Von der Leyen will Drohnenwall gegen Russland

EU-Gipfel: Breite Unterstützung für geplanten Drohnenwall

Mittwoch, 01. Oktober 2025 | 22:29 Uhr

Von: APA/AFP/dpa/Reuters

Beim informellen EU-Gipfel in Kopenhagen hat es laut Ratspräsident António Costa breite Unterstützung für den geplanten Aufbau eines Drohnenwalls und weitere Maßnahmen zur Absicherung der Ostflanke gegeben. Die EU-Kommission werde nun in zwei Wochen einen konkreten Fahrplan für die geplante Aufrüstung bis 2030 vorlegen, erklärte der Portugiese. Beim nächsten Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU in drei Wochen in Brüssel sei es dann an der Zeit für Entscheidungen.

An dem Konzept für eine deutlich effektivere Drohnenabwehr an der EU-Ostflanke wird bereits seit Monaten gearbeitet. Wie notwendig es ist, zeigte aus Sicht der Planer zuletzt vor allem das massive Eindringen russischer Drohnen in den Luftraum Polens vor drei Wochen. Als weiterer Beleg werden auch die Ereignisse in Dänemark gewertet, wo bisher nicht identifizierte Drohnen zuletzt stundenlang Flughäfen lahmlegten.

Die Aufrüstungsplanungen der EU basieren auf einem Gipfelbeschluss vom vergangenen März. Damals hatten die Staats- und Regierungschefs allgemein vereinbart, Europas Verteidigungsbereitschaft in den nächsten fünf Jahren entscheidend zu stärken. Finanziell ermöglicht werden soll das unter anderem dadurch, dass Verteidigungsausgaben von den strengen EU-Schuldenregeln ausgenommen werden.

Die EU-Staats- und Regierungschefs berieten in Kopenhagen über die Stärkung der Verteidigung Europas und die Unterstützung für die Ukraine. “Europa ist in der schwierigsten und gefährlichsten Situation seit dem Ende des zweiten Weltkrieges”, warnte die dänische Ministerpräsidentin und turnusmäßige EU-Ratsvorsitzende Mette Frederiksen am Mittwoch. Europa müsse aufrüsten. Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) nannte die jüngsten Luftraumverletzungen “völlig inakzeptabel”.

Kanzler: Europa solle sich nicht in “falscher Sicherheit” wiegen

Der “Verdacht liegt nahe, das Russland daran nicht unbeteiligt ist”, sagte Stocker bei seiner Ankunft beim informellen EU-Gipfel in Kopenhagen. Er sprach von einer “Provokation, die sehr gefährlich ist, weil sie für eine weitere Eskalation den Raum” biete. Man sollte sich nicht “in einer falschen Sicherheit wiegen”, warnte der Bundeskanzler.

Stocker betonte: “Wir sind ein neutrales Land, alles was wir machen, ist am Boden der Neutralität”. Die Neutralität verbiete aber nicht, “gemeinsame Beschaffungen ins Auge zu fassen wie bei Sky Shield (Projekt zur Luftverteidigung und -abwehr, Anm.), und das halte ich für den richtigen Zugang”. Europa befindet sich “nach der Meinung vieler bereits in einem hybriden Krieg, wir werden täglich im Cyberbereich angegriffen”. Es sei aber “nicht die Zeit, in Angst und Unruhe zu versetzen”: Es sei “nicht neu”, dass westliche Demokratien angegriffen werden und wurden, dies brauche eine “robuste Antwort”: Europa müsse “zeigen, dass wir bereit sind, uns zu verteidigen” und nicht nur den Willen, sondern auch die Fähigkeit dazu habe. Die Freigabe eingefrorener russischer Mittel für die Ukraine-Hilfe wäre nach Ansicht von Stocker eine “Möglichkeit”.

Frederiksen: Europa bereits “in einem hybriden Krieg”

Frederiksen betonte, dass sich Europa “in einem hybriden Krieg befindet”. Es sei “ernst”; sie forderte “eine starke Antwort darauf”. Es gehe darum, ein “gemeinsames europäisches Ziel zu verfolgen”, und “die nationale Perspektive zu verlassen”: Der Krieg in der Ukraine sei ein Versuch Russlands, “uns alle zu bedrohen”, so die Dänin. Der Krieg müsse aus europäischer Perspektive betrachtet werden, forderte sie. Jeder müsse dies erkennen. Ein beim Gipfel diskutiertes Konzept der EU-Kommission legt den Schwerpunkt auf die Abwehr von Drohnen und hybriden Gefahren. “Wir im Baltikum haben bereits Erfahrungen mit Drohnen gemacht, Europa sollte sich darauf vorbereiten”, so die lettische Regierungschefin Evika Siliņa. Sie sei bereit, ihre Erfahrungen mit den europäischen Kollegen zu teilen.

“Wir werden leider erneut über den Krieg gegen die Ukraine sprechen müssen. Wir wollen versuchen, neue Schritte zu gehen, auch im Hinblick auf die Verteidigung dieses Landes”, erklärte der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz. Er freue sich, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenkyj am Donnerstag am Gipfel der Europäischen Politischen Gemeinschaft teilnehme, und es Gelegenheit gebe, “sehr ausführlich auch über unsere weitere Unterstützung für die Ukraine in diesem Krieg” zu sprechen. Merz dankte “der Deutschen Luftwaffe und der Deutschen Marine, dass sie mit dazu beitragen, dass dieser Europäische Rat sicher stattfinden kann”.

EU kündigt Milliardenzahlung für Drohnenbau in Ukraine an

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte die Auszahlung einer Milliardensumme für den Bau von Drohnen in der Ukraine an. Man stelle heute vier Milliarden Euro bereit, sagte sie in Kopenhagen. Zwei Milliarden Euro davon sollen in unbemannte Flugkörper investiert werden. “Wenn wir uns alle einig sind, dass die Ukraine unsere erste Verteidigungslinie ist, dann müssen wir die militärische Unterstützung für die Ukraine verstärken”, erklärte sie.

Von der Leyen bekräftigte die Einigkeit des Staatenbundes. “Russland versucht, Spaltung und Angst in unseren Gesellschaften zu säen”, sagte sie in Kopenhagen. “Das werden wir nicht zulassen.” Von der Leyen sagte, es obliege den dänischen Behörden, die Herkunft der Drohnen zu klären. Insgesamt sei jedoch ein Muster von Luftraumverletzungen zu sehen, “und dieses Muster kommt aus Russland”.

Macron ruft zu Vorsicht in Konfrontation mit Russland auf

Der französische Präsident Emmanuel Macron ruft angesichts der aktuellen Konfrontation mit Russland zu “sehr großer” Vorsicht auf. “Wir müssen stark sein, um jegliche Aggressionen abzuwehren, aber wir müssen sehr vorsichtig bleiben und jede Eskalation vermeiden”, sagte Macron in Kopenhagen auf die Frage einer Journalistin, ob man sich auf einen Weltkrieg zubewege.

Seit mehreren Jahren sei Russland “ein sehr aggressiver Akteur”, sagte Frankreichs Staatschef außerdem. Dies sehe man im Rahmen von Cyberangriffen bei Wahlen, durch den Angriffskrieg auf die Ukraine, beim Einsatz von nuklearer Bedrohung und nun bei Provokationen im Luftraum. All dies sei ein “hybrides Ganzes” und bewege sich im Bereich der Konfrontation.

Die Justiz in Frankreich gab unterdessen bekannt, dass sie Ermittlungen gegen einen Tanker der russischen Schattenflotte eingeleitet hat, der als Startplattform für die über Dänemark gesichteten Drohnen gedient haben könnte. Macron sagte, die Besatzung des Schiffes habe “schwere Fehler” begangen, ohne nähere Angaben zu machen.

Ost- und Nordeuropäer drängen auf schnellere Aufrüstung

Staaten im Osten und Norden der EU drängen auf eine deutlich schnellere Aufrüstung in Europa. Papiere verteidigten Europa nicht, sagte Litauens Staatspräsident Gitanas Nauseda am Rande des EU-Gipfels. Es gebe auf dem Papier zwar viele gute Initiativen, aber: “Dokumente erkennen die Drohnen aus Russland und Weißrussland nicht. Wir brauchen Taten.”

Finnlands Ministerpräsident Petteri Orpo sagte: “Wir sind fast in einem hybriden Krieg.” Man habe viele Angriffe gegen die Europäische Union erlebt. Als Beispiele nannte er irreguläre Migration, Drohnen und Raketen auf EU-Territorium, Cyberangriffe sowie zerstörte Kabel und Pipelines. “Deshalb müssen wir uns noch besser vorbereiten”, so Orpo.

Estlands Regierungschef Kristen Michal sagte: “Russland testet Europa, und Europas Antwort muss darin bestehen, verschiedene Fähigkeiten wie Luftabwehr und Drohnen auszubauen.”. Auch Lettlands Ministerpräsidentin Evika Silina drängte vor Beginn des Gipfels auf eine schnelle Aufrüstung.

Mitsotakis: “Sicherheit Europas als Ganzes im Blick haben”

Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis erklärte: “Es ist an der Zeit, dass Europa nun europäische Ressourcen zur Unterstützung gemeinsamer europäischer Verteidigungsprojekte zur Abwehr von Raketen oder Drohnen mobilisiert.” Mitstakis ergänzte aber, dass jedes gemeinsame europäische Verteidigungsprojekt nicht nur auf die östlichen Grenzen des Kontinents beschränken sein dürfe. “Es muss die Sicherheit Europas als Ganzes im Blick haben.”

Die EU-“Chefs” werden angesichts der Luftraumverletzungen Russlands in mehreren EU-Staaten darüber beraten, wie Europa auf gemeinsame Bedrohungen reagieren kann. Um den Ablauf und die Sicherheit des EU-Gipfels zu garantieren, wurde der dänische Luftraum für die gesamte Woche für Drohnen gesperrt. Das Polizei- und Militäraufgebot in der Hauptstadt ist enorm; auch aus anderen EU-Ländern wie Deutschland ist Unterstützung zur Drohnenabwehr angereist.

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