Lab:bz organisiert Gespräch

Bozen: Bürgermeisterkandidaten stellen sich den Fragen der Bürger

Freitag, 18. September 2020 | 17:22 Uhr

Bozen – Wie bereits vor vier Jahren hat nun lab:bz_Stadtlabor Bozen Fragen an die Bürgermeisterkandidaten in Bozen gestellt. Gleichzeitig wurden Maßnahmen eingefordert, welche in ihrer Broschüre „die Stadt ist noch nicht ausverkauft“ aufgelistet waren, welche der Initiative am Herzen liegen und auch in der Euracstudie my_bz eingefordert werden: es geht um konkrete Maßnahmen für alle Stadtviertel, wie etwa Lebens- bzw. Erholungsqualität in den einzelnen Stadtvierteln, Verkehrsberuhigung und Infrastrukturen für die gesamte Stadt, Stärkung des Einzelhandels durch gemeinsames Marketing, Mietsenkung durch Steuersenkung für Geschäfte und Wohnungen Wettbewerbe unter Kreativen und Mitarbeit der Fakultät für Design, Bürgerinitiativen für Aufwertung von Plätzen und Straßen, Altersheime, Pflegeheime und betreutes Wohnen in allen Vierteln sowie Aufwertung und Zusammenführung der Stadtviertel durch kulturelle Angebote (Museumsmeile).

Bürgermeister Renzo Caramaschi wurde gefragt, wie er die Situation der Landeshauptstadt als Zentrum für Bildung, Kultur, Verwaltung und Gesundheit verbessern will. Er wies darauf hin, dass unter seiner Regierung die Provinz endlich ihre Aufgabe und Verantwortung übernommen habe und gemeinsam die Umsetzung durch Planung, Finanzierung und Ausschreibung der wichtigsten Infrastrukturen angegangen worden seien, etwa die Umfahrungsstraße im Süden, Unterführung der Einsteinstrasse und der Rombrücke sowie des Hörtenbergtunnels. Diese Arbeiten sollten in sechs Jahren umgesetzt sein.

Vizebürgermeister und SVP-Kandidat Luis Walcher antwortete auf die Frage nach der möglichen Verbesserung der öffentlichen Räume mit der Aussage, dass Bozen das Talfergrün und die Grünflächen entlang des Eisacks habe, welche von der Stadtgärtnerei gepflegt werden. Man habe auch ein Radnetz von 50 km, das ständig verbessert und sicherer gestaltet wird, da doch ein Drittel der Bewegungen in Bozen mit dem Rad erfolgen und man die Straßen der Innenstadt nur für jene frei halten möchte, die absolut nicht auf das Auto verzichten können (Handwerker, Zulieferer, Kranke etc). Mit der neuen Bauordnung (Frühjahr 2021) sollte die Möglichkeit von überdachten Radabstellplätze bei neuen Gebäuden vorgesehen werden.

Angelo Gennaccaro (Stadtrat für Partizipation) ging auf die Forderung von lab:bz ein, die politischen Stadtviertelräte abzuschaffen und durch city-labs – urban center zu ersetzen, da diese heute bestehenden Strukturen durch politische Vorgaben in ihrer Tätigkeit behindert und von der Bevölkerung nicht akzeptiert würden. Gennaccaro betonte, dass er leider in seinem Vorhaben, die Beteiligung der Bürger am öffentlichen Leben durch offene Begegnungszentren in den einzelnen Vierteln zu stärken und die soziale Struktur der Viertel einzubinden, in dieser Legislatur keine Unterstützung gefunden habe.

Thomas Brancaglion vom Team K wurde gefragt, wie er das Potential Bozens, das die Stadt auch laut my-bz Studie hat, nämlich die kulturelle und sprachliche Vielfalt, nutzen möchte: Er meinte, er setze auf mehrsprachige Schulbildung – auch für Erwachsene. Er ist sich schon bewusst, dass das Thema Schule eine Angelegenheit der Provinz sei, jedoch über zusätzliche Dienste wie Mensa, Freiflächengestaltung und Ähnlichem könnten Vereine und Genossenschaften doch für die sprachliche Vielfalt sorgen. Er meint, die Gesellschaft wäre da bereits einige Schritte der Politik voraus, diese solle über finanzielle Unterstützung eine Unternehmensstruktur für Kultur aufbauen und neue Plätze für spontane Events zur Verfügung stellen.

Um die Situation des Wohnbaues in der Stadt zu verbessern, fordert Maria Teresa Fortini (M5S) fordert, die energetische Sanierungen der Gebäude zu verstärken, Gründächer nicht nur in der Gewerbezone vorzuschreiben, sondern für alle öffentlichen Bauten und besonders darauf zu achten, dass nicht immer wieder Stück für Stück Grünflächen und Bäume verschwinden, sondern für mehr Grün in der Stadt zu sorgen, um gegen die hohe Luftverschmutzung, die es in der Stadt besonders durch die Verkehrsbelastung (Autobahn) gibt, anzugehen. Sie habe auch Angst, dass im neuen ARBO Areal zu wenig Raum für Kinderspielplätze vorgesehen sei. Um die Luftverschmutzung (Frage aus dem Publikum) zu reduzieren, setzt sie auf die City-Maut, um den Privatverkehr von auswärts zu reduzieren.

Aus dem Publikum kamen Fragen zu Räumen für spielende Kinder und zu Klagen einiger Mehrfamilienhäuser über Lärm der Kinder. Die Kandidaten erklärten, dass in den letzten Jahren einige neue Kinderspielplätze entstanden seien, dass es in der neuen Bauordnung mehr Platz für Kinderspielplätze brauche (auch wenn diese höhere Kosten auf die Wohnungspreise mit sich bringen wird) und dass sich die Verwaltung immer dafür eingesetzt habe, dass das Spiel der Kinder nicht durch Polizeieinsätze behindert werde, außer es sei durch Coronavorschriften notwendig gewesen, sondern dass die Höfe der Mehrfamilienhäuser verstärkt als Treffpunkt für Generationen genutzt werden sollten.

Weitere Fragen betrafen die rund 200 bis 250 Obdachlosen, die es in Bozen gibt. Walcher und Caramaschi betonten, dass die Stadtregierung in puncto Sicherheit doch einiges dafür getan habe, auch während der Coronazeit seien in der Messe genügend Plätze vorbereitet worden, aber es gebe immer auch Menschen, die sich nicht integrieren wollen. Ein Abkommen mit der Provinz habe ergeben, dass alle Gemeinden Einwanderer aufnehmen müssen.

Auch zum Bahnhofsareal kam eine Frage: Bei Arbeiten dieser Größenordnung seien immer auch hohe Spesen für Entsorgung von Altlasten wie Asbest vorgesehen. Werde hier Transparenz garantiert? Auch der Bedarf an günstigen Wohnungen werde durch die Vergabe an einen einzigen Investor wahrscheinlich nicht genügend garantiert werden – genauso wenig wie eine Anpassung an zukünftige Stadtentwicklung. Auch die hohe Entschädigung an den Investor (Rendite) bereite den Bürgern Sorge. Hier sehen Caramaschi und Walcher kein Problem, da aus ihrer Sicht das Abkommen, das bereits zwischen Eisenbahn, Provinz und Gemeinde unterschrieben wurde, klar genug sei. Branchalion und Fortini glauben hingegen, dass die Stadt in die Hand von einer Interessengruppe gelange, die damit die Zukunft der Stadt bestimmen werde, ohne dass lokale Unternehmer und Bürger an diesem Aufschwung und an den Veränderung teilnehmen können. Auf die Frage von Lab:bz, weshalb man nicht die Infrastrukturen mit staatlichen „Dopo-Covid-Geldern“ bauen lässt und dann die Entwicklung der Stadt selbst in die Hand nimmt, antwortete Caramaschi, dass er Angst habe, auf diese Weise zu viel Zeit zu verlieren.

Zuletzt gab es noch eine Fragerunde zu verschiedenen Themen: Befürworter einer City-Maut sind Brancaleon und Fortini, während Walcher dagegen ist und Caramaschi sich skeptisch zeigte. Auf die Frage, ob das Archeologiemuseum in der Stadtmitte bleiben, zog nur Brancaglion das Stadtviertel Gries vor.

Bozen als regionaler Flughafen – dieser Punkt wurde die Kandidaten ebenfalls gefragt. Während Walcher dafür ist, sind Brancaglion und Fortini dagegen. Caramschi gab auch zu dieser Frage keine klare Antwort.

Alle Kandidaten waren sich dagegen einig, dass in Zukunft zu wesentlichen Fragen für die Entwicklung der Stadt mehr Bürgerräte einberufen werden sollten.

Dass das Bahnhofsviertel nur von einem Investor neu gestaltet wird, ist für Walcher kein Problem. Laut Caramaschi handle es sich um die falsche Frage. Brancaglion und Fortini sind damit hingegen nicht einverstanden.

Von: mk

Bezirk: Bozen