Von: mk
Bozen – Die Initiative “Be A Reminder”, die für die Bedürfnisse von Kindern und Alleinerziehenden in der Corona-Krise in Südtirol eintritt, kritisiert die von der Provinz Bozen veröffentlichte Broschüre “Conny und Covy”.
Mit dem Comic „Conny & Covy“ sollen Kinder für Sicherheitsmaßnahmen sensibilisiert werden, die jeder einzelne beachten sollte, um Covid-19 vorzubeugen.
Doch nicht alle finden den Ansatz gelungen. Der Brief wurde von 584 Personen unterzeichnet und folgt hier im Wortlaut:
mit Verwunderung haben wir das für Kinder aufbereitete Präventionsmaterial „Conny und Covy“ der Provinz bezüglich der COVID-19-Maßnahmen in den Bildungseinrichtungen gelesen. Die darin zentral postulierten Präventionsstrategien orientieren sich am Prinzip der sozialen Ächtung bei Fehlverhalten, Anschreien, Angst und Schadenfreude. Medizinhistorisch gesehen sind diese Strategien veraltet, entsprechen nicht den gegenwärtigen Prinzipien der Gesundheitsförderung (e.g. der weiterentwickelten „Ottawa Charta“) und zeigen nachweislich weniger Effekt als positiv ausgerichtete, an Schutzfaktoren, Kompetenzen und Ressourcen orientierte Interventionen im gesamtgesellschaftlichen Verständnis von Gesundheit und der verantwortlichen Teilhabe aller.
Zielgruppenorientierte Prävention ist besonders im Kindesalter aus unterschiedlichen Gründen ein komplexes Unterfangen. Zuvorderst gilt dabei jedoch die aktuell geltenden wissenschaftlich fundierten Prinzipien der Pädagogik und des Kinderrechts zu berücksichtigen — diese stehen nicht im Kontrast zu Präventionsmaßnahmen gegen infektiöse Erkrankungen. So kann ein Kind einem anderen Kind trotzdem noch aufhelfen, wenn es etwa am Boden liegt (wie auf einer der Zeichnungen), sofern es sich nach dem Spielen die Hände wäscht. Die Vermittlung zentraler sozialer Werte, gesellschaftsfähigen Verhalten, emotional adäquater Reaktionen und eine gendergerechte Darstellung ist im Rahmen einer Präventionsstrategie gegen jegliche Erkrankung bei Kindern unerlässlich.
Redundant vermittelte Inhalte wirken auf Kinder weniger temporär als nachhaltig prägend. So tun sich insbesondere jüngere Kinder schwer zu unterscheiden, ob eine Maßnahme „nur“ temporär aufgrund einer akuten Gefahr oder als Werte- und Verhaltensnarrativ für eine Gesellschaft gilt. Wir stellen außerdem mit großem Bedauern fest, dass es in den letzten Monaten zu einer Spaltung innerhalb der Gesellschaft gekommen ist und die Diskussionskultur darunter sehr leidet. Voraussetzend, dass die Entscheidungsträger*innen fundierte Kritik von haltlosen Verschwörungstheorien unterscheiden können, scheint uns aus diesen Gründen ein verantwortlicher Umgang mit Präventionsmaterialien oberste Priorität, um weitere Konflikte und Problematiken rund um den Umgang mit COVID-19 in Bildungsinstitutionen zu vermeiden und unsere Kinder und die Pädagog*innen bestmöglichst zu schützen. Ein Zurückziehen der Broschüre, den vernünftigen Einsatz von finanziellen Ressourcen in der Entwicklung und Produktion von Präventionsmaterialien (es könnten z.B. auch bereits erarbeitete und erprobte Materialien unterschiedlicher Institutionen wie des Roten Kreuzes verwendet werden) erachten wir dementsprechend als notwendig.