Landtag

Fragestunde: Marinzen, Verlustbeiträge, Hagelnetze und Grippe

Dienstag, 10. November 2020 | 19:58 Uhr

Bozen – Die Landesregierung hat am 6. Oktober 2020 mit einigen Auflagen die Variante 2 (Machbarkeitsstudie für die Kabinenbahn ohne Abfahrtspiste im oberen Teil) für die Erweiterung des Skigebietes Marinzen (Gemeinde Kastelruth) und dessen Anbindung an das Skigebiet der Seiser Alm genehmigt, bemerkte der Landtagsabgeordnete Paul Köllensperger und richtete im Landtag folgende Fragen an die Landesregierung: Warum wurde der Marinzen Beschluss zum wiederholten Male – trotz Aufhebung des Verwaltungsgerichts – vorgelegt? Welcher Landesrat hat den Beschluss “fuori sacco” vorgelegt? Hält es die Landesregierung wirklich für sinnvoll, zwischen die zwei Umlaufbahnen in Seis und St. Ulrich in Gröden noch eine 3. hineinzusetzen, deren Rentabilität mehr als fraglich ist, und trotz der negativen Gutachten aller Ämter? Wird das Projekt mit öffentlichen Geldern finanziert? Wenn ja, um welche Summe handelt es sich?

Er habe das Projekt in Auftrag gegeben, antwortete LR Daniel Alfreider. Zu den Beiträgen gebe es verschiedene Beschlüsse der Landesregierung, aber zuerst müsse die Anlage noch eingestuft werden. Das Genehmigungsverfahren werde auch von anderen Ressorts mit betreut. Man stehe erst am Anfang des Verfahrens.

Am 12. Oktober 2020 veröffentlichte eine Südtiroler Mutter in den sozialen Medien einen erschütternden Bericht über ihr allzu früh verstorbenes Baby, berichtete Andreas Leiter Reber. Gemäß den Schilderungen litt ihre sechseinahlb Monate alte Tochter von Geburt an an einem Herzfehler, der am 4. September mit einer Operation im Krankenhaus von Padua hätte behoben werden sollen. Aufgrund der steigenden Corona-Infektionszahlen und der diesbezüglichen Maßnahmen wurde der Termin vom 4. September auf den 29. September 2020 verschoben. Wenige Tage vor diesem zweiten Termin erkrankte das Baby und konnte nicht mehr am angesetzten Termin operiert werden. Am 2. Oktober 2020 ist es verstorben. Leiter Reber ersuchte die Landesregierung um die Beantwortung folgender Fragen: Kann der Südtiroler Sanitätsbetrieb den oben genannten Bericht bestätigen und ist ihm bekannt, dass die für das Baby lebensnotwendige Operation in Padua aufgrund des Corona-Notstandes vom 04. auf den 29. September 2020 verschoben wurde? Wenn ja, welche anderen Kliniken im Inland und dem benachbarten Ausland haben die Voraussetzungen eine solche Herzoperation durchzuführen? Hat der Sanitätsbetrieb Maßnahmen ergriffen, um diese Operation an einer anderen Klinik zu ermöglichen? Wenn ja, welche? Herzbehandlungen und Krebsoperationen aber auch sehr viele Diagnose- und Früherkennungsmaßnahmen wurden aufgrund von Corona-Maßnahmen abgesagt und verschoben. Von welchem Anstieg an Erkrankungen und Todesfällen, welche auf zu späte Diagnosen und Operationen zurückzuführen sind, geht der Sanitätsbetrieb für die nächsten Jahren aus?

Das Baby sei mit einem Herzfehler geboren worden, antwortete LR Thomas Widmann. Kurz vor der geplanten Operation im September habe es eine Komplikation gegeben, die nichts mit dem Herzfehler zu tun habe. Kinderherzchirurgie gebe es in Innsbruck nicht. Der tragische Ausgang hätte aber durch eine vorgezogene Operation nicht verhindert werden können. Herzoperationen seien wegen der Pandemie nicht verschoben worden.

Mit Beschluss der Landesregierung Nr. 270/2020 wurde als eine Maßnahme des Covid-19-Notstandes die Entscheidung getroffen, Unterstützung in Form von Verlustbeiträgen für Kleinunternehmen mit bis zu fünf Beschäftigten zu gewähren, erklärte Helmut Tauber. Das Unternehmen muss allerdings bereits vor dem 23. Februar 2020 tätig gewesen sein. Es wurde mehrmals angekündigt, weitere Maßnahmen zu setzen, um Unternehmen, die knapp nach diesem Datum geöffnet bzw. Übertragen wurden, unter die Arme greifen zu können. Ähnliche gelagerte Situationen gibt es auch bei den Zuschüssen für Unternehmen, welche in besonders betroffenen Wirtschaftssektoren tätig sind, wie etwa Diskotheken. Taubers Fragen an die Landesregierung: Wie gedenkt die Landesregierung Betriebe unterstützen, die ihre Tätigkeit erst nach dem 23. Februar 2020 aufgenommen haben? Wie viele Betriebe wurden in Südtirol nach dem 23. Februar gegründet, die prinzipiell die Kriterien erfüllen würden, jedoch auf Grund des Tätigkeitsbeginns nach dem 23. Februar keinen Anspruch haben? Wie gedenkt man die Diskotheken künftig zu unterstützen, zumal es sich um eine Branche handelt, die weiterhin ihre Tätigkeit nicht ausüben kann?

Bei den Hilfsmaßnahmen habe man natürlich auch Richtlinien vorgesehen, erklärte LR Philipp Achammer. Man habe überlegt, auch Betriebe, die nach dem 23. Februar gegründet wurden  – es seien 485 – zu unterstützen, aber das sei auch eine Frage der Finanzierbarkeit und der Bewertung des erwarteten Umsatzes. Bei diesen Betrieben werde man sich die Liste im Detail anschauen, einige hätten nie ihre Tätigkeit aufgenommen. Die Diskotheken hätten die Möglichkeit, über die zweite Beitragsschiene anzusuchen.

Obwohl weiße Hagelnetze laut Landesregierungsbeschluss von 2006 verboten seien, sehe man immer noch welche, berichtete Brigitte Foppa. LR Hochgruber Kuenzer habe auf entsprechende Anfrage geantwortet, dass die Regelung Gemeindesache sei. Nun wolle sie weiße Fäden in Hagelnetzen verbieten, stoße aber auf Widerstand in der Landesregierung. Foppa richtete dazu folgende Fragen an die Landesregierung: Hat die Landesregierung nun die Zuständigkeit über die Hagelnetze, oder nicht? Gibt es einen 2. Beschluss der Landesregierung, mit dem die Bestimmungen von 2020 zu den weißen Hagelnetzen widerrufen werden, oder nicht? Warum sind die Beschlüsse nicht online? Stimmt es, dass es positive Gutachten zu weißen Hagelnetzen gab? Wer hatte diese ausgestellt? Stimmt es, dass darüber in der Landesregierung unterschiedliche Meinungen vorherrschten und am Ende jene der Landschaftsschutzlandesrätin plus jene der Gutachter zweitrangig war? Wir bitten um eine Schilderung der Diskussion in der Landesregierung.

LR Maria Hochgruber Kuenzer stellte klar, dass die Zuständigkeit für die Regelung bei der Landesregierung liege. Der Gemeinderat könne Gebiete festlegen, in denen zum Schutz des Landschaftsbildes Hagelnetze verboten sind. Der Landesregierungsbeschluss sei auf der Homepage des Landes abrufbar. Die Diskussion in der Landesregierung sei sachlich geführt worden. Es sei bereits festgelegt, dass es graue Hagelnetze geben könne mit schwarzen Lang- und weißen Querfäden. Ein neuer Beschluss sei nicht nötig gewesen.

Bereits vor dem Beschluss der Landesregierung, die Grippeimpfung für alle SüdtirolerInnen kostenlos anzubieten, war der Ansturm auf die Impfzentren und Hausärzte groß, bemerkte Maria Elisabeth Rieder. Termine im Sanitätsbetrieb waren in kürzester Zeit erst Ende November oder gar im Dezember zu bekommen. Bei den Ärzten für Allgemeinmedizin und den niedergelassenen Pädiatern geht es zwar schneller, jedoch fehlt dort der Impfstoff, weil sie nur beschränkte Mengen erhalten, als sie anfordern. Außerdem gibt es kaum Nachschub. Im Antwortschreiben auf die entsprechende Anfrage Nr. 944/20 geht die Landesregierung davon aus, gut vorbereitet zu sein, was derzeit aber nicht zu sein scheint. Rieder stellte dazu folgende Fragen: Wie viele Impfdosen wurden bestellt? Wie funktioniert die Verteilung? Wurden die Ärzte für Basismedizin und Pädiater vorab über die kostenlose Impfung aller Südtiroler/Innen informiert? Wann und wie erhielten sie die Information? Wie hat sich der Südtiroler Sanitätsbetrieb auf diesen Ansturm vorbereitet? Welche Personengruppen umfasst der Begriff „alle SüdtirolerInnen“?

Die Durchimpfungsrate sei in Südtirol gering, aber sie sei die Basis für die Zuteilung, antwortete LR Thomas Widmann. Man habe sehr viele Impfdosen bestellt, aber die Lieferung hänge von der Verfügbarkeit ab, und die sei weltweit knapp. Für November habe die Firma eine zweite Lieferung zugesagt, die vor allem an Risikogruppen gehen werde.

Gemäß den Medienberichten vom 19. Oktober 2020 sollen die Krankenhäuser im Land aufgrund der vielen Neuinfektionen mit dem neuartigen Coronavirus unter Druck geraten, stellte Ulli Mair fest. Laut Generaldirektor des Sanitätsbetriebes seien derzeit knapp 100 Betten in den Südtiroler Krankenhäusern bereits mit COVID-19-Patienten belegt. Das Aufnahmelimit würde bei etwa 400 bis 500 Patienten liegen. Gemäß Generaldirektor Zerzer soll nun alles, was nicht mit dem Coronavirus zu tun habe, zurückgefahren werden. Mair ersuchte die Landesregierung um die Beantwortung folgender Fragen: Wer entscheidet, welche Dienste an den Krankenhäusern zurückgefahren werden, damit der Behandlung von COVID-19-Patienten Priorität eingeräumt werden kann? Welche Dienste wurden bereits zurückgefahren und welche Krankenhäuser sind davon betroffen? Wurden bereits sämtliche Abteilungen der Krankenhäuser über das Zurückfahren der Dienste informiert? Wenn Ja, mit welchem Schreiben? Wenn Nein, aus welchen Gründen nicht? Welche Behandlungen werden als nicht dringend eingestuft und welche Behandlungen genießen die gleiche Priorität wie die Coronafälle? Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass alle Patienten unabhängig ihrer Erkrankung das Recht auf eine entsprechende Behandlung haben? Wird auch die Behandlung von Krebspatienten und Patienten mit Herz- und Kreislaufschwächen zurückgefahren? Wenn Ja, in welchem Ausmaß?

Über die Dienste entscheide der Generaldirektor mit dem leitenden Personal im jeweiligen Ressort, antwortete LR Thomas Widmann. Viele Dienste seien zurückgefahren worden, nicht aber onkologische Behandlungen oder Behandlungen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen u.a. Damit diese Dienste aufrecht bleiben könnten, seien die heute vorgestellten Maßnahmen wichtig. Nach der zweiten Welle wolle man die Wartezeiten, die sich jetzt ergäben, wieder abbauen, was auch nach der ersten Welle gelungen sei.

Aus der aktuellen Regierungsvereinbarung zwischen SVP und Lega Südtirol entnahm Helmuth Renzler, dass eine Datenbank ausgearbeitet werden soll, die alle Sozialleistungen des Landes, der Gemeinden, der Region und der staatlichen und halbstaatlichen Körperschaften erfasst. Diese Datenbank soll unter anderem dazu dienen, die Gesuchsteller und Sachbearbeiter von unnötigem Bürokratismus zu entlasten sowie zukünftig den Missbrauch von Sozialleistungen zu unterbinden. Dies bringt eine effizientere, bürgerfreundlichere Dienstleistung mit sich, meinte Renzler und stellte dazu folgende Fragen: Wie weit ist man mit der Umsetzung fortgeschritten? Worin liegen die Hauptprobleme bei der Umsetzung dieser Datenbank? Welche Körperschaften werden zukünftig Zugriff auf diese Datenbank erhalten? Welche Leistungen werden mit dieser Datenbank erfasst? Innerhalb wann denkt die Landesregierung, dass diese Datenbank aktiv sein wird? Mit einer solchen Datenbank könne man die Zielgenauigkeit besser überprüfen, erklärte LR Waltraud Deeg. Bei den derzeitigen Engpässen in der Informatikabteilung sei das Projekt erst nach einigen Jahren umsetzbar. Die Aktuelle Fragestunde geht morgen ab 10.00 Uhr weiter.

Von: mk

Bezirk: Bozen