Von: ka
Bozen – Ausführungen von Landesrätin Hochgruber Kuenzer; Minderheitenberichte von Grünen und Demokratischer Partei – Bürgerlisten
Am heutigen Donnerstagnachmittag wurde mit der Behandlung des Landesgesetzentwurfs Nr. 135/23 Änderungen des Landesgesetzes vom 10. Juli 2018, Nr. 9, „Raum und Landschaft“ (vorgelegt von der Landesregierung auf Vorschlag der Landesrätin für Raumordnung, Landschaftsschutz und Denkmalschutz Maria Magdalena Hochgruber Kuenzer) begonnen: Wie es im Begleitbericht der Einbringerin heißt, werden mit dem LGE Änderungen am Landesgesetz „Raum und Landschaft“ von 2018 vorgeschlagen, „die dazu beitragen sollen, die Lesbarkeit und die Anwendbarkeit des Gesetzes zu erleichtern. Neben verschiedenen technischen Korrekturen sollen die Änderungen die operative Koordinierung mit dem Gesetz für Wohnbauförderung sowie die Umsetzung der Bestimmungen über die mit diesem Gesetz neu eingeführten ‚Wohnungen mit Preisbindung‘ ermöglichen.“
Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer erinnerte bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs Nr. 135/23 im Plenum daran, dass das Gesetz die Bereiche Raum und Landschaft zusammengeführt habe. Alle hätten mit dem alten Gesetz bis 2020 gearbeitet, obwohl das neue Gesetz bereits genehmigt war. Dann habe es von einem Tag auf den anderen geheißen, nun sei das neue in Kraft – man habe sich dann gefragt, wie es angegangen werden solle. Es habe im Gesetz geheißen, die Gemeinden erstellen ein Gemeindeentwicklungsprogramm – aber wie das genau erfolgen soll, sei nicht festgelegt gewesen. Die 80 Prozent Finanzierung durch das Land seien ein Novum gewesen. Man habe die Gemeinden inzwischen auf einer Ebene, dass diese sagten, man werde zusammenarbeiten. Man sei in einer Zeitepoche angekommen, wo alle Gemeinden sich aufstellten, ihr Gemeindeentwicklungsprogramm zu erstellen – auch wenn nicht alles am Schnürchen verlaufe, dafür brauche es Verständnis. Die wichtigen Änderungen, die es nun brauche, seien einmal das Wohnen mit Preisbindung: Es sei notwendig gewesen, die Voraussetzungen dafür in Hinblick auf das neue Gesetz zu schaffen. Wohnung mit Preisbindung bedeute auch, dass man nachschaue, wo bereits verbaut sei, dass der Planungsmehrwert in den Quadratmeterpreis der Wohnung einfließe. Viele, die nicht um eine geförderte Wohnung ansuchen könnten, hätten nun eine Möglichkeit, zu einer leistbaren Wohnung zu kommen. Die Preisbindung bestehe in einer Konvention zwischen Gemeinde und Eigentümer, durch die die Gemeinde Auflagen stellen könne. Die Preisbindung sei auch für kleine Wohnungen interessant, und dadurch würde man z.B. jungen Menschen nicht allzu früh an einen Ort binden. In diesem Sinne sei auch die Möglichkeit des Mietkaufs zu sehen. Mit dem entsprechenden Art. 40 versuche man, ansprechende Möglichkeiten für Wohnungssuchende zu schaffen; man werde sehen, wie das angenommen werde. Der Artikel betreffe auch den Leerstand, den die Gemeinden erheben müssten. Es sei ein wirtschaftlicher Vorteil, wenn der Baugrund nicht enteignet werden müsse. Der Planungsmehrwert werde kompensiert. Der Termin für die Erstellung des Gemeindeentwicklungsprogramms sei in den vergangenen Tagen oft diskutiert worden. Dieser Termin sei für die Gemeinden zu knapp angelegt, da zuerst eine Reihe von Voraussetzungen zu schaffen sei.
Die vorliegende, abermalige Überarbeitung des Gesetzes „Raum und Landschaft“ beende die XVI. Legislaturperiode mit einer Bankrotterklärung, bemerkte Riccardo Dello Sbarba (Grüne) in seinem Minderheitenbericht zum LGE 135/23. Diese Reform mache jegliche Frist, innerhalb derer die Gemeinden zumindest einen ersten Entwurf des „Gemeindeentwicklungsprogramms für Raum und Landschaft“ hätten verabschieden sollen, endgültig zunichte. Ohne Frist aber würden die Gemeinden diesen nun verabschieden können, wann sie wollen – oder auch gar nicht. Das Hauptziel des Gesetzes, eine neue Gemeindeplanung einzuleiten, sei nicht erreicht worden. Durch die Abschaffung der Frist seien alle Gemeinden plötzlich wieder im “grünen Bereich”. Als zweiten Punkt hob der Abgeordnete die Wohnungen mit Preisbindungen hervor und fragte, ob es sich dabei um einen öffentlichen oder privaten Ansatz handle. Das Kapitel zu den Wohnungen mit Preisbindung sei das Herzstück des Gesetzentwurfs, denn bisher sei der entsprechende Artikel nichts als ein Platzhalter gewesen. In den Regierungsparteien finde seit einigen Jahren eine schleichende und nie ganz offen ausgetragene Auseinandersetzung zwischen zwei unterschiedlichen Denkrichtungen statt. Auf der einen Seite stünden jene, die möchten, dass eine starke öffentliche Intervention weiterhin darauf abziele, das Recht auf Wohnen zu gewährleisten, wobei die politischen Maßnahmen im Bereich leistbares Wohnen und sozialer Wohnbau jedoch den Veränderungen auf dem Markt und in der Gesellschaft anzupassen seien. Auf der anderen Seite stünden jene, die der Meinung seien, dass die öffentliche Hand und die Wohnzuschüsse bei über 13.000 Wobi-Wohnungen und einer Wohnungseigentümerquote der Familien von 75 Prozent erreicht habe, was erreicht werden sollte, nun müsse ein anderer Weg eingeschlagen werden. Dies, indem dem Privatmarkt mehr Freiraum geben und sichergestellt werde, dass der Markt durch ein System aus Förderungen und Beschränkungen einen Teil der Wohnungen nun selbst Bedürftigen zu bezahlbaren Preisen anbiete. Es handle sich hierbei um ein Dilemma, eine offene Debatte darüber täten Politik und Gesellschaft gut. Man müsse sich jedoch eingestehen, dass die Lage katastrophal sei: Noch nie seien die Preise auf dem Südtiroler Immobilienmarkt so hoch gewesen, wie in diesen fünf Jahren der Verkündungen zum „leistbaren Wohnen“. Im vorliegenden Gesetzentwurf ziehe sich das Thema des Wohnens durch vier grundlegende und miteinander verknüpfte Artikel, die vollständig überarbeitet worden seien: Zunächst lege der Artikel 19 zum „Planungsmehrwert“ fest, welcher Anteil des dank der Nutzungsänderung erzielten Mehrwerts vom Privateigentümer an die öffentliche Hand abgegeben werden müsse – bisher liege dieser etwa bei 30 Prozent des Marktwerts. Das sei, verglichen mit den beispielsweise in München geltenden 50 Prozent, wenig. Artikel 24 lege indes fest, wie die Aufteilung der Baumasse und der Flächen in den neuen Wohngebieten mit Mischnutzung zu erfolgen habe; der Artikel 39, der die Bindung für Wohnungen für Ansässige regele, um ihr Recht auf eine Erstwohnung zu gewährleisten; und schließlich der Artikel 40, der sich mit den Wohnungen mit Preisbindung befasse. Mit zwei Änderungsanträgen schlagen die Grünen in diesem Bereich alternative Lösungen für die Städte vor: Zum einen wird vorgeschlagen, dass das Kriterium der Vermietung von mindestens 50 Prozent der Wohnungen mit Preisbindung in den 21 Gemeinden Anwendung findet, die von der Landesregierung als „Gemeinden mit Wohnungsnot“ eingestuft wurden, und zwar im Sinne einer Anpassung der Immobiliensteuer. Mit dem zweiten Änderungsantrag, als Alternative zum ersten, werde vorgeschlagen, dass dieses Kriterium zumindest für die Landeshauptstadt angewandt wird, wo die Wohnungsnot besonders groß sei und deren Bedürfnisse laut Gesetz „Raum und Landschaft“ besonders berücksichtigt werden sollen. Als dritten Punkt hob Dello Sbarba schließlich noch die Bindung für Ansässige hervor. Im Gesetzentwurf fänden sich dazu Detailbestimmungen, die insgesamt zur Entbürokratisierung der Verfahren beitragen sollen und vom Gemeindenverband, der in der Ausarbeitung dieses Gesetzentwurfs sicherlich eine federführende Rolle innegehabt habe, mit Nachdruck eingefordert wurden. In manchen Fällen handele es sich um nützliche Vereinfachungen, andere hingegen muteten wie ein großzügiges Entgegenkommen zugunsten von Privatinteressen an. Dazu wolle er insbesondere ein Beispiel nennen: Im heiklen Bereich der Ansässigen vorbehaltenen Wohnungen werde eine Art „Flat Tax“ eingeführt, also eine „Pauschal-Sanktion“ anstelle von Strafen, die der Schwere und Dauer des Vergehens entsprechen würden. Nun müsse am Ende der Legislaturperiode die Frage gestellt werden, welche Zielvorgaben des Gesetzes „Raum und Landschaft“ erreicht werden konnten: Das leistbare Wohnen? Die Gemeindeentwicklungspläne? Die Einschränkung des Bodenverbrauchs? Eine geringere Belastung durch den Tourismus? Die Bekämpfung der Immobilienspekulationen? Die Verkehrsberuhigung? Mehr Rechtssicherheit? Man hoffe, dass die Landesregierung eines Tages eine ernsthafte Bilanz zu all diesen Zielsetzungen vorlegen werde, mit konkreten Daten und Fakten und nicht mit leeren Worten über die zukünftige Nachhaltigkeit. Damit diese Bilanz positiv ausfallen könne, müsse der vorliegende Gesetzentwurf verbessert werden. Der Landtag habe dies in der Hand. In diesem Sinne plädierte der Abgeordnete für die Beibehaltung der Fristen für die Gemeindeentwicklungspläne und des Vorrangs der öffentlichen Maßnahmen im Bereich Wohnen, ebenso wie für die Schaffung der der Voraussetzungen für die Gründung von Genossenschaften mit ungeteiltem Eigentum und für Mietwohnungen mit Preisbindung, vor allem in den Städten mit Wohnungsnot. Zudem solle dafür gesorgt werden, dass sich die Bußgeldbeträge weiterhin nach der Schwere des Verstoßes richten, dass die den ansässigen Familien vorbehaltenen Wohnungen gewahrt und Verstöße aus Ertragsgründen in touristisch entwickelten Gebieten wirksamer geahndet werden. Damit würde diese Legislaturperiode nicht mit einer Bankrotterklärung beendet werden.
In seinem Minderheitenbericht zum Gesetzentwurf wies Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten), dass dieser nichts anderes ist als eine weitere Änderung am Landesraumordnungsgesetz von 2018, von denen es in den vergangenen fünf Jahren Dutzende gegeben habe. In dem zur Diskussion stehenden Dokument liege der Schwerpunkt vor allem auf den Bestimmungen über die „Wohnungen mit Preisbindung“, aber es fehle eine Strategie, wonach sich die öffentliche Politik gegenüber den derzeitigen Systemen aus den 1970er- und 1980er-Jahren neu ausrichten könnte, die auf der Unterstützung von Familien beim Zugang zu Eigentumswohnungen, einem öffentlichen Wohnungsangebot und der anschließenden Unterstützung der privaten Vermietung durch den „Mietbeitrag“ basierten. Die Wohnungskrise heute sei auf das begrenzte Angebot an Mietwohnungen und die hohen Mieten sowie die unerschwinglichen Kaufpreise zurückzuführen. Alles lasse sich auf den Anstieg der Grundstückspreise zurückführen. Der wichtige Punkt Miete fehle im Gesetzentwurf; dessen Ausklammerung sei ein Beweis für die Vogel-Strauß-Politik gegenüber der Realität in den Städten, wo die Förderung und Innovation dieses Instruments mit Nachdruck gefordert werde, und für die Tatsache, dass die Probleme von heute weiterhin mit veralteten Lösungen angegangen würden. Der Abgeordnete wies auch auf die Reduzierung der Strafen für diejenigen hin, die nicht in den Genuss des Artikels 30 dieses Gesetzentwurfs kämen: Diese sinken von maximal 45.000 Euro auf 5.000 Euro – dies sei ein echter Hohn! Repetto erinnerte an eine „positive Erfahrung“ zwischen den Gemeindeverwaltungen, der Landesverwaltung und den wichtigsten Genossenschaften, um nach dem von Altlandesrat Benedikter verhängten Baustopp der dringenden Nachfrage der Mittelschicht nachzukommen. Dieser Weg der intensiven Zusammenarbeit könne auch nun wieder beschritten werden. Wenn die Preisbindung eine Teillösung sei, warum gebe es dann keine Förderungen für die Genossenschaften? Die Antwort auf die Wohnungsfrage besteht in einer Summe von Vorschlägen, die die öffentliche Verwaltung ermitteln und durch Gesetzesvorschläge fördern müsse, es müsse ein neues Entwicklungsmodell gefunden werden. Das Recht auf Wohnraum, ob in Eigentum oder in Miete, müsse durch die Rationalisierung der Leerstände in den Städten, die Aufwertung öffentlicher Bausubstanz und Anreize für den Privatsektor durch neue städtebauliche Regelungen mit sozialer Funktion, die den Besonderheiten der Gesellschaft Rechnung trage, erfüllt und gewährleistet werden. Jeder habe ein Recht auf Wohnen, sei es in Miete, sei es im Eigentum. Doch sehe dieses Gesetz dies vor?
Die Arbeiten im Plenum werden am morgigen Freitag, 12. Mai, ab 10 Uhr fortgesetzt.