Kühlwasser der Atomruine Fukushima wird ins Meer geleitet

Ableitung von Fukushima-Kühlwasser soll Donnerstag starten

Dienstag, 22. August 2023 | 15:53 Uhr

Von: APA/dpa

Ungeachtet großer Sorgen unter Fischern und Nachbarstaaten beginnt Japan mit der umstrittenen Einleitung aufbereiteten Kühlwassers aus der Atomruine Fukushima ins Meer. Die Verklappung soll am Donnerstag beginnen, sofern das Wetter mitspielt. Das entschied das Kabinett von Premier Fumio Kishida am Dienstag. Kishidas Regierung argumentiert, dass auf dem Gelände der Atomruine der Platz zur Lagerung des Kühlwassers ausgehe und dadurch die Stilllegungsarbeiten behindert würden.

Der Betreiberkonzern Tepco will in dem noch bis Ende März nächsten Jahres laufenden Geschäftsjahr insgesamt 31.200 Tonnen des aufbereiteten Kühlwassers in vier Schüben ins Meer ableiten, berichtete die japanische Tageszeitung “Asahi Shimbun”. Dies entspreche in etwa dem Inhalt von 30 der über 1000 Tanks, hieß es. Japans Fischereiverbände äußerten bis zum letzten Tag ihre entschiedene Ablehnung. Auch Umweltschützer und Nachbarn wie China übten Kritik.

Im AKW Fukushima Daiichi war es im März 2011 in Folge eines schweren Erdbebens und gewaltigen Tsunamis zu Kernschmelzen gekommen. Die Reaktoren müssen weiter mit Wasser gekühlt werden, das in mehr als 1.000 riesigen Tanks gelagert wird. Doch nun geht der Platz dafür nach Angaben des Betreiberkonzerns Tepco aus. Zudem drohe eine langfristige Lagerung auf dem Gelände die Stilllegungsarbeiten an der Atomruine zu behindern. Auch bestehe das Risiko von Lecks, hieß es.

Daher sollen die mehr als 1,3 Millionen Tonnen Wasser über einen eigens hierzu in den Pazifik gebauten, einen Kilometer langen Tunnel ins Meer geleitet werden. Dies wird voraussichtlich etwa 30 Jahre in Anspruch nehmen. Vor der Verklappung im Pazifik wird das belastete Kühlwasser zunächst aufbereitet. Das Filtersystem kann allerdings das radioaktive Isotop Tritium nicht herausfiltern. Tepco will das Wasser daher so weit verdünnen, dass die Tritiumkonzentration auf 1.500 Becquerel pro Liter sinkt, was weniger als einem Vierzigstel der nationalen Sicherheitsnorm entspreche.

Japans Atomaufsichtsbehörde hatte kürzlich grünes Licht gegeben. Zuvor hatte auch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) den Verklappungsplänen zugestimmt. Japan erfülle die internationalen Sicherheitsstandards. Die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt seien “vernachlässigbar”, befand die IAEA. Fachleute verweisen darauf, dass Atomkraftwerke in aller Welt schon seit Jahrzehnten routinemäßig belastetes Kühlwasser ins Meer ableiten. Japans Fischereiverbände befürchten jedoch, dass der Ruf ihrer Erzeugnisse weiter beschädigt wird. Sie versuchen, sich seit dem Super-Gau geschäftlich zu erholen.

“Wir sind zutiefst enttäuscht und empört über die Ankündigung der japanischen Regierung, radioaktiv belastetes Wasser in den Ozean zu leiten”, sagte Hisayo Takada von der Umweltschutzgruppe Greenpeace Japan. Die Regierung habe sich über die Bedenken von Fischern, Bürgern und der internationalen Gemeinschaft, insbesondere in der Pazifikregion und den Nachbarländern, hinweggesetzt. “Anstatt die Mängel des aktuellen Stilllegungsplans, die andauernde Atomkrise und den massiven Bedarf an öffentlichen Mitteln anzuerkennen, beabsichtigt die japanische Regierung, weitere Atomreaktoren wieder in Betrieb zu nehmen”, erklärte Greenpeace in einer Stellungnahme.

Auch Global 2000 verurteilte “aufs Schärfste die politisch motivierte Fehlentscheidung der japanischen Regierung, das radioaktiv belastete Fukushima-Kühlwasser über Jahrzehnte in den Pazifik abzupumpen”. Alternative Ansätze wie die Lagerung in Großtanks oder Verfestigung seien nicht geprüft, genauso wenig wie die langfristigen Folgen der radioaktiven Verseuchung, kritisierte Reinhard Uhrig, Anti-Atom-Sprecher der Umweltorganisation und forderte die österreichische Bundesregierung auf, “auf diplomatischem Weg scharfen Protest gegen das Vorgehen Japans einzulegen, das einen gefährlichen Präzedenzfall für den Umgang mit radioaktiven Stoffen setzen würde”.

Einen “Skandal” ortete der Grüne Anti-Atom-Sprecher Martin Litschauer, weil die “japanische Regierung, die Entscheidung über die Einleitung von mehr als einer Million Tonnen Kühlwasser in den Pazifik der internationalen Atomenergiebehörde (IAEA)” überlasse. “Die IAEA ist keine unabhängige Organisation, sondern setzt sich für die Nutzung von Atomenergie ein und ist daher kein adäquates wissenschaftliches Gremium, um diese weltweit relevante Entscheidung zu treffen”, kritisierte Litschauer. Er forderte, dass die EU die Einfuhrbeschränkungen von Fisch aus Japan wiedereinführen müsse.