Von: Ivd
Bozen – Ein sechsjähriges Kind mit Autismus soll weniger Schulzeit erhalten, weil es noch nicht selbstständig auf die Toilette gehen kann. Diese erschütternde Geschichte war nur eine von vielen, die bei der gestrigen Anhörung „Menschen mit Behinderung“ im Südtiroler Landtag erzählt wurden. Zum ersten Mal wurden Betroffene und ihre Angehörigen offiziell angehört – ein Austausch, initiiert vom Landtagsabgeordneten Alex Ploner (Team K).
„Es war höchste Zeit, dass wir den Menschen zuhören, die täglich mit den Schwächen unseres Systems leben müssen. Die Betroffenen sind die wahren Expertinnen und Experten. Die Anhörung hat den politischen Verantwortlichen die Möglichkeit gegeben, zu sehen, wo das Land Südtirol im Bereich der Menschen mit Behinderung steht.“, so Ploner. Unterstützt wurde er von seinem Fraktionskollegen Franz Ploner, der betonte: „Die Anhörung hat gezeigt, dass zwischen Gesetz und Realität oft Welten liegen. Die Landesregierung war fast vollständig bei der Anhörung abwesend – das spricht Bände.“
Südtirol verfügt über eine Vielzahl von Gesetzen zur Inklusion und Barrierefreiheit, darunter das Landesgesetz Nr. 7/2015 und internationale Konventionen. Doch die Praxis hinkt laut Ploner hinterher. „Die Aussagen der Betroffenen zeigten deutlich: Inklusion ist oft nur ein Schlagwort – nicht gelebte Realität. Aus der Anhörung wurde klar ersichtlich, in welchen Bereichen es noch Schwierigkeiten in Südtirol gibt.
Bildung: Kinder mit Behinderungen werden vom Unterricht ausgeschlossen, weil Begleitpersonal fehlt. Schulausflüge, Mensabesuche oder sogar der tägliche Schulbesuch sind nicht gewährleistet. Lehrpersonen sind überfordert, Integrationskräfte schlecht ausgebildet oder ständig wechselnd. Es fehlt vielerorts an Ressourcen.
Arbeit: Hochqualifizierte Menschen mit Behinderung finden keinen Zugang zum ersten Arbeitsmarkt. Eltern fordern personenzentrierte Arbeitsplätze und eine bessere Zusammenarbeit mit den zuständigen Ämtern und Vernetzung untereinander.
Wohnen: Es fehlen barrierefreie und betreute Wohnmöglichkeiten. Die Wartezeiten sind extrem lang, die Organisation bleibt oft bei den Familien.
Mobilität: Öffentliche Verkehrsmittel sind nicht barrierefrei, Rampen werden nicht ausgefahren, Ansagen sind unverständlich oder es fehlen Infos für Menschen mit Sehbehinderung. Es fehlt an Mobilitätstrainings und dem verlässlichen Fahrdienst.
Pflege und Gesundheit: Lange Wartezeiten bei Hilfsmitteln, unzureichende Pflegeeinstufungen und fehlende Unterstützung für pflegende Angehörige – insbesondere Mütter, die oft ihre Berufstätigkeit aufgeben müssen.
Gesellschaftliche Teilhabe: Viele Familien leben in Isolation. Geschwisterkinder werden oft vergessen. Es fehlt an spezialisierten Freizeitangeboten, Tageszentren und Weiterbildungsmaßnahmen für junge Erwachsene.“
Team K fordert konkrete Maßnahmen
„Wir brauchen keine weiteren Absichtserklärungen, sondern Taten“, so Alex und Franz Ploner. Sie fordern:
- Mehr Ressourcen und Ausbildung im Bereich der Inklusion in der Schule;
- Funktionierende Schülertransporte und barrierefreie öffentliche Räume;
- Echte Arbeitsmarktintegration, Gehalt statt Taschengeld in den Werkstätten und persönliche Assistenz;
- Mehr Koordination und zentrale Anlaufstellen für Familien.
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