Von: mk
Bozen – Am Dienstag, 18. Juli ist die definitive Version des Klimaplans Südtirol 2040 vorgestellt worden. Für die Grünen ein zentrales Dokument, das eine genauere Analyse verdient. Die grünen Landtagskandidatinnen und -kandidaten Brigitte Foppa, Madeleine Rohrer und Zeno Oberkofler haben in unterschiedlichen Rollen die Entstehung des Planes in den letzten Monaten und Jahren verfolgt und deshalb in einer Pressekonferenz in Bozen am 21. Juli Stellung genommen.
„Diät ohne Plan“
Brigitte Foppa, Fraktionssprecherin und Spitzenkandidatin, begann mit der zeitlichen und politischen Einordnung des Klimaplans. „Denn dieser Klimaplan baut auf jenem von 2011 auf, der bis vor kurzem in völliger Vergessenheit vor sich hindämmerte. In dieser Zeit ist der Meeresspiegel um 2,7 Zentimeter angestiegen. Die Ära Kompatscher begann 2014 und es ist das größte Versäumnis seiner zwei Amtszeiten, die Wichtigkeit des Klimathemas völlig unterschätzt zu haben. Denn die Ziele des damaligen Klimaplans wurden nicht ansatzweise erreicht. 2022 hieß es dann, sie seien eben ‚zu ambitioniert‘ gewesen. Nun hat die Nachhaltigkeitserleuchtung stattgefunden, der neue Klimaplan ist da in einer netten Verpackung“, so Foppa.
Der Klimaplan 2040 agiere in drei Richtungen. Er sei im Wesentlichen eine ausführliche Analyse der Emissionslage. Dazu gebe es schon seit Längerem die Daten. Weiters sei er eine Sammlung von Zielen sowie die Beschreibung eines Prozesses.
„Wir teilen die Gesamtzielsetzung Klimaneutral innerhalb 2040 natürlich, sie ist richtig und notwendig. Und auch der Ansatz der Partizipation ist richtig und notwendig – der Ausschluss des Landtags ist andererseits gravierend. Aber das Problematischste ist sicher, dass bei den meisten Zielen der Weg dorthin nicht beschrieben oder auch nur angerissen wird. Nehmen wir nur ein Beispiel aus dem Aktionsfeld Landwirtschaft: Bis 2030 soll die Bio-Anbaufläche 25 Prozent betragen, das ist immerhin eine Verdoppelung in wenigen Jahren. Wie das gehen soll, dass im nächsten Jahr jeder siebte Betrieb umstellt, das steht im Klimaplan nicht geschrieben. Oder das Beispiel Nettoneuversiegelung: Sie soll bis 2040 auf null sinken. Was das für das nächste Jahr bedeutet, ist völlig unklar. Ohne Zwischenschritte gibt es keinen Weg. Ich gehe davon aus, dass wir in einem Jahr feststellen werden, dass sich nichts getan hat, oder viel zu wenig“, laut Foppas Fazit.
„Vom Tiger zum Bettvorleger“
Madeleine Rohrer erinnerte daran, dass die Landesregierung im August letzten Jahres den ersten Teil des Klimaplans beschlossen hat. Knapp ein Jahr später folgt ein weiterer Beschluss, allerdings nicht der angekündigte zweite Teil. Stattdessen werde der Klimaplan Südtirol 2040 neu aufgelegt. Überraschend sei, dass die Maßnahmen mehr oder weniger dieselben blieben, die Ziele für ausgewählte Bereiche aber herabgestuft worden seien: „Erstens sollen laut endgültiger Version weniger Menschen vor Armut bewahrt werden. Dabei sind gerade finanziell schlecht gestellte Menschen stärker vom Klimawandel betroffen. Zweitens soll der private Autoverkehr um 30 Prozent – statt 40 Prozent – abnehmen, dafür der Anteil an E-Autos zunehmen. Wird noch mehr Strom aus erneuerbaren Quellen verfahren, reicht er trotz Ausbau der Photovoltaik nicht fürs Wohnen und Wirtschaften aus. Drittens sollen alle Emissionen aus der Landwirtschaft zusammen bis 2030 um nur zehn Prozent sinken – statt Halbierung von Lachgas und 30 Prozent weniger Methan.“ Die Landesregierung schiebe damit den Klimaschutz auf die jungen Menschen bzw. die zukünftigen Generationen ab. Umso länger zugewartet werde, desto konfliktreicher und kostspieliger würden Klimaschutz und Anpassung an die Folgen, so Madeleine Rohrer.
Der Plan habe von Version zu Version auch an Verbindlichkeit verloren. Das zeige sich unter anderem an der Rolle der Gemeinden. In der zur Konsultation freigegebenen Version von Ende 2021 hieß es noch, dass alle Gemeinden innerhalb 2024 einen Klimaplan haben oder die Gemeindefinanzierung werde gekürzt. Inzwischen sei der Klimaplan zur „politischen Selbstverpflichtung“ herabgestuft worden und „dient daher als Orientierung; an ihm können die Strategien und insbesondere die Klimapläne auf Gemeinde- und Bezirksebene ausgerichtet werden“. Anders gesagt: Die Bürgermeister können sich fürs Klima einsetzen, oder auch nicht.
„Zeit zu handeln“
Der Blick von Zeno Oberkofler in die Zukunft ist entsprechend besorgt. „Den vielen Fragestellungen, die im Klimaplan angesprochen werden, hätte man in diesen fünf Jahren eine Antwort geben müssen. Es geht endlich um die konkrete Analyse der lokalen Situation (Potenziale und Herausforderungen), aber noch nicht um die konkrete Umsetzung. Es waren fünf Jahre der Bewusstseinsbildung für die Landesregierung und fünf verlorene Jahre für die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen“, sagte Klimaaktivist Oberkofler bei der Pressekonferenz.
Er fügte hinzu: „Das Verbot von neuen Öl- und Gasheizungen, das laut Klimaplan eigentlich schon ab 2023 gelten sollte, ist z.B. ein notwendiger, aber zugleich nicht ganz einfacher Schritt. Was ein Eingriff in die Planung von Tausenden von Haushalten in Südtirol darstellt, bezeichnet Landesrat Vettorato im Landtag als einen ‚Tippfehler‘. Ich finde das beschämend, denn es zeigt, dass dieser Landesrat für Umwelt erstens die Pläne, die er selbst beschließt, anscheinend gar nicht kennt und zweitens, dass er überhaupt keine Sensibilität gegenüber denjenigen hat, die ihre Heizung austauschen müssen und dringend Sicherheit in der Planung und der Finanzierung brauchen. Wir haben eine Legislaturperiode gebraucht, um die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen auf die nächste Legislaturperiode zu verschieben. Die nächsten 5 Jahre werden deshalb entscheidend sein. Südtirol braucht in jeder Hinsicht eine Landesregierung, die jetzt von der Planung in die Umsetzung kommt.“
Die Erderwärmung sei nicht mehr aufzuhalten und man könne sich nicht auf abstrakte Zielformulierungen beschränken, die Erwartungen herunterschrauben und erst recht nicht die Maßnahmen vor sich herschieben. „Die Klimawende muss Fahrt aufnehmen und dazu braucht es klare Prioritäten, breite Beteiligung und das Wissen um die Sozialverträglichkeit der Maßnahmen, damit die Menschen nicht in Widerstandshaltung gehen. Das ist nicht einfach, aber anders wird es nicht gehen“, so das Fazit von Foppa, Rohrer und Oberkofler.