Von: luk
Bozen – Im Südtiroler Landtag fand heute eine Diskussion über den Umgang mit der Krise und über Strategien für den Aufschwung statt.
Auf Antrag des Vorsitzenden der Fraktion “Team K” hielt der Landtag eine Aktuelle Debatte zum Thema “Covid19 – Krise: Analyse der Situation und Maßnahmen zur Eindämmung und Strategien für eine schrittweise Rückkehr zur Normalität” ab.
Paul Köllensperger (Team K) bemerkte eingangs, dass die Krise alle unvorbereitet getroffen habe. Er verglich den liberalen schwedischen Umgang mit der Epidemie mit dem restriktiven Italiens. Es gehe nicht nur um die Epidemie, sondern auch um die Wirtschaft, die das Gesundheitswesen finanziere. Viele Maßnahmen seien unkritisch hingenommen worden, viele hätten mehr Schäden als Nutzen gebracht. In der Phase 2 müsse man einen anderen Weg einschlagen. Bis jetzt habe man vielleicht zu sehr auf die Virologen gehört und die Einschränkung von Grundrechten in Kauf genommen. Der wirtschaftliche Schaden werde auch in den nächsten Jahren groß sein. Jetzt müsse man das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben wieder in die Hand nehmen, den Bürgern wieder Vertrauen schenken und sie nicht mit unüberlegten Auflagen belasten. Wiederaufschwung und Gesundheitsschutz seien beide zu gewährleisten. Was in den Altenheimen geschehen sei oder die Verspätungen bei den Krediten und Beiträgen seien nicht immer den Regierenden anzulasten. Diese hätten aber für die nötigen Tests zu sorgen. Nun müsse man ans Nachher denken: Gesundheitswesen, Digitalisierung, Rolle der Frauen, Würde der Alten und Kinder, Vereinbarkeit von Familie und Beruf. In diesen Wochen habe man vieles gelernt, was man weiterführen könne. Diese Krise könne auch als Chance genutzt werden.
Diese Krise habe alle gefordert, politisch wie menschlich, meinte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit). Südtirol habe die Grenzen seines Gesundheitswesen erfahren, das ohne Hilfe von außen nicht überlebt hätte. Es habe sich aber auch als gut erwiesen, dass Südtirol mit den Bezirkskrankenhäusern seinen eigenen Weg gegangen sei. Die Frage sei nun, wie man mit der zweiten Welle umgehen werde, die sicher kommen werde. Ebenso müsse man sich über die Rolle des Tourismus klar werden und über die Auswirkungen der Zugehörigkeit zu Italien.
Maria Elisabeth Rieder (Team K) unterstrich die Bereitschaft ihrer Fraktion zur Zusammenarbeit, auch wenn das Feedback dazu nicht grandios gewesen sei. Die heutige Gesellschaft könne nur in ihrem Zusammenspiel funktionieren. Die Mitarbeiter im Gesundheitsbereich hätten viel Lob erhalten, aber das müsse sich auch bei ihrer Entlohnung zeigen. Der Hauptteil dieser Last liege auf den Schultern der Frauen. Mehr Augenmerk brauche es für die Eltern, die Kinder und ihre Betreuung: Bis jetzt hätten Lösungen gefehlt, und die Wirtschaftssituation erschwere das noch mehr. In anderen Staaten habe man bereits zu Beginn der Krise reagiert.
Franz Locher (SVP) betonte, dass die Lebensmittelversorgung durch die Landwirtschaft gehalten habe. Dies sei in dieser Krise beruhigend gewesen. Die gut erhaltene Landschaft, die jetzt alle noch viel mehr suchten, trage ebenfalls zum Gemüt bei. Das sollte die Richtung für die Zukunft geben: lokale Produkte und kurze Wege.
Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) wies darauf hin, dass Italien mehr als andere Länder von der Epidemie getroffen wurde und darauf gut reagiert habe. Man sei immerhin imstande gewesen, über 90 Prozent der Produktion aufrecht zu erhalten. Schweden sehe er nicht so positiv wie Köllensperger, die Sterberate sei viel höher als in den Nachbarländern. Und Südtirol habe viel schlimmere Zahlen als der italienische Durchschnitt oder das Bundesland Tirol. In dieser Phase wäre eine Koordinierung mit der Regierung wichtig gewesen. Diese Regierung gebe auch die Richtung für den Wiederaufschwung der Wirtschaft vor, mit Urlaubsbonus, Ökobonus und anderen Unterstützungen. Auch die Energieversorgung werde für die nächste Phase ein Thema sein. Er hoffe, auch Südtirol könne die Tarife für den öffentlichen Verkehrsdienst senken.
Myriam Atz Tammerle (STF) betonte die Notwendigkeit einer Öffnung der Grenzen, denn die meisten Gäste kämen aus dem Norden. Wenn diese nicht kommen dürften, komme es zur Katastrophe, die die Existenz von Betrieben und Familien bedrohe. Aber mit Italien werde man das wohl nicht machen können, daher brauche es bilaterale Abkommen mit den Nachbarländern. Mit Hinweis auf die besseren Südtiroler Zahlen könne man vielleicht deren Vertrauen gewinnen.
Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten) meinte, dass Italien gar nicht anders hätte reagieren können, ansonsten hätte man eine Verbreitung in den südlichen Regionen riskiert, die für eine solche Epidemie nicht gerüstet seien. Länder wie Großbritannien, die anders auf die Krise reagiert hätten, hätten schlimmere Zahlen. Der Staat habe 1,8 Mio. Masken geliefert, 25 Beatmungsgeräte, 20.000 Abstriche, 3.000 Schutzanzüge: Südtirol sollte daher nicht undankbar sein. Südtirol hätte hingegen viel eher mit einem Lockdown in Gröden reagieren müssen. Alle wollten zur Normalität zurück, aber ohne Impfstoff sei das schwierig. Was das anstehende Landesgesetz betreffe, so müsse klar sein, dass die größte Ausgabe der Sanität gewidmet sein müsse.
Helmut Tauber (SVP) erinnerte daran, dass die Krise den Tourismus besonders schwer betroffen habe. Man rede von 1 Mrd. pro Monat. Man habe nun versucht, von Rom etwas Spielraum zu erhalten. Es gehe nun vorerst darum, den Betrieben etwas Liquidität zu verschaffen. Diese Maßnahmen würden nun greifen. Nun brauche es eine klare Analyse, wo es am meisten brennt. Die Betriebe bräuchten Planungssicherheit, das sehe auch die EU-Kommission so. Südtirol habe bereits in die Kriegskasse gegriffen und 500 Mio. zur Verfügung gestellt, nun stünden weitere Maßnahmen an. Er sei aber zuversichtlich, dass Südtirol es auch in Zukunft schaffe.
Die Coronakrise sei von der sanitären auf die wirtschaftliche Krise übergesprungen, bemerkte Hanspeter Staffler (Grüne). Nun habe man es auch mit einer sozialen und einer psychologischen Krise zu tun. Schließlich gebe es auch eine Krise der Grundrechte. Es werde darüber diskutiert, welche Regierung was falsch gemacht habe, aber alle hätten auf Sicht reagiert. Er hoffe, dass beim nächsten Mal die ganze Parteienlandschaft eingebunden werde. Für die anstehenden Maßnahmen brauche es ein Ausgabencockpit, damit der Landtag die Kontrolle ausüben könne. Andere Krisen würden kommen, daher müsse man sich besser vorbereiten, durch Investitionen in Sanität und Soziales und mit Augenmerk auf die Grundrechte. Ebenso werde sich die Wirtschaft ändern müssen.
Helmuth Renzler (SVP) wies darauf hin, dass ganze Wirtschaftszweige bei der Einzahlung der Rentenbeiträge weggebrochen seien. Eine eigene Südtiroler Rentenversicherung wäre dadurch in großen Schwierigkeiten. Man habe in diesen Wochen auch gesehen, dass die öffentliche Verwaltung zu schwerfällig sei. Die Politik habe Unterstützungsmaßnahmen beschlossen, aber bisher habe sie noch kein Arbeitnehmer gesehen. Auch die Rentner seien besonders von der Krise betroffen und spürten das an den Preisen im Supermarkt, daher sollte auch für sie eine Unterstützung vorgesehen werden. Als ungerecht sah Renzler die Steuerbefreiung für die Arbeit in der Landwirtschaft, welche die römische Regierung vorsehe.
Manfred Vallazza (SVP) sah die heutige Debatte als verlorene Zeit, denn zum anstehenden Landesgesetzentwurf werde man wieder das gleiche sagen. Wichtig sei, dass das Gesetz bald greife und den Bürgern Erleichterung bringe. Gadertal und Gröden seien zum Stillstand gekommen. Umso wichtiger sei es, wenn das Land schneller sei als der Staat.
Die Debatte wird morgen um 10.00 Uhr wieder aufgenommen.