"Zeichen der Hilflosigkeit und der Inkompetenz"

Gegen Kindersitze mit Alarm: Initiatorinnen wenden sich an Politik

Dienstag, 04. Februar 2020 | 19:52 Uhr

Eppan/Bozen – Die Initiatorinnen der Petition „Irrsinn des Gesetzes – StopAntiAbbandono“ Manuela Stuefer, Monika Bernard und Petra Scherlin haben allen Parteien und Abgeordneten im Südtiroler Landtag ein offenen Brief geschrieben. Die drei Mütter aus Eppan wehren sich gegen das Gesetz, das die Nachrüstung aller Kindersitze für Kinder bis zum vierten Lebensjahr mit einem Alarmsystem vorsieht.

Eines nehmen die drei Frauen gleich vorweg: Kein Kind sollte im Auto sterben. Das sei allen klar. Trotzdem handelt es sich in ihren Augen um ein „irrsinniges Gesetz“ und sie wundern sich, wie Südtirols Politiker so etwas einfach dulden, stillschweigen oder eventuell sogar gutheißen.

Ins Leben wurde dieses Gesetz, nachdem acht Babys in 20 Jahren – von 1998 bis 2018 – ums Leben gekommen sind. Im selben Zeitraum sind in Italien über elf Millionen Babys geboren worden! Im Schnitt zirkulieren jährlich 2.226.441 Kinder zwischen null und vier Jahren auf den Straßen Italiens. Auch deshalb macht das Gesetz in den Augen der drei Initiatorinnen keinen Sinn.

„Die Politik, Hersteller und Unternehmer reden uns ins Gewissen, jedoch liegt die Vermutung nahe, dass dieses Gesetz in erster Linie der Wirtschaft zugutekommt und nicht dem Wohle der Kinder: Man kann einfach die Zahl der Neugeborenen mit den Anschaffungskosten multiplizieren!“, so die drei Müttter. Im Detail bedeute das: 1,8 Millionen Kinder brauchen ab März 2020 einen „Sender“ unter ihrem Hintern. 1,8 Millionen Kinder brauchen zum Teil mehrere Sender, da sie nicht immer von derselben Person gebracht bzw. geholt werden.

Das Wichtigste in den Augen der Mütter ist: Niemand habe beim Verfassen dieses Gesetzes an die möglichen Folgen für die Gesundheit und die körperliche Entwicklung der Kinder oder an die Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung durch die Familien gedacht.

„Bereits seit Jahren sind Unfruchtbarkeit bzw. Zeugungsunfähigkeit im Steigen, Neubildungen und Tumoren im Unterleib auf dem Vormarsch. Die genauen Ursachen dafür sind aktuell nicht gänzlich bekannt, Wissenschaftler schließen auch einen Zusammenhang mit der Verwendung elektromagnetischer Strahlung nicht aus. Es ist unverantwortlich eine ganze Generation auf Sensoren zu setzen, ohne die Gewissheit zu haben, dass deren Strahlung wirklich gesundheitlich unbedenklich ist. Elektronische Geräte wie Handys, Fotoapparate, Laptops und vieles mehr, dürfen wegen möglicher Beschädigung und/oder Explosion der Batterien keinen hohen Temperaturschwankungen bzw. hoher Temperatur ausgesetzt sein. Diese kann bekanntlich in einem in der Sonne stehenden Fahrzeug durchaus 70°C erreichen. Und wir sollen unsere Kinder auf genau solche Geräte direkt setzen? Es gibt diesbezüglich keine Erfahrungswerte und wir wollen nicht, dass unsere Kinder die Testpersonen dafür sind. Denn wir reden von einer ganzen Generation“, so die drei Frauen.

Die Eppanerinnen fragen sich, wie es die Politiker verantworten können, dass dieses Gesetz und das damit verbundene System uns durch hohe Strafen und drohenden Führerscheinentzug aufgezwungen und durchgesetzt werden. Das vorliegende Gesetz sei ein Zeichen der Hilflosigkeit und der Inkompetenz der zuständigen Politiker. Es gehe völlig am eigentlichen Anliegen vorbei, schaffe nur weitere Unsicherheiten und Ungerechtigkeiten, so die drei Frauen.

„Von der finanziellen Belastung ganz abgesehen! Der zugesicherte finanzielle Beitrag von 30 Euro pro Kind kommt nicht einmal der Hälfte der betroffenen Familien zugute. Denn der Betrag von 15,1 Millionen Euro (Bezugsjahr 2019) und weiteren fünf Mio. Euro (2020) reicht bei weitem nicht aus!“, erklären die drei Frauen. 30 Euro mal 1,8 Millionen Kinder seien 54 Millionen Euro.

„Leider werden auch in Zukunft Kinder im Fahrzeug vergessen werden, denn die Familienpolitik in Italien und die Umstände, in welche Familien gebracht werden, verschlimmern die Situation zusehends“, sind die Frauen überzegugt. Das sehe man anhand der Umstände, die zum Vergessen der Babys geführt haben.

„Wir brauchen eine engagierte Familienpolitik, die Eltern auf ihre Aufgabe vorbereitet und sie in Krisensituationen unterstützt. Wir finden, dass die Einführung eines Sicherheitssystems bei der Autoindustrie eingefordert werden muss, welche diese künftig serienmäßig in ihr Programm aufnehmen sollte, wie es bei Sicherheitsfragen bereits in der Vergangenheit passiert ist (zB. Einführung von Airbags, ESP, Sicherheitsgurt, Isofix…) und nicht bei den Eltern, welche bei der Umsetzung dieses Dekrets vor vielen Fragen und Schwierigkeiten stehen und eine finanzielle Belastung erleben“, so die drei Mütter aus Eppna.

Auch bedürfe es für die Umsetzung mehr Zeit. „In Amerika beispielsweise werden bis 2025 neue Fahrzeuge mit einem entsprechenden System ausgestattet sein.“

Die Eppanerinnen fordern Landespolitiker und Parlamentarier dringend auf, sich für die Überarbeitung und Abänderung des Gesetzes „Anti Abbandono“ stark zu machen. „Das aktuelle Gesetz wird die Zahl der toten Babys in Fahrzeugen nicht verringern, es schützt die Kinder nicht vor der Gefahr, die durch mangelnde Sorgfaltspflicht der Eltern entsteht! Außerdem führen Gesetze und Systeme wie diese dazu, dass die Menschen immer weniger nachdenken und an Eigenverantwortung verlieren, da sie sich vermehrt auf technologische Hilfsmittel verlassen und weniger auf sich selbst“, so Manuela Stuefer, Monika Bernard und Petra Scherlin.

Nun knapp einen Monat vor Einsetzen der Sanktionen wüssten Familien vieles immer noch nicht, es blieben weiterhin zahlreiche Unklarheiten bestehen, etwa welche Geräte zulässig und gesetzeskonform sind oder ob die Kindersitze trotz Verwendung eines Zusatzgerätes weiterhin homologiert sind.

Das Gesetz lasse weiterhin Raum für Interpretation. Niemand könne mit Gewissheit sagen, wie die wenigen Familien in Genuss des versprochenen Beitrages kämen.

„Wir finden es enttäuschend, dass die Politik zu diesen Missständen schweigt! Über eine Petitionsplattform ist es uns in nur zwei Monaten gelungen, 6000 Unterschriften von Personen zu sammeln, die genauso über dieses Gesetz denken wie wir. Der Großteil der Unterzeichnenden stammt aus der Provinz Bozen“, erklären die Frauen.

Die politischen Vertreter seien nun aufgefordert, dieses Problem konkret anzugehen, die vorgebrachten Kritikpunkte und Vorschläge ernst zu nehmen und eine Abänderung des Gesetzes in Rom durchzusetzen, heißt es abschließend in dem Brief.

Von: mk

Bezirk: Bozen, Überetsch/Unterland