Swetlana Tichanowskaja umarmt ihren Mann Sergej nach der Freilassung

Belarus: Oppositioneller Tichanowski aus Haft entlassen

Samstag, 21. Juni 2025 | 22:21 Uhr

Von: APA/dpa/AFP/Reuters

Der belarussische Oppositionsführer Sergej Tichanowski ist aus dem Gefängnis entlassen worden. Tichanowski (46) kam mit 13 weiteren politischen Gefangenen frei. “Der Präsident hat beschlossen, 14 Verurteilte zu begnadigen”, erklärte die Sprecherin des autoritär regierenden Präsidenten Alexander Lukaschenks, Natalija Eismont, am Samstag der russischen Nachrichtenagentur TASS. “Es war eine Anfrage des Präsidenten der Vereinigten Staaten”, fügte sie hinzu.

Die Amnestie erfolgte offenbar im Zusammenhang mit dem Besuch des US-Sondergesandten Keith Kellogg, der am Samstag in Minsk den autoritären Präsidenten Alexander Lukaschenko getroffen hatte. Die Gespräche drehten sich laut Diplomaten um die “politische Weltlage” sowie um eine friedliche Lösung für Russlands Angriffskrieg in der Ukraine, aber auch um die bilateralen Beziehungen zwischen den USA und Belarus. Die Amnestie ging auf ein Abkommen des US-Gesandten Kellogg mit Belarus zurück, teilte wiederum ein Sprecher des litauischen Ministerpräsidenten am Samstag mit. Auch Litauens Außenminister Kestutis Budrys bekräftigte im Onlinedienst X, die Rolle der USA bei der Freilassung sei “entscheidend” gewesen.

Alle 14 Freigelassenen “wohlbehalten” in Vilnius

Ein weiterer prominenter Freigelassener sei der Journalist Igor Karnej (Radio Free Europe), berichtete das unabhängige Internetportal “Nascha Niwa”. Laut der NGO Wjasna waren auch eine Universitätsprofessorin und ein Geschäftsmann darunter.

Alle 14 Freigelassenen befänden sich inzwischen “wohlbehalten” in Litauen, hieß es. Nach litauischen Angaben haben fünf die Staatsbürgerschaft von Belarus. Zudem gehe es um drei Personen aus Polen, zwei aus Litauen, zwei aus Japan, eine aus Estland und eine aus Schweden. Dabei handelte es sich um die schwedisch-belarussische Staatsbürgerin Galina Krasnianskaja, die 2023 wegen des Vorwurfs der Unterstützung der Ukraine festgenommen wurde, wie der schwedische Regierungschef Ulf Kristersson bekanntgab.

Tichanowski war im Mai 2020 festgenommen worden. Er wollte bei der wenige Monate später stattfindenden Präsidentschaftswahl gegen Machthaber Alexander Lukaschenko antreten. Ein Gericht verurteilte Tichanowski in Folge 2021 zu 18 Jahren Haft.

Betrugsvorwürfe rund um Wahl im August 2020

Seine ebenfalls in der Opposition engagierte Ehefrau Swetlana Tichanowskaja veröffentlichte ein Video ihres lächelnden Mannes, der sie nach seiner Freilassung umarmt. In großen Buchstaben stand dabei: “FREE” (Frei). Tichanowskaja dankte US-Präsident Donald Trump und der EU für die Unterstützung zur Freilassung ihres Mannes.

“Es ist schwer, die Freude in meinem Herzen zu beschreiben”, schrieb Tichanowskaja bei X. Auf ihrem Telegram-Kanal hieß es mit Blick auf ihren Mann: “Er ist bei mir, zusammen mit den Kindern. Unsere Familie hat fünf Jahre lang davon geträumt, und wir alle haben seit seiner Verhaftung darauf hingearbeitet”. Zugleich forderte sie die Freilassung aller “1150 politischen Gefangenen” in Belarus.

Nach seiner Inhaftierung war seine Frau Swetlana an seine Stelle gerückt und hatte den Präsidenten als Kandidatin herausgefordert. Trotz massiver Betrugsvorwürfe wurde Lukaschenko nach der Wahl im August 2020 offiziell zum Sieger erklärt.

Dies löste beispiellose Massenproteste aus. Sie wurden gewaltsam niedergeschlagen, tausende Regierungskritiker wurden festgenommen oder flohen ins Exil. Auch Swetlana Tichanowskaja floh aus ihrer Heimat und kämpft seither unermüdlich aus dem Exil für Demokratie in Belarus, gegen Lukaschenko und für die Freilassung ihres Mannes.

“Das sind fantastische Nachrichten und es ist ein starkes Symbol der Hoffnung für alle politischen Gefangenen, die unter dem brutalen Lukaschenko-Regime leiden”, schrieb ihrerseits EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in dem Onlinedienst.

Meinl-Reisinger: “Es ist noch nicht vorbei!”

Österreichs Außenministerin Beate Meinl-Reisinger kommentierte auf “X”: “Was für ein starkes und hoffnungsvolles Signal! Die Freilassung des belarussischen Oppositionsführers Sergej Tichanowski und 13 weiterer politischer Gefangener zeigt: der Einsatz für Freiheit lohnt sich. Doch es ist noch nicht vorbei – viele bleiben weiterhin in Haft (…). Österreich steht fest und solidarisch an der Seite der Menschen in Belarus.”

Der deutsche Außenminister Johann Wadephul nannte die Freilassung Tichanowskis auf X eine “fantastisch gute Nachricht”. Zugleich würden die vielen anderen Gefangenen in Belarus nicht vergessen. “Lukaschenko muss sie endlich freilassen”, schrieb der CDU-Politiker.

US-Sondergesandter Kellogg traf Lukaschenko

Zuvor hatte am Samstag Keith Kellogg, der US-Sondergesandte für die Ukraine, den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko getroffen. “Die ständige Sorge, die wir haben, betrifft eine Krise, die eskalieren und wachsen kann, wenn wir sie nicht vorsichtig und weise angehen”, sagte Kellogg auf einem Video, das die staatliche Nachrichtenagentur BELTA veröffentlichte.

Lukaschenko gilt als enger Verbündeter und Unterstützer von Kremlchef Wladimir Putin. Kellogg ist der ranghöchste US-Politiker, der in den vergangenen Jahren Minsk besucht hat. Viele westliche Länder erkennen Lukaschenko seit der umstrittenen Wahl im Jahr 2020, als er sich zum Sieger erklären und Massenproteste blutig niederschlagen ließ, nicht mehr als rechtlich gewählten Präsidenten von Belarus an.

Westen verhängte Sanktionen gegen Belarus

Wegen Lukaschenkos unerbittlichen Vorgehens gegen die Opposition und wegen seiner Unterstützung des russischen Angriffskriegs in der Ukraine hat der Westen eine Reihe von Sanktionen gegen Belarus verhängt.

Lukaschenko regiert das osteuropäische Land seit 1994 mit eiserner Hand. Im Jänner hatte er sich erneut zum Präsidenten wählen lassen – es ist seine siebente Amtszeit. Sein Land ist politisch und wirtschaftlich von Russland abhängig.

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