicher Weise keine Lust täglich auch mehrmals gemütlich hinter solchen Krichern durch die Gegend hinterher zu gondeln.

Faktenchecker
3 Monate 5 Tage

Was ist eine hysterische Kontrolle?

Faktenchecker
3 Monate 5 Tage

Was ist eine hysterische Kontrolle?

World
World
Superredner
3 Monate 4 Tage

Hysterisch bedeutet “übertrieben, mehr als notwendig”, also bedeutet es: übertriebene, mehr als notwendige Kontrolle.

Kasknedel
Kasknedel
Tratscher
3 Monate 5 Tage

Ich glaube, kein vernünftiger Autofahrer hat etwas gegen eine Tempo-30-Zone vor einer Schule, einer KiTa oder vor dem Krankenhaus. Aber die ganze Stadt zur 30er Zone zu erklären macht einfach keinen Sinn.
Neulich bin ich abends gegen 10 auf der Hauptstraße durch Brixen gefahren. Auch dort Tempo 30. Zusätzlich haben diese Schildbürger Schlangenlinien eingezeichnet. Das ist wirklich eine tolle Idee. In Spitzenzeiten wird so zusätzlicher Stau und außerhalb der Spitzenzeiten weiß man nicht ob der Fahrer betrunken ist, oder sich an der Straßenmarkierung orientiert.

info
info
Universalgelehrter
3 Monate 5 Tage

Gerade die Staatsstraße von Brixen ist ein Vorzeigebeispiel dafür, wie mit wenigen Mitteln der Verkehr für alle flüssiger und sicherer gemacht werden kann.

Tempo 30 verringert die Lärm- und Abgasbelastung und macht den Verkehr für alle sicherer und damit die Straßen für alle nutzbar. Zahlen ja auch alle.

RealistischerIdealist
3 Monate 5 Tage

@info leider weichen viel zu viele über die Nebenstraße von vahrn über das krankenhaus aus – welche ausschließlich von dort von anrainern gentutz werden darf/sollte, kontrolliert aber keiner u wenn, gibt es nur verwarnungen… viel zu lasch die strafen! U die leute in der heutigen zeit machen wie sie wollen u beschweren sich dann auch noch wenn sie eine strafe erhalten…

traktor
traktor
Kinig
3 Monate 5 Tage

@info
ja genau , brixen bei den stadtzufahrten… hausgemachtes stauproblem, seit man nicht mehr über die strasse zugbahnhif fahren darf…. solche strategen gehören sofort ausgetauscht….

info
info
Universalgelehrter
3 Monate 5 Tage

1.) was willst denn am “zugbahnhif”?
2.) den Peter habt ihr jetzt ja im Land, wünsche fröhliches Betonieren!

Chrys
Chrys
Universalgelehrter
3 Monate 5 Tage

Diese geringere Lärm- und Abgasbelastung wird immer angeführt aber für mich völlig unverständlich. Wollte ich wirklich die Lärm- und Abgasbelastung bekämpen dann müssen wir nur die älteren Autos aus den Verkehr ziehen.
Zudem Tempo 30 fährt man zumeist im 2. Gang da es der 3. fast nicht schafft, tempo 50 kann ich mindestens mit dem 3. oder fast schon 4. Gang fahren, was den Benzinverbraucht deutlich senkt. Der Motor macht in beiden Situationen den selben Lärm und die Rollgeräusche sind bei dieser Geschwindigkeit zu übersehen.

Chrys
Chrys
Universalgelehrter
3 Monate 5 Tage

man muss aber auch sagen, dass sich bald vor lauter Einschränkungen und Verboten bald keiner mehr auskennt. Wir wollen einfach alles per Gesetz regeln und sehr viele Regeln sind einfach willkürlich und von wenigen nachvollziehbar.

der echte Aaron
der echte Aaron
Universalgelehrter
3 Monate 5 Tage

Tempo 30 gehört verboten, aus direkt vor Schulen, Altersheime, Kindergarten. 50km/h ist langsam genug!!!

Faktenchecker
3 Monate 5 Tage

Was ist eine hysterische Kontrolle?

info
info
Universalgelehrter
3 Monate 5 Tage

Weiß ich auch nicht. Aber Kommentare gelten als hysterisch, wenn mehr als 2 Rufezeichen am Ende stehen…

Homelander
Homelander
Universalgelehrter
3 Monate 5 Tage

I tat is Auto frisch schiabm, nua samo “gonz Sicho”untowegs, hota gsog😂

kaisernero
kaisernero
Universalgelehrter
3 Monate 5 Tage

Des torf man sich nimmer gfollen lossn, wos zu weit geat geat zu weit!! Insere gewaehltn, supergscheidn politiker orbeitn todsoche gegen volk, nimmer fuer ihm!! Do muass man schun gach aufstean und die goschn off tean

info
info
Universalgelehrter
3 Monate 5 Tage

wenn gach genua aufschteasch, kimmsch a mit 30 rechtzeitig auf die orbeit, gscheider!

Sosonadann
Sosonadann
Superredner
3 Monate 5 Tage

@kaisernero Ja, wir wollen das Römische Reich und Kaiser Nero zurück!

traktor
traktor
Kinig
3 Monate 5 Tage

diese politiker in bologna haben wohl ihre letzte amtszeit….

der echte Aaron
der echte Aaron
Universalgelehrter
3 Monate 5 Tage

@Traktor
Ich hoffe sehr, sonst machen das noch mehrere Spinner !!!

Chrys
Chrys
Universalgelehrter
3 Monate 5 Tage

Man soll eine Volksabstimmung machen und dann soll die Mehrheit entscheiden.

Chrys
Chrys
Universalgelehrter
3 Monate 5 Tage

Auch das mit dem Tempo 30 vor den Schulen ist kritikwürdig. Da gefällt mir die Bozner Lösung, wo diese Schulstraßen zu gewissen Zeiten völlig geschlossen sind, schon viel besser und wo an jeder Kreuzung ein “nono vigile” steht. Es hilft wenig wenn am Sonntag oder im August oder in der Nacht vor einer Schule das Tempo 30 kontrolliert wird. Die schweren Unfälle in Bozen passieren unter Tempo 30, meistens an Kreuzungen.

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