"Die ganze Aufregung ist unangebracht"

Fischereiverein: “Brisantes Wahlzuckerl” – LR Theiner kontert

Samstag, 14. Juli 2018 | 16:48 Uhr
Update

Bozen – Ab heute ist das Landesgesetz Nr. 10/2018 („Omnibus“) in Kraft. Der Südtiroler Landtag hatte vor rund einem Monat den Art. 25 des betreffenden Gesetzes heiß diskutiert – und dann Ruhe gegeben, weil Landesrat Theiner signifikante Abänderungen versprochen hatte. “Seit heute wissen wir, dass Theiners Versprechen leere Luft war”, so der Fischereiverein Eisacktal.

“Der Art. 25 des LG Nr. 10/2018 sieht u.a. vor, dass Bergbauernhöfe mit mehr als 40 Erschwernispunkten, Kleinkraftwerke bis 50 kW per vereinfachtem Genehmigungsverfahren errichten können – auch wenn sie bereits an das Stromnetz angeschlossen sind. Was sich auf den ersten Blick recht harmlos liest, ist in seiner praktischen Auswirkung auf die Umwelt höchst alarmierend und sozial ungerecht”, so die Fischer und zählen auf:

1.)     Ein Großteil der Südtiroler Grünlandbetriebe (mit Ausnahme jener der Tallagen) fällt in die Kategorie mit mehr als 40 Erschwernispunkten. Somit hätten theoretisch tausende Landwirtschaftsbetriebe die Möglichkeit, die Errichtung von Klein- und Kleinstkraftwerke zu beantragen.

2.)     Eine Leistung von 50 kW entspricht in etwa dem Bedarf von 30 gewöhnlichen Haushalten (3 kW x 15 Haushalte ergibt 45 kW; da ein Haushalt normalerweise den Löwenanteil der Energie nur am Tag benötigt, das Kraftwerk aber rund um die Uhr produziert, würde die Leistung rein rechnerisch für die doppelte Anzahl an Haushalten ausreichend sein).

3.)     Die Leistung, welche über den Eigenbedarf hinaus geht (somit ein Großteil), darf verkauft werden!

4.)     Als Projektunterlagen reichen der technische Bericht mit den technischen Daten, den Eigenschaften der Anlage sowie eine gewässerökologische Beschreibung des betroffenen Gewässers.

5.)     Kleinst- und Kleinkraftwerke haben erwiesenermaßen überproportional negative Auswirkungen auf das betreffende Gewässerökosystem. Je kleiner ein Gewässer ist, desto schlimmer wiegt die Ableitung von Wasser. Die Restwasserstrecken (Ausleitungsstrecken) drohen zu Rinnsalen zu verkommen!

“Dem „Run“ auf die Bergbäche steht praktisch nichts mehr im Wege. Findige Ingenieurbüros sind bereits in den Startlöchern, um Landwirten die „geschenkte Energie“ schmackhaft zu machen.” “Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Der Fischereiverein Eisacktal begrüßt ausdrücklich die bisherige Gesetzeslage (Wassernutzungsplan), die es Bergbauern ohne Anschluss an das öffentliche Stromnetz ermöglicht, den Eigenbedarf durch Kleinstkraftwerke zu decken. Diese Regelung ist nachhaltig und ökologisch sinnvoll. Die neue Regelung geht aber weit über das hinaus! Sie macht den Landwirt zum Energieproduzenten”, heißt es weiter.

Auch aus sozialer Sicht sei dieser Akt äußerst fragwürdig, schreibt der Fischereiverein Eisacktal. “Denken wir etwa an die vielen Arbeitnehmer mit niedrigen Einkommen oder die Pensionisten mit ihren Mindestrenten. Während sie es kaum schaffen, ihre Stromrechnungen zu begleichen und bis Monatsende ein halbwegs würdiges Auskommen zu haben, wird Landwirten nun die Möglichkeit geboten, ihren Eigenbedarf an Strom selbst zu erzeugen und alles, was darüber hinaus geht, zu verkaufen. Wir sind gespannt, wie Sozialverbände auf dieses Gesetz reagieren werden.”

“Dieses Wahlzuckerl ist für Fischerei- und Umweltvereine ein besonders bittere Pille, zumal Landesrat Theiner erst vor wenigen Monaten, anlässlich der Ernennung der Südtiroler Gebirgsbäche zum Gewässertyp des Jahres, verlauten ließ: „Ihnen soll heuer besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden!“ Ironie, oder wie hat er das gemeint? Mit diesem Artikel bzw. Gesetz wird eine zentrale Bestimmung des Wassernutzungsplanes umgangen, welcher erst vor einem Jahr (22.06.2017) vom Präsidenten der Republik per Dekret abgesegnet wurde. In Art. 16, Abs 2 heißt es dort nämlich: „In Abweichung der gemäß Absatz 1 angeführten Ausschlussprinzipien können Konzessionen für neue Ableitungen zur Erzeugung elektrischer Energie, nach vorheriger Überprüfung der Vereinbarkeit mit den Bedürfnissen des Umweltschutzes, auch in den folgenden Fällen ausgestellt werden: a) für die hydroelektrische Versorgung von Schutzhütten, Almen, Bergbauernhöfen und Wohnstrukturen, für die der Anschluss an das öffentliche Stromnetz und andere energetische Quellen aus technischer, ökologischer und wirtschaftlicher Sicht nicht vertretbar; für die hydroelektrische Versorgung von Bergbauernhöfen in Extremlagen nach Einzelfallprüfung.“”, so der Fischereiverein.

“Da dieses Gesetz offensichtlich gegen den Wassernutzungsplan als auch gegen die EU-Wasserrahmenrichtlinie verstößt, gehen wir davon aus, dass der Landesfischereiverband Südtirol als auch der Dachverband für Natur- und Umweltschutz (die bereits im Vorfeld auf die Problematik rund um die Aufweichungen der Bestimmungen durch das Omnibusgesetz aufmerksam gemacht haben) den zuständigen Gremien in Rom und Brüssel einen Wink geben werden, damit diese den Art. 25 des Landesgesetzes 10/2018 wieder kassieren”, so die Fischer.

Landesrat Theiner kontert: “Die ganze Aufregung ist unangebracht”

Landesrat Theiner wehrt sich laut Medienberichten gegen die Vorwürfe des Fischereiverbands, dass die Gewässer durch den ermöglichten Bau von Kraftwerken gefährdet seien. “Die Bauern dürfen nämlich nur so viel Strom produzieren, wie sie in den letzten Jahren durchschnittlich verbraucht haben. Außerdem braucht es immer noch ein positives Gutachten der Landesumweltagentur zur Gewässerökologie”, erklärt Theiner und betont zugleich, dass die Umweltagentur und das Assessorat in den letzten Jahren diesbezüglich immer sehr streng vorgegangen seien.

Von: luk

Bezirk: Bozen