Von: luk
Bozen – Im Landtag wurden heute Anträge zu Bürgerkunde und Dolmetscherdienst im Krankenhaus diskutiert.
Beschlussantrag Nr. 38/19: Einführung des Lehrfachs „Bürgerkunde und politische Bildung“ an den Oberschulen Südtirols (eingebracht von den Abg. Köllensperger, Ploner A., Ploner F., Unterholzner, Faistnauer und Rieder am 1.2.2019). Der Antrag war bereits im Mai andiskutiert worden, heute wurde eine neue Fassung des beschließenden Teils vorgelegt: Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, 1. sich für eine baldige Einführung der Lehrinhalte im Bereich der Bürgerkunde an den Schulen einzusetzen und den Lehrkräften des Fachbereichs Recht und Wirtschaft die für die Umsetzung nötigen Ressourcen und Befugnisse zu erteilen; 2. dafür zu sorgen, dass ein einheitliches Curriculum eingeführt wird, mit dem Ziel, eine homogene Umsetzung des Unterrichts über Lehrerinhalte im Bereich der Bürgerkunde auf dem Landesgebiet zu gewährleisten und die Besonderheiten unseres Gebietes im europäischen Kontext aufzuwerten; 3. einige Schulen ausfindig zu machen, die bereit wären, im kommenden Schuljahr an einem ersten Pilotprojekt in diesem Bereich teilzunehmen.
Paul Köllensperger (Team Köllensperger) betonte, dass man Lehrinhalte einführen wolle, nicht gleich ein Fach. In jedem Oberschulkomplex gebe es eine Fachgruppe Rechtskunde, dadurch würden keine Mehrkosten anfallen. Mit diesem Antrag wäre man auf die Umsetzung des anstehenden Staatsgesetzes vorbereitet. Wenn letzteres eine Benotung vorsehe, dann brauche es auch ein einheitliches Curriculum. Man komme hier vor allem einem Wunsch der Jugend entgegen, die sich durchaus für Politik interessiere. Bei der neuen Matura werde Bürgerkunde geprüft, die Sache sei also auch dringend.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) bedauerte, dass die neue Fassung abgeschwächt sei. Ein richtiges Fach Bürgerkunde wäre besser. Man habe halt den kleinsten gemeinsamen Nenner gesucht, um das Einverständnis der Landesregierung zu bekommen. Mit der jetzt vorgeschlagenen Lösung erhalte man einen Fleckenteppich. So werde das Ganze auf Projektebene heruntergespielt und ende womöglich als CLIL-Unterricht.
Jasmin Ladurner (SVP) unterstrich die Bedeutung der politischen Bildung für die Jugend. Gerade die Brexit-Abstimmung, an der sich die Jugend nicht beteiligt habe, sei ein Beispiel. Politische Bildung sei auch seit langem ein Anliegen der Jungen Generation.
Brigitte Foppa (Grüne) meinte, politische Bildung sollte sich auf die ganze Schullaufbahn erstrecken, nicht nur auf die Oberschule. Foppa fragte nach dem Stand der Dinge bei der Einrichtung des Büros für politische Bildung, das vom Gesetz zur Direkten Demokratie vorgesehen ist, und plädierte für eine Anhörung.
Präsident Josef Noggler erinnerte daran, dass zunächst die Antidiskriminierungsstelle auf der Prioritätenliste des Landtags stehe. Man werde aber auch an das Büro für politische Bildung denken.
Auch Magdalena Amhof (SVP) hoffte auf baldige Einrichtung des genannten Büros und bezeichnete politische Bildung als wichtiges Anliegen der SVP. Sie fragte, ob der Antrag alle Schulen betreffe oder nur die Oberschulen. Wenn man einen solchen Antrag genehmige, sollte man auch mit den Betroffenen reden, Schülern und Schulen. Daher sei sie wie Foppa für eine Anhörung im Gesetzgebungsausschuss.
Bürgerkunde sollte in der Schule stärker positioniert werden, meinte auch Helmut Tauber (SVP). Die Schule habe die Aufgabe, die Jugend auf die Welt vorzubereiten, und Politik gehöre dazu. Tauber plädierte jedoch dafür, das Staatsgesetz abzuwarten und die Bildungsverantwortlichen anzuhören.
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) teilte die Stoßrichtung des Antrags. Politische Bildung könne schon in der Grundschule anfangen, als Verständnis für die Demokratie.
Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) erinnerte daran, dass ein entsprechender Beschluss in Rom einstimmig gefasst wurde. Jener Beschluss sehe auch eine Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten vor. Auf jeden Fall sei jede Initiative gut, welche die Beteiligung der Jugend am öffentlichen Leben fördert.
Peter Faistnauer (Team Köllensperger) wunderte sich über die Argumentationen. Man sei grundsätzlich dafür, könne sich aber nicht durchringen, dem Antrag zuzustimmen.
Auf staatlicher Ebene wolle man Bürgerkunde an allen Schulen einführen, stellte LR Philipp Achammer fest. Laut Antrag müsste man Fachkräfte für Bürgerkunde auch in Grund- und Mittelschulen einstellen, das sei aber nicht möglich. Die Rechtskundelehrer an den Schulzentren seien nicht einfach so zur Verfügung, man müsste auf jeden Fall mehr einstellen. Bei der Umsetzung gebe es unterschiedliche rechtliche Voraussetzungen zwischen deutscher und italienischer Schule. Das Land werde nach der Verabschiedung des Staatsgesetzes auf jeden Fall gesetzgeberisch tätig werden müssen. Daher und aufgrund der anderen Unwägbarkeiten sollte man das Staatsgesetz abwarten und inzwischen eine Anhörung abhalten. Achammer schlug vor, den Antrag in diesem Sinne umzuformulieren.
Paul Köllensperger plädierte ebenfalls für eine Anhörung, das stehe aber nicht im Widerspruch zum Antrag. Man sei im Antrag von den Oberschulen ausgegangen, auch wenn eine Ausweitung besser wäre. Es wäre aber am einfachsten, bei den Oberschulen zu beginnen. Er sei auf keinen Fall bereit, den Antrag nur auf eine Anhörung zu reduzieren.
LR Philipp Achammer wies darauf hin, dass der Antrag auch eine umgehende Zuweisung von Ressourcen vorsehe. Das könne nicht von heute auf morgen gehen.
Paul Köllensperger bat um Aussetzung des Antrags und legte dann eine neue Fassung vor: Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, 1 sich für eine baldige Einführung der Lehrinhalte im Bereich der Bürgerkunde an den Oberschulen einzusetzen und den Lehrkräften des Fachbereichs Recht und Wirtschaft die für die Umsetzung nötigen vorhandenen Ressourcen und Befugnisse zu erteilen; 2. dafür zu sorgen, dass ein einheitliches Curriculum eingeführt wird, mit dem Ziel, eine homogene Umsetzung des Unterrichts über Lehrerin halte im Bereich der Bürgerkunde auf dem Landesgebiet zu gewährleisten und die Besonderheiten unseres Gebietes im europäischen Kontext aufzuwerten. 3. Anhörungen und Treffen mit den interessierten Ämtern und Personen zu organisieren, um die Einführung des Bürgerkunde Unterrichtes und die Erstellung des Curriculums vorzubereiten. (Geänderte Stellen kursiv).
Laut Gerhard Lanz (SVP) geht der Antrag immer noch nicht auf die reelle Situation ein, so vergesse er etwa die Berufsschulen. Er plädierte dafür, gemeinsam einen Parteiübergreifenden Antrag zu formulieren.
Paul Köllensperger bemerkte, dass er schon seit langem eine Zusammenarbeit zum Antrag angeboten habe – ohne Ergebnis. Jetzt wolle er eine Abstimmung.
Nach einer Unterbrechung für eine Beratung innerhalb der SVP-Fraktion ersuchte Gerhard Lanz um getrennte Abstimmung zu den einzelnen Punkten.
Punkt 3 des Antrags wurde mit 28 Ja und einem Nein angenommen, die anderen Punkte wurden abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 49/19: Recht auf Muttersprache im Gesundheitswesen (eingebracht von den Abg. Foppa, Dello Sbarba und Staffler am 7.2.2019). Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, 1. im Rahmen der Krankenpflegeausbildung in Südtirol fakultative Dolmetscher- und Übersetzerkurse anzubieten, die den Pflegekräften das nötige Wissen vermitteln, um bei Bedarf die Verständigung zwischen Arzt und Patient zu gewährleisten; 2. in den Weiter- und Fortbildungsprogrammen im Gesundheitswesen Dolmetscher- und Übersetzerfachkurse für ärztliches Personal und Pflegekräfte anzubieten; 3. ein zusätzliches Bonussystem (mit finanziellen oder sonstigen Anreizen) für Personen einzuführen, welche die genannten Kurse belegen; 4. in der Übergangszeit Dolmetscherinnen/Dolmetscher einzusetzen, die unterstützend zur Verfügung stehen, wenn die Ärztin oder der Arzt nicht in der Lage ist, sich in der Sprache der Patientin oder des Patienten zu verständigen; 5. eine Möglichkeit vorzusehen, damit die Patientin oder der Patient ausdrücklich – und am besten schriftlich – mitteilen kann, in welcher Sprache sie/er kommunizieren und alle Unterlagen erhalten möchte.
“Eine klare Kommunikation ist unseres Erachtens immer äußerst wichtig, insbesondere im medizinischen Bereich oder im Krankenhaus, wo die Menschen oft mit Situationen konfrontiert sind, die physisch und emotional belastend sind”, erklärte Brigitte Foppa (Grüne). “Die Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger leisten eine vorbildliche Arbeit, sowohl was die Pflege anbelangt als auch – wenn nötig – bei der sprachlichen Hilfeleistung, doch Letztere fällt nicht in ihren Aufgabenbereich und ist auch nicht Teil ihrer Ausbildung.” Vom Zweisprachigkeitsprinzip wolle sie nicht abrücken, aber man habe in der Sanität immer wieder Abstriche machen müssen. Anfangs wollte man nur die besten Ärzte, jetzt suche man verzweifelt einfach Ärzte. Anderswo würden auch Dolmetscher eingesetzt. So biete das Städtische Klinikum München den Patienten einen internen Dolmetscherdienst in 35 Sprachen an. “Solange das Ziel der Zweisprachigkeit des ärztlichen Personals nicht erreicht ist, müssen wir unsere Krankenhäuser anderweitig in die Lage versetzen, kurzfristig das Recht der Patientinnen und Patienten auf Informationen in der eigenen Muttersprache zu gewährleisten und sich längerfristig dem Ziel einer echten Zweisprachigkeit zu nähern, indem das Personal die bestmögliche Ausbildung erhält.”
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) hielt das für den falschen Ansatz. Wenn man bei der Sanität darauf verzichte, die Lücke zu schließen, dass verzichte man morgen bei der Post und übermorgen anderswo. Proporz und Zweisprachigkeit brächten gewisse Schranken mit sich, aber wenn man die Autonomie wolle, müsse man dazu stehen.
Maria Elisabeth Rieder (Team Köllensperger) wollte ebenfalls nicht auf das Zweisprachigkeitsprinzip verzichten. Man müsse vermehrt suchen, Südtiroler Fachkräfte aus dem Ausland zurückzuholen. Der Sanitätsbetrieb mache zwar kostspielige Kampagnen dazu, lasse jene, die Interesse zeigten, dann aber alleine. Sie bräuchten eine Anlaufstelle. Eine weitere Möglichkeit wären Intensivkurse vor Arbeitsbeginn und danach. Krankenpflegerinnen dürften nicht zu Dolmetscherinnen für die Ärzte werden.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) fand den Vergleich mit München, wo etwa Urdu oder Arabisch angeboten würden, als unpassend. Deutsch sei in Südtirol Mehrheitssprache. Tatsache sei, dass viele Ärzte im Bozner Krankenhaus nur Italienisch könnten, Ärzte, die nur deutsch sprechen, würden entlassen. Im Krankenhaus gehe es oft um Sekunden, der Arzt könne nicht auf den Dolmetscher warten. Außerdem entstünden Haftungsfragen bei falscher Übersetzung. Für Südtiroler Jungärzte sei Südtirol unattraktiv, wegen Problemen mit der Studientitelanerkennung und anderer bürokratischer Schwierigkeiten. Ein Patient sollte im Krankenhaus ankreuzen können, in welcher Sprache er angesprochen werden möchte.
Der Gebrauch der Muttersprache sei ein Recht, besonders in der medizinischen Versorgung, meinte Magdalena Amhof (SVP). Die würden derzeit aushelfen, aber das sei nicht ihre Aufgabe. Der Ansatz müsse es sein, dass die Fachkräfte im Krankenhaus zweisprachig werden. In der Notaufnahme sei ein Dolmetscherdienst noch denkbar, aber ansonsten sei eine praktische Umsetzung schwierig. Es gebe Sprachgruppe und bei den Ärzten, die sie besuchten, zeigten sie Erfolge.
Das Recht auf Muttersprache sei sakrosankt, meinte Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung). Aber derzeit müsse man oft auch auf Personal zurückgreifen, welches eine Landessprache nicht beherrsche. Einen Dolmetscherdienst sehe er nicht als sinnvoll, ebenso wenig eine schriftliche Sprachangabe bei Aufnahme. Davon abgesehen könnten die vorgeschlagenen Maßnahmen geeignet sein, Ärzte von außerhalb anzuziehen.
Carlo Vettori (Lega Alto Adige Südtirol) sah den Antrag im Widerspruch zum Autonomiestatut. Wer in Südtirol im öffentlichen Dienst arbeite, müsse zweisprachig sein. Wenn man davon abrücke, schaffe man einen gefährlichen Präzedenzfall.
Hanspeter Staffler (Grüne) gab zu bedenken, dass Medizin wie Autonomie für die Menschen da seien. Dem Ziel der Zweisprachigkeit in der Sanität laufe man seit 50 Jahren hinterher, und die Situation habe sich verschlechtert. Bei vorliegendem Antrag gehe es darum, Sprachbarrieren abzubauen, damit die Patienten in den Genuss der bestmöglichen Medizin kommen.
Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit) antwortete Staffler, dass die Medizin für die Menschen sei, aber die Autonomie für die deutsche und ladinische Bevölkerung. Wenn man vom Zweisprachigkeitsprinzip abrücke, gehe man auf die Zeit vor dem Statut zurück und man werde am Ende überall Dolmetscher einsetzen müssen.
Gerhard Lanz (SVP) teilte die autonomiepolitischen Bedenken. Das Problem bestehe aber, und es sei zu lösen. Man müsse den Ärzten klarmachen, dass in einem zweisprachigen Gebiet eine zusätzliche Ausbildung nötig ist. Zweisprachigkeit sei keine Krankheit und tue nicht weh. Wenn die Zweisprachigkeit kurzfristig nicht einlösbar sei, müsse man sich in der Zwischenzeit behelfen, und das werde derzeit bereits getan.
Auch Ulli Mair (Freiheitliche) sah den Antrag als inakzeptabel. Sie fragte, ob es die Möglichkeit gebe, eine Stelle einzurichten, bei der sich Patienten Befunde übersetzen lassen können.
LR Thomas Widmann bezeichnete den Antrag als gut gemeint und in Ansätzen auch machbar. Aber mittlerweile habe man einen Ärzte- und Pflegerinnenmangel, sodass man auf Kräfte von außerhalb zurückgreifen müsse, mit der Auflage, binnen drei Jahren die zweite Sprache zu lernen. Die meisten Ärzte ohne Zweisprachigkeitsnachweis schafften es allerdings, irgendwie mit den Patienten zu kommunizieren. Die Sprache sei ein Grundpfeiler der Autonomie, aber im Zweifelsfall gehe die Gesundheitsversorgung vor. Zu überdenken sei auch der Numerus Clausus angesichts des Ärztemangels. Widmann bat Nicolini, bei seiner Partei in Rom zu intervenieren, die die Anstellung von Ärzten aus dem Ausland praktisch verunmögliche. Pfleger und Pflegerinnen seien hochausgebildete Fachkräfte und bereits ausgelastet, daher könne man ihnen nicht den Dolmetscherdienst aufbürden. Im Krankenhaus seien die Ärzte meist im Team tätig, sodass Zweisprachigkeit immer gegeben sei. Das Hauptproblem bestehe in der Notaufnahme, wo viele Sprachen gefragt wären. Ein Übersetzungsdienst für Befunde würde den Patienten nichts bringen, es bleibe Fachsprache. Der Antrag bringe keine wirkliche Lösung und widerspreche zudem dem Statut, daher sei er abzulehnen.
Brigitte Foppa meinte, man lüge sich dauern etwas vor, zum Schaden der Muttersprache. Sie verteidigte ausdrücklich Punkt 5 des Antrags, denn die Muttersprache des Patienten sei bei Aufnahme nicht immer klar.
Der Antrag wurde in mehreren Teilabstimmungen mehrheitlich abgelehnt.