Von: mk
Bozen – Im Frühjahr 2024 startete das Projekt Blumenwiesen, gestern fand die erste große Standortbestimmung statt. Zahlreiche Referentinnen und Referenten erzählten vor großem Publikum über das bisher Erreichte und wagten einen Blick in die Zukunft.
Elisabeth Ladinser und Hanspeter Staffler eröffneten als Vorsitzende und Geschäftsführer des Dachverbands für Natur- und Umweltschutz die Tagung, die einen ersten umfassenden Blick auf das Projekt Blumenwiesen warf. Dabei geht es um die Schaffung von artenreichen Blumenwiesen in Siedlungsräumen als wichtiger Lebensraum für Bestäuberinsekten und viele andere gefährdete Tiere, aber auch als Farbklecks in Betonwüsten. „Ein Projekt für das Herz und den Verstand“, wie Ladinser sagte.
Das Projekt hat bereits jetzt alle Erwartungen übertroffen. Anfangs hoffte man auf 10.000 Quadratmeter Blumenwiesen, Stand heute sind es bereits 22.500 Quadratmeter in 36 Gemeinden, und es stoßen immer neue Partner zum Projekt dazu. „Wir geben der Natur Raum“, sagte Staffler.
Angelika Mayr Fischnaller von der Stiftung Südtiroler Sparkasse, die das Projekt ideell und finanziell stark unterstützt, lobte die „bunten Flecken voller Leben in der Landschaft. Wir sehen, dass wir etwas bewirken können.“ Andreas Schatzer, Bürgermeister von Vahrn und bis vor kurzem als Präsident des Gemeindenverbands ein weiterer wichtiger Unterstützer des Projekts, berichtete über die Schaffung von Blumenwiesen in seiner Heimatgemeinde, die gemeinsam mit den Grundschülern gestaltet worden waren, und warb um Geduld: „Man sieht das Ergebnis halt nicht sofort, aber es wird!“
Biologe Andreas Hilpold vom Institut für Alpine Umwelt von Eurac Research sprach über die Bedeutung der Blumenwiesen, auch im Hinblick auf den Rückgang der Biodiversität und das gegenwärtige sechste Massenaussterben. Dabei leisten Insekten einen unerlässlichen Dienst für die Bestäubung vieler, auch landwirtschaftlich bedeutender Pflanzen.
Mehrere Initiativen in Südtirol stellten ihre Arbeit in diesem Bereich vor. Tanja Mimmo von der Universität Bozen berichtete über ihr Forschungsprojekte zur Bodenqualität, das auch Apfelanlagen in Südtirol umfasst, als Teil von 15.500 Böden in Europa, die auf Biodiversität und Schwermetalle untersucht werden.
Elena Wilhelm vom Versuchszentrum Laimburg berichtete über die Produktion von Saatgut regionaler Wildpflanzen. Die Samen von 36 Arten werden gesammelt, im Gewächshaus und im Freiland gesetzt, dann die Samen geerntet, getrocknet, gereinigt und gelagert.
Urban Rinner von der Bezirksgemeinschaft Vinschgau berichtete über die Erfahrungen mit dem Projekt Blühender Vinschgau, bei dem ebenfalls Blumenwiesen angelegt werden. Thomas Trienbacher von Alperia stellte das Projekt Biodiversität vor, bei dem Grünflächen bei Stauseen und Umspannwerken ausgewählt und mittels Mahdgutübertragung in Blumenwiesen verwandelt werden. Bisher wurden 14.200 Quadratmeter solcher Flächen in sechs Standorten zwischen Vinschgau, Burggrafenamt und Überetsch-Unterland realisiert.
Roland Furgler von Raiffeisen Ethical Banking berichtete über das Projekte Bee Save, eine Geldanlage als Schutzprojekt für Bienen und Geld. Ein brachliegendes Grundstück in Kaltern wurde 2023 mit geringen Eingriffen in eine Wildbienenoase verwandelt, mit Sandplätzen, Totholz, Wasserflächen und Insektenhotels.
Projektkoordinatorin Viola Ducati berichtete über die erfolgreiche Projektarbeit, über die Produktion von einheimischem Saatgut, die Anlage der Blumenwiesen, die Beteiligung der Bevölkerung und die so wichtige Sensibilisierungsarbeit: „Nur wer versteht, dass Blumenwiesen Zeit brauchen, um ihre Schönheit zu entfalten, und dass Natur nicht immer sauber und ordentlich sein muss, wird das Projekt mittragen“.
Weitere praktische Beispiele brachten Lukas Neuwirth und Oriana Sturiale vom Zentrum Bildung für nachhaltige Entwicklung des Bildungshauses Neustift, die versuchen, die kommende Generation zu erreichen. „Wir wollen die Kinder dazu bringen, stehenbleiben, zu schauen, zu beobachten, zu verstehen“, sagt Sturiale. Und Neuwirth ergänzte, man wolle Konzepte nicht schulmeisterlich vermitteln, sondern durch konkrete Arbeit, Nähe zur Natur, emotionales Verständnis: „Das hab ich gemacht, ich habe etwas beigetragen, so entsteht ein Gefühl von Zugehörigkeit und Verantwortung. Und man muss die Kinder auch aus ihrer Komfortzone holen, sie sollen die Insekten mal in die Hand nehmen.“
Kathrin Plunger vom Versuchszentrum Laimburg und Kurt Kusstatscher vom Verein Sortengarten Südtirol teilten die Erkenntnisse aus zwei Jahren Projektarbeit: Die Arbeit mit autochthonem Saatgut und Druschmaterial erfordert Vorbereitung, Schulung und Aufmerksamkeit in allen Phasen sowie eine realistische Einschätzung der Erwartungen. Die Ergebnisse sind jedoch deutlich sichtbar – auch in Form einer geringeren Pflegebelastung für die Gemeindebetriebe.
Auch die Gemeinden kamen zu Wort: Anni Schwarz und Andreas Spöttl von der Gemeinde Meran sowie Reinhard Johannes Innerhofer und Hansjörg Niederkofler aus Sand in Taufers berichteten von ihren Erfahrungen: dass es weniger Aufwand war, als erwartet, dass man nicht nur düngen, sondern Erde auch abmagern kann und muss und wie mit Roggen Nährstoffe entzogen wurden. Hansjörg Niederkofler sagte, man habe schon nach kurzer Zeit sehen können, dass die Blumenwiese eine viel größere Artenvielfalt zeigte als die danebenliegenden Äcker und intensiv gemähten Wiesen. „Da ist viel durch die Luft geflogen.“
Gegen Ende der Veranstaltung diskutierten die Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmer an sechs Diskussionstischen, die von Klaudia Resch koordiniert wurden, unter andrem darüber, wie Dörfer und Städte artenreicher werden können und wie man Privatpersonen für Blumenwiesen begeistern kann, und sie versuchten, Handlungsanleitungen für die Zukunft zu formulieren.
Bevor es dann zum wohlverdienten Buffet ging, dankte Tagungsleiter Hanspeter Staffler den vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern. „Das Projekt ist ein großer Erfolg, es wird weitergehen und wir werden weitere Partner einbinden – Gemeinden, aber auch Private.“ Die Blumenwiesen in Südtirol blicken zuversichtlich in die Zukunft!
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