Von: mho
Bozen – Die Landesregierung hat am Donnerstag das neue Raumordnungsgesetz genehmigt, welches nun im Landtag verabschiedet werden soll. Die Grüne Landtagsfraktion sieht einmal mehr Lobby- als Umweltinteressen bedient.
In seiner Rede zum Landeshaushalt 2018 habe Landeshauptmann Arno Kompatscher laut Grünen unverblümt gesagt, wozu der von der Landesregierung heute genehmigte Gesetzentwurf zu Raum und Landschaft dienen soll, nämlich erstens zur Entbürokratisierung, zweitens Bürgernähe, drittens Vereinfachung der Verfahren, viertens Rechtssicherheit und fünftens Planbarkeit.
Die Grünen deuten dies als ein klares Plädoyer für Liberalisierung. Die Ziele sollte vielmehr heißen: Schutz des Bodens, Eindämmung der Zersiedelung, Raum als Ressource, Schutz des Gemeinwohls, sowie Transparenz.
“Wir gestehen Landesrat Theiner zwar die gute Absicht zu, mit diesem Gesetz ein bleibendes Vermächtnis seiner Amtszeit zu hinterlassen, müssen jedoch aus mehrfacher Sicht Kritik vorbringen”, so die Grünen Landtagsabgeordneten in einer Aussendung.
Das neue Raumordnungsgesetz, ein Mitbestimmungsfake?
“Wir teilen die Kritik der Umweltvereine, die die Entstehungsweise des Gesetzentwurfs beanstandet hatten. Die Genese war leider kein Beispiel für gelingende Partizipation, sondern weit mehr für gelingendes Lobbying. Partizipationsprozesse dürfen nicht in Verwirrung und verschleiernd enden, sondern müssen allen, wirklich allen Beteiligten die Möglichkeit geben, sich auch im Ergebnis wiederzufinden”, kritisieren Foppa, Heiss und Dello Sbarba.
Bodenverbrauch wird nicht verringert werden
Umweltvereine, aber auch der neue Abteilungsdirektor Frank Weber hätten darauf hingewiesen, dass das neue Gesetz zu einer Steigerung des Bodenverbrauchs führen werde, entgegen der Versprechungen der Landesregierung. Denn Maßnahmen wie Versiegelung, Erschließung und Bebauung für die landwirtschaftliche Produktion sollen nicht als Bodenverbrauch gelten, Flächenverbrauch solle aus wirtschaftlichen Gründen weiterhin erlaubt sein.
Die Aussage „Bodenverbrauch außerhalb des Siedlungsgebietes darf nur dann zugelassen werden, wenn er notwendig ist und es dazu keine wirtschaftlich und ökologisch vernünftigen Alternativen durch Wiederverwendung, Wiedergewinnung, Anpassung oder Vervollständigung bestehender Siedlungen gibt […]“(Art. 17) ziehe sich unverändert durch die diversen Versionen des Entwurfs. Hier werde also mit dem Grundsatz zugleich die generelle Ausnahmebestimmung festgeschrieben und Letztere dadurch regelrecht
Natur- und Landschaftsschutz kommen zu kurz
Bei der Lektüre der diversen Entwurfsstadien fällt den grünen Abgeordneten auf, dass der Bereich Natur und Ökologie kaum Niederschlag im Gesetz findet, einzig das Thema Landschaft werde behandelt. “Allerdings scheint es so, als habe die Landschaft immer wieder das Nachsehen hinter Wirtschafts- und Landwirtschaftsinteressen. Bereits im Vorfeld war die Sinnhaftigkeit der Verlegung des Landschaftsschutzes in das Raumordnungsgesetz mehrfach angezweifelt worden. Denn obwohl der Landschaftsschutz Verfassungsrang genießt, wird er hier zu einem Unterkapitel des Raumordungsgesetzes degradiert”, so die Kritik.
Auffallend seien die progressive Verstümmelung und Verkümmerung des Landschaftskonzeptes, es beinhalte weder das Konzept von Biodiversität und ökologischer Vernetzung, noch die Instrumente und Grundsätze des Landschaftsschutzes. Außerdem gälte es nicht nur Gebiete von herausragender landschaftlicher Bedeutung zu schützen, sondern auch gewöhnliche und beeinträchtigte Landschaften.
Wie ist das nun mit dem Wertausgleich?
Wichtigste Maßnahme für den „sorgsamen Umgang mit Grund und Boden“ stellt das Konzept des Wertausgleichs. Damit solle der Spekulation ein Riegel vorgeschoben werden.
“Es ist absolut widersprüchlich, den Wertausgleich für das primäre Recht „Wohnen der BürgerInnen“ vorzusehen und die Betriebe davon auszunehmen. Zuletzt war außerdem immer wieder davon die Rede, dass das Konzept des Wertausgleich an sich nun in Frage gestellt wurde, da insbesondere Unternehmerseite scharfe Kritik daran äußerte. Wir wissen noch nicht, wie sich der endgültig genehmigte Entwurf hierzu positioniert, vor dem weiteren Verwässern dieses Prinzips warnen wir ausdrücklich”, so die Grünen weiter.
Die kuriosen Ausnahmen: Lobbyinteressen bedient?
Die letzten Versionen des neuen Entwurfs zum Gesetz für Raum und Landschaft enthalten auch einige eigenartige Ausnahmen für Sonderfälle. Beispiele dafür sind die Sonderregelung für Gewerbegebiete (Art. 26):
„Für Gewerbegebiete müssen Durchführungspläne erstellt werden. Dies gilt nicht für die Erweiterung bestehender Gewerbegebiete, die keiner zusätzlichen Flächen für Erschließungsanlagen bedürfen und für die Gebiete, die für die Ansiedlung eines einzigen Unternehmens bestimmt sind oder in denen mindestens 75% der Flächen verbaut sind.“ oder jene in Art. 29: „Für Einzelhandelstätigkeiten gelten die Begrenzungen laut Artikel 32, Absatz 3, wenn das betroffene Gebiet vormals Gewerbegebiet war. Ausgenommen sind an Mischgebiete angrenzenden Gebiete urbanistischer Neugestaltung in Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern.“
Achtung vor den Sondernutzungsgebieten zu touristischen Zwecken
Die neuen „Sondernutzungsgebiete“ seien von der Gesamtregelung der Siedlungsgebiete ausgenommen. Gewiss habe man Verständnis für bestimmte Anlagen, die natürlicherweise außerhalb der Siedlungsgrenze lägen, etwa Schotterwerke oder E-Werke. “Weniger einleuchtend ist hingegen die Einordnung von Tourismusbetrieben in dieselbe Kategorie wie Schotter- und E-Werke. Hier wird große Aufmerksamkeit geboten sein”, warnen die Grünen.
Der neue Gesetzentwurf zur Raumordnung sie also ein Zwitter: “Begrüßenswerten Grundsätzen wie Einschränkung des Bodenverbrauchs, Einführung einer Siedlungsgrenze und mehr Fachkompetenz in den Gremien stehen sorgsam konstruierte Ausnahmen entgegen, die von der Feinarbeit der Lobbies künden. Deren Mitwirkung am Gesetzesentwurf ist jene Partizipation in Südtirol, die wirklich funktioniert. Die Grünen werden sich bemühen, im Landtag jene öffentliche Auseinandersetzung zu führen, die dieses zentrale Gesetz wirklich bedarf”, so die drei Abgeordneten abschließend.