„Kaum Neues, viel Verwaltung – und einige Tücken“

Das SVP-Wahlgesetz: Fünf Punkte, die den Grünen nicht passen

Freitag, 10. Februar 2017 | 13:35 Uhr

Bozen – Seit dem entfernten 2001 schiebt der Südtiroler Landtag seine ureigenste Aufgabe vor sich her, nämlich ein Landeswahlgesetz für Südtirol zu verabschieden. Seit 2001 sind die beiden Landtage nicht mehr Teile des Regionalrats, vielmehr setzt sich umgekehrt der Regionalrat aus den beiden Landtagen zusammen. Die beiden Landtage werden direkt gewählt und damit ist die Zuständigkeit über die Regelung der Wahl von der Region auf die beiden Länder übergegangen. Darauf wiesen die Landtagsageordneten der Grünen, Brigitte Foppa, Hans Heiss und Riccardo Dello Sbarba, hin.

Das Trentino habe sofort reagiert und sich ein neues Landeswahlgesetz geschneidert. Dort habe man sich für eigene Regelungen entschieden und etwa die Direktwahl der Landeshauptfrau oder des Landeshauptmannes oder die Koalitionsbildung rund um den LH-Kandidaten eingeführt.

In Südtirol, habe man einerseits zwar den Anspruch, „die autonomste Provinz Italiens“ zu sein, war aber bis heute nicht imstande, ein eigenes Landeswahlgesetz zu verabschieden, kritisieren die Grünen.

Deshalb wurde in Südtirol nun schon zwei Mal in der Folge das alte Regionalgesetz aus dem Jahr 1983 aus der Versenkung hervorgeholt, das bereits außer Kraft ist. Beide Male geschah dies, indem in buchstäblich letzter Sekunde ein „technisches Wahlgesetz“ gezimmert wurde. „Ein organisches Wahlgesetz war stets innerhalb der SVP aufgrund innerer Streitereien und Machtansprüche versenkt worden“, erklären die Grünen.

Sepp Noggler, der sich im Hinblick auf die Änderung des Gemeindewahlgesetzes für Bozen als „Finder des gemeinsamen Nenners“ bewährt hatte, hat nun die Arbeiten an einem neuen Gesetz geleitet. Das Gesetz liegt den Grünen nun in einer stark abgemagerten Form vor.

„Bleiben beim Verhältniswahlrecht“

„Die ursprünglichen Vorsätze, die Direktwahl des Landeshauptmanns oder der Landeshauptfrau einzuführen, scheiterten am mangelnden Konsens der Oppositionsparteien, aber auch an SVP-internen Zweifeln. Auch wir Grüne hatten uns gegen die Direktwahl ausgesprochen. Wir sind der festen Überzeugung, dass die Figur des Landeshauptmanns oder der Landeshauptfrau nicht weiter gestärkt werden muss, da sie in Südtirol bereits mächtig genug ist. Im Trentino lässt sich gut beobachten, wie der direkt gewählte Landeshauptmann seine Koalition unter Druck setzen und die einzelnen Teile gegeneinander ausspielen kann. Wir glauben nicht an den ‚starken Mann‘, sondern an die Notwendigkeit, mehr Demokratie, Partizipation und Dialogkultur in die (Landes-)politik zu bringen. Daher ist die Entscheidung, dem Verhältniswahlsystem treu zu bleiben, zu begrüßen – es sei denn, sie wird durch den Passus im „Ladinergesetz“, das bereits die erste Lesung im Parlament überstanden hat, in Zukunft zugunsten von Mehrheitssystemen ausgehebelt. Diese könnten in Zukunft dann möglicherweise bedrohte Vorrangstellungen per Wahlsystem wieder richten“, erklären die Grünen.

Dennoch stellen sie am letztlich vorgelegten Text einige „gravierende Mängel“ fest:

„Schlawinerpassus für die Ladiner“

Der Begleitbericht gehe weitschweifig auf eine neue Notwendigkeit ein, nämlich das letzte Restmandat für eine ladinisch erklärte Person zu reservieren. Damit kann der Fall eintreten, dass etwa kein Ladiner direkt gewählt wird und somit jene ladinisch erklärte Person, die am meisten Vorzugsstimmen (egal auf welcher Liste!) erhält, in den Landtag rückt. Dabei nähme sie aber nicht dem Letztgewählten der eigenen Liste „den Platz weg“ (wie bisher geregelt), sondern, wahrscheinlich eher einer anderen Liste, jener mit dem schwächsten Restmandat“, erklären die Grünen.

„Bekanntlich ist die SVP die Partei, in der am meisten Vorzugsstimmen vergeben werden und der es am leichtesten fällt, Ladinerstimmen auf sich zu vereinen. Daher ist kein Schelm, wer vermutet, dass es sich hier um den Versuch der Sicherstellung eines weiteren Mandats geht“, vermuten die Grünen.

„Statt leichter wird es schwerer, sich als Liste zur Wahl zu stellen“

„Offensichtlich herrscht für die SVP zu viel Demokratie oder Pluralismus im Lande. Nur so lässt es sich erklären, dass es bisher möglich war, mit drei Personen eine Liste zu bilden (was effektiv sehr wenig war), es in Zukunft aber 24 brauchen wird, damit die Liste gültig ist“, erklären die Grünen.

In Zeiten der Politikverdrossenheit, da es bekanntlich allen Parteien schwer fällt, Kandidatinnen und Kandidaten zu finden, sei dies laut den Grünen eine „unnötige und auch unsinnige Schikane“. „Es kann durchaus Listen geben, die Ausdruck einer Minderheit sind oder die ganz neu entstehen – für sie ist es beinahe unmöglich, genügend Leute zu finden – oder es kommt zu abstrusen Lösungen, wie dem Kandidieren der gesamten Familienmitglieder. Außerdem wurde – völlig unverständlich – die Anzahl der notwendigen Unterschriften für die Listenhinterlegung noch weiter angehoben (von 400 auf 500), natürlich nur für neue Listen oder für jene, die mit verändertem Symbol antreten“, erklären die Grünen. Auch dies sei eine unnötige Schikane für die „Kleinen“ und „Neuen“.

„Für die Frauen wird es wieder enger“

Während in ganz Europa die Frauenvertretung in der Politik als Bereicherung angesehen und entsprechend gefördert wird, mache Südtirol mit diesem Wahlgesetz einen Schritt in die Vergangenheit. Die Quote, die jedem Geschlecht die Mindestvertretung von einem Drittel der Kandidatenplätze sichert, werde abgeschafft. Anstatt dessen heiße es, dass kein Geschlecht mehr als zwei Drittel der verfügbaren Listenplätze besetzen darf. „Dies klingt diabolisch ähnlich, bedeutet aber etwas ganz anderes: Theoretisch wird so eine Liste von 23 Männern und 1 Frau möglich. ‚Mann‘ wird sich die Hände reiben. Endlich kein lästiges Frauensuchen mehr!“, meine die Grünen.

„Gelegenheit, die Wahlkampfkosten wirklich zu begrenzen, wurde verpasst“

Auf den ersten Blick sei die Verringerung der maximalen Wahlkampfspesen auf 30.000 Euro eine Verbesserung. Da aber sämtliche Schlupflöcher aus dem letzten Wahlgesetz (Nr. 5 vom 8. Mai 2013) weiterhin offen stehen, bleibe die Maßnahme in der Wirkung begrenzt. Für „Seilschaften“, deren Werbung die Partei zahlt, gelte keine Obergrenze. Spenden müssten erst ab 5.000 Euro angegeben werden. Für das Überschreiten der Obergrenze (oder Nichterklären) werde eine Strafe fällig, die das Zweifache der Überschreitung ausmacht. Das Fazit der Grünen: „Wer genug Geld zur Verfügung hat, wird sich auch dies leisten können.“

„Lieber unvereinbar als unwählbar“

„Gerade die Legislaturperiode 2008-2013 war von dieser Thematik betroffen und so wollte man sie wohl systematisieren. An und für sich begrüßenswert, allerdings wurde hier das Risiko der Unwählbarkeit zugunsten der Unvereinbarkeit mit dem Mandat zurück gestellt. Das heißt also, dass bestimmte Funktionen erst zu dem Zeitpunkt zurückgelegt werden müssen, wenn man einmal gewählt worden ist. Betroffen sind insbesondere: FunktionärInnen von Gesellschaften, die bedeutende Verträge mit dem Land haben, von Gesellschaften, die dauernde Zuweisungen vom Land erhalten, von Gesellschaften mit Mehrheitsbeteiligung des Landes und die Berater all dieser Gesellschaften“, erklären die Grünen, die auch auf ein Kuriosum am Rande verweisen: Künftig sei das Mandat eines Staatsrates kein Unwählbarkeitsgrund mehr, dafür werde Bozens City-Manager unwählbar.

Es gibt laut den Grünen aber auch einen positiven Fortschritt: So werde künftig die Möglichkeit, sich mit dem Namen des Partners oder der Partnerin zu präsentieren, auf eingetragene Partnerschaften ausgedehnt. „Insgesamt aber ist dieses Wahlgesetz ein typisches Kind dieser Legislaturperiode. Es birgt kaum Neues. Einige Gelegenheiten, demokratisches Mitmachen zu erleichtern – etwa durch weniger Bürokratie bei der Listeneinreichung oder durch Erleichterung der Unterschriftensammlung – wurden ebenso verpasst wie die Bereicherung des demokratischen Lebens durch die Möglichkeit listenübergreifenden Wählens („Panaschieren und Kumulieren“). Die Einführung des Ladinerpassus und die Verwässerung der Geschlechterquote sind allerdings keine Fort-, sondern gravierende Rückschritte. Und so ertönt das alte Lied: Vorsätze der Erneuerung scheitern gerne. Spätestens dann, wenn es um Machterhalt geht“, erklären die Grünen abschließend.

Von: mk

Bezirk: Bozen