Von: APA/dpa
Der internationale Druck auf Israel wegen der katastrophalen humanitären Lage im umkämpften Gazastreifen nimmt zu. “Alle Grenzübergänge und Routen müssen genutzt werden, um eine Flut von Hilfsgütern nach Gaza zu ermöglichen”, fordern 26 westliche Staaten und die EU-Kommission in einer gemeinsamen Erklärung. Wie das Außenministerium in Wien der APA Mittwochvormittag mitteilte, ist Österreich nicht dabei. Auch Deutschland schloss sich dem Appell nicht an.
Obwohl Österreich nicht unterschrieb, hieß es aus dem Ministerium: “Wir haben in den letzten Wochen mehrfach und unmissverständlich von Israel gefordert, alle Beschränkungen humanitärer Hilfe aufzuheben, damit die UNO und die internationalen NGOs vollen Zugang zur notleidenden Zivilbevölkerung haben. So haben wir erst vor drei Tagen in einem gemeinsamen Statement mit neun anderen Staaten und der Hohen Vertreterin ausdrücklich Israel aufgerufen, die Änderungen bei der Registrierung von NGOs umgehend zu adaptieren.”
“Vor unseren Augen breitet sich eine Hungersnot aus”, heißt es in der Erklärung – um die Zivilbevölkerung zu schützen, seien dringende Maßnahmen notwendig. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu sagte dagegen jüngst: “Es gibt keine Politik des Aushungerns im Gazastreifen, und es gibt keinen Hunger im Gazastreifen.”
Unterzeichnet wurde die Erklärung von drei EU-Kommissarinnen – darunter die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas – sowie den Außenministerinnen und Außenministern der meisten EU-Länder, Australiens, Kanadas, Islands, Japans, Norwegens, der Schweiz und Großbritanniens. Gebraucht würden unter anderem Nahrung, Unterkünfte, Treibstoff, sauberes Wasser und Medikamente, heißt es in dem Appell. Außerdem müssten Zivilisten und Helfer an den Verteilungsstellen geschützt werden.
Bericht: Fünf Palästinenser durch Beschuss getötet
Fünf Palästinenser sind nach einem Medienbericht durch israelischen Beschuss getötet worden, während sie im Gazastreifen auf Hilfsgüter warteten. Die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa berichtete, zehn weitere Menschen seien bei dem Vorfall südlich von Wadi Gaza im zentralen Abschnitt des Gazastreifens verletzt worden. Die Armee teilte auf Anfrage mit, sie prüfe den Bericht.
Immer wieder gibt es Berichte über tödliche Zwischenfälle in der Nähe der von der umstrittenen Gaza Humanitarian Foundation (GHF) betriebenen Verteilstellen. Die Stiftung wird von Israel und den USA unterstützt und hatte ihren Einsatz in dem abgeriegelten Küstengebiet im Mai nach einer fast dreimonatigen israelischen Blockade von Hilfslieferungen begonnen.
Mehr als 1.850 Menschen wurden den Angaben zufolge bei dem Versuch getötet, Hilfsgüter zu erhalten. Hilfssuchende müssen oft gefährliches Kriegsgebiet durchqueren, um an Hilfslieferungen zu kommen.
USA halten an umstrittener Stiftung fest
Immer wieder gibt es Berichte über tödliche Zwischenfälle in der Nähe der von der GHF betriebenen Verteilstellen. Das US-Außenministerium hatte nach eigenen Angaben 30 Millionen Dollar für die GHF genehmigt. Davon seien bisher “mehr als die Hälfte” ausgezahlt worden, wie eine Sprecherin des Ministeriums erklärte. US-Präsident Donald Trump wolle zur Verbesserung der Lage beitragen – aufbauend auf dem Einsatz der GHF.
Internationale Organisationen sehen jedoch die GHF nicht als geeignet, die Lage der Notleidenden in dem weitgehend verwüsteten Küstengebiet zu verbessern. Dies könne nur über die eingespielten Mechanismen der UNO und anderer Organisationen mit entsprechender Erfahrung bewerkstelligt werden.
Die israelische Regierung müsse den UNO- und Nichtregierungsorganisationen dauerhaften Zugang zu dem Gebiet ermöglichen, forderten die 26 westlichen Staaten und die EU-Kommission. Israel hatte den neuen Verteilmechanismus der GHF eingeführt, um UNO-Hilfsorganisationen und andere Initiativen zu umgehen. Nach Angaben der Regierung Netanyahus soll auf diese Weise verhindert werden, dass die Hamas humanitäre Hilfsgüter für sich abzweigt.
Israelische Kampfpiloten fordern Ende des Kriegs
In Israel demonstrierten rund 200 ehemalige und aktive israelische Kampfpiloten vor dem Militärhauptquartier in Tel Aviv für ein Ende der Kämpfe und eine Vereinbarung zur Freilassung der Geiseln. Die Regierung verfolgt jedoch einen neuen Kriegsplan, der nach Angaben von Ministerpräsident Netanyahu neben der Einnahme der Stadt Gaza auch die Zerschlagung der Hamas in den zentralen Flüchtlingslagern vorsieht.
Neben den USA bemühen sich laut Medienberichten auch Katar und Ägypten derzeit um eine Wiederaufnahme der indirekten Gespräche zwischen Israel und der Hamas über eine Waffenruhe und Geiselfreilassung. Nach Angaben aus ägyptischen Sicherheitskreisen kam am Dienstag eine Hamas-Delegation zu Gesprächen in die ägyptische Hauptstadt Kairo. Die Gespräche sollten heute fortgesetzt werden, zitierte die “Times of Israel” einen arabischen Diplomaten.
UNO: Hinweise auf sexuelle Gewalt gegen Palästinenser
UNO-Generalsekretär António Guterres zeigt sich unterdessen äußerst besorgt über nach seinen Angaben glaubwürdige Informationen, wonach israelische Sicherheitskräfte palästinensischen Gefangenen sexuelle Gewalt zugefügt haben sollen. Die Vorwürfe, die er in einem Brief an Israels UNO-Botschafter Danny Danon äußerte, beziehen sich auf angebliche Vorfälle in mehreren Gefängnissen, einem Haftzentrum und einer Militärbasis. Danon wies die Anschuldigungen zurück.
Guterres’ Brief geht der Veröffentlichung des jährlichen UNO-Berichts zu sexualisierter Gewalt voraus. Er schreibt, es sei schwierig gewesen, Hinweise zu sammeln, weil den UNO-Beobachtern der Zugang zu den besagten Gebäuden verweigert worden sei. “Ich fordere die israelische Regierung dringend auf, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die sofortige Einstellung aller Akte sexueller Gewalt sicherzustellen”, so Guterres.
Danon, der den Brief veröffentlicht hatte, kritisierte Guterres auf der Plattform X: Der UNO-Generalsekretär habe sich erneut “auf unbegründete Anschuldigungen gestützt, die auf tendenziösen Veröffentlichungen basieren”. Die Vereinten Nationen sollten sich auf “die schockierenden Kriegsverbrechen der Hamas” und die “sofortige Freilassung aller Geiseln” konzentrieren.
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