Araqchi startete mit Vorwürfen in Genfer Diplomatie

Europäer drängen Iran zu Gesprächen mit USA

Freitag, 20. Juni 2025 | 23:29 Uhr

Von: APA/dpa/Reuters

Die Chefdiplomaten von Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben in Genf knapp vier Stunden lang mit ihrem iranischen Kollegen Abbas Araqchis über ein Einlenken Teherans im Atomkonflikt beraten. Der britische Außenminister David Lammy appellierte an den Iran, weiter mit den USA über eine Begrenzung des Atomprogramms zu verhandeln. “Wir (…) fordern den Iran dringend auf, seine Gespräche mit den Vereinigten Staaten fortzusetzen”, sagte Lammy nach den Gesprächen.

“Dies ist ein gefährlicher Moment, und es ist äußerst wichtig, dass wir keine regionale Eskalation dieses Konflikts erleben”, fügte er hinzu. Auch Frankreichs Außenminister Jean-Noël Barrot Teheran sagte: “Wir haben den iranischen Minister aufgefordert, Verhandlungen mit allen Parteien, einschließlich der USA, in Betracht zu ziehen und nicht auf die Einstellung der Luftangriffe zu warten, die wir ansonsten auch fordern.” Der deutsche Außenminister Johann Wadephul sprach danach von “ernsthaften Gesprächen”.

Araqchi sagte, sein Land sei bereit, weiter auf Diplomatie zu setzen. Ein erneutes Treffen in naher Zukunft sei möglich. Die Diskussionen am Freitag seien ernsthaft und von Respekt geprägt gewesen. Er betonte aber: “Solange die Angriffe Israels andauern, werden wir mit keiner Partei verhandeln.” An den Gesprächen in einem Hotel nahm auch die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas teil.

Trump: Europa wird im Israel-Iran-Konflikt nicht helfen

US-Präsident Donald Trump räumt Europa keinen Einfluss auf den Krieg zwischen Israel und dem Iran ein. “Iran will nicht mit Europa sprechen. Sie wollen mit uns sprechen. Europa kann dabei nicht helfen”, sagte Trump auf die Frage eines Journalisten, ob jüngste Gespräche der Europäer mit Teheran hilfreich gewesen seien. Es gebe aktuell Kontakte der USA mit dem Iran, und man werde sehen, was passiere, sagte Trump. Er nannte keine Einzelheiten zu den Gesprächen mit Vertretern Teherans. US-Medienberichten zufolge steht Trumps Sondergesandter Steve Witkoff in Kontakt mit Teheran.

Zu einer Forderung aus Teheran, wonach es vor Verhandlungen eine Waffenruhe bräuchte, sagte Trump, es sei schwierig, das von Israel zu verlangen, weil Israel im Krieg gegen den Iran aktuell “gewinnt”. Eine solche Forderung wäre einfacher, wenn die eine Seite nicht die Oberhand hätte.

Trump will diplomatischen Bemühungen eigenen Angaben vom Donnerstag zufolge noch rund zwei Wochen Zeit geben, bevor er eine Entscheidung über eine mögliche Kriegsbeteiligung der USA treffen will. Auf dem Weg in sein Wochenende sagte Trump vor Journalisten am Freitag am Flughafen in Morristown im Bundesstaat New Jersey, “zwei Wochen sind das Maximum”.

Trump wurde auch nach der Einschätzung der US-Geheimdienste gefragt, wonach der Iran aktuell keine Atombombe baue. “Na ja, dann haben meine Geheimdienste unrecht”, sagte Trump. Wenn US-Geheimdienstkoordinatorin Tulsi Gabbard das gesagt habe, dann liege sie falsch, betonte Trump. Gabbard hatte dies etwa im März im Kongress gesagt. Der Iran beteuert, sein Atomprogramm verfolge nur zivile Zwecke.

Schwere Vorwürfe Araqchis

Araqchi nannte die israelischen Angriffe auf Atomanlagen im Iran bei seinem Eintreffen schwere Kriegsverbrechen: “Diese Nation ist einer unerhörten Aggression ausgesetzt.” Der Iran sei aber entschlossen, mit aller Kraft seine territoriale Integrität und Souveränität zu verteidigen, sagte Araqchi. Israels Angriff sei ein Verrat an der Diplomatie gewesen, fügte er mit Blick auf die für 15. Juni angesetzten weiteren Verhandlungen mit den USA über das iranische Atomprogramm hinzu.

Im UNO-Menschenrechtsrat, der in Genf seinen Sitz hat, rief Araqchi die internationale Gemeinschaft auf, die Angriffe Israels auf sein Land zu verurteilen. “Jede Rechtfertigung dieses ungerechten und verbrecherischen Krieges käme einer Komplizenschaft gleich”, sagte der Minister kurz vor dem geplanten Treffen mit den Außenministern von Deutschland, Frankreich und Großbritannien sowie der EU-Außenbeauftragten. Er wolle jedes Mitglied des Gremiums an seine Verantwortung erinnern, “um dieser schweren Ungerechtigkeit die Stirn zu bieten”.

Auch im Hinblick auf den Krieg in Gaza warf Araqchi Israel ebenfalls Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Der UNO-Menschenrechtsrat hält aktuell seine mehrwöchige Sommersitzung ab.

UNO-Chef spricht von entscheidendem Moment

UNO-Generalsekretär António Guterres sieht die Welt im Licht des Iran-Konflikts in einem entscheidenden Moment für die Zukunft der Menschheit. Man befinde sich in einer Situation, “in der die eingeschlagene Richtung nicht nur das Schicksal von Nationen, sondern möglicherweise auch unsere gemeinsame Zukunft prägen wird”, sagte Guterres vor dem UN-Sicherheitsrat in New York. Man steuere mit rasender Geschwindigkeit auf Chaos zu: “Die Ausweitung dieses Konflikts könnte ein Feuer entfachen, das niemand mehr kontrollieren kann.”

Diplomatie sei die einzige Chance, um dies zu verhindern. “Lassen Sie uns verantwortungsvoll und gemeinsam handeln, um die Region und unsere Welt vor dem Abgrund zu bewahren”, so Guterres. Der UN-Sicherheitsrat mit seinen 15 Mitgliedern, darunter die USA, ist das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen und trifft sich regelmäßig, um über Krisen und Kriege wie die Eskalation zwischen Israel und dem Iran zu beraten.

IAEA-Chef warnt vor Angriffen auf Atomanlagen

Die UN-Atomaufsichtsbehörde IAEA warnt vor Angriffen auf Atomanlagen. “Bewaffnete Angriffe auf Nuklearanlagen sollten niemals stattfinden und könnten zu radioaktiven Freisetzungen mit großen Folgen innerhalb und außerhalb der Grenzen des angegriffenen Staates führen”, sagte IAEA-Chef Rafael Grossi vor dem UNO-Sicherheitsrat. “Ich rufe daher erneut zu maximaler Zurückhaltung auf.”

Crux der Urananreicherung

Schon davor hatte sich der Iran nicht zu Verhandlungen über sein Atomprogramm bereit gezeigt, solange die israelischen Angriffe andauern. Mit dieser Ansage dämpfte Araqchi die Erwartungen an die Gespräche in Genf: “Es gibt keinen Raum für Verhandlungen mit uns, bis die israelische Aggression aufhört”, sagte der Außenminister dem iranischen Staatsfernsehen. Gespräche mit den USA schloss der Minister dabei grundsätzlich aus und begründete dies damit, dass das Land mit Israel verbündet ist.

Später hieß es von einem Insider, der Iran sei grundsätzlich bereit, mit den Europäern über eine Begrenzung der Urananreicherung in seinem Atomprogramm zu sprechen, eine Reduzierung auf Null komme aber nicht infrage, so ein iranischer Regierungsvertreter.

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