Von: luk
Bozen – Das „ Landestourismusentwicklungskonzept 2030+“ bereitet als wichtige Analyse den aktuellen Stand des Tourismus und langfristige Trends gut auf. “So sorgsam die Analyse, so vorsichtig sind die Empfehlungen, die auf ökologische und klimatische Notwendigkeiten schwach reagieren und der notwendigen Trendwende im Tourismus nicht entsprechen.”
Die Grüne Landtagsfraktion hebt fünf Punkte hervor, die die Landesregierung bei der konkreten Umsetzung berücksichtigen sollte.
1. Notwendigkeit des Bettenstopps ist erkannt, weiteres Wachstum garantiert.
Südtirol verfügt nach aktueller ASTAT-Zählung über 229.375 Betten im gastgewerblichen und außergewerblichen Bereich, wozu noch absehbar 10.000 weitere, bereits genehmigte Betten hinzukommen, ebenso ungezählte Zustellbetten sowie das stark wachsende Airbnb-Segment mit ca. 4.000 Unterkünften. Damit hat unser Land die höchste Beherbergungsdichte aller Alpenregionen mit über 20 gastgewerblichen Betten pro Quadratkilometer. Dieser alpenweite Rekord wird von Dauer sein, da in den kommenden Jahren wahrscheinlich ein Stand von 250.000 Betten erreicht wird; auch mit Hilfe des Verteilungsmechanismus einer Bettenbörse.
Fazit: Der nun auch von der Landespolitik und HGV prinzipiell anerkannte Bettenstopp, den wir Grünen seit zehn Jahren fordern, wird gebilligt – nach offenkundig erreichter Überkapazität.
Eine Deckelung wird nach der nun beabsichtigten Zählung angestrebt, faktisch wird der hohe Ist-Stand zementiert. Bildlich gesprochen wird das Tor halb geschlossen, nachdem „die Kühe bereits aus dem Stall“ sind.
2. Betten stehen nicht auf grüner Wiese, sondern bedeuten ständig wachsendes Bauvolumen.
Kein anderer Gesellschafts- und Wirtschaftsbereich hat in den letzten Jahren mehr Bauvolumen verbaut als der Tourismussektor, Jahr um Jahr waren es mehrere 100.000 m³. Jedes Bett bedeutet auch neu verbauten und versiegelten Lebensraum. Denn Hotels und Resorts entstehen nur zum Teil im örtlichen Bestand, sondern oft auf der „Grünen Wiese“ und in besten Landschaftslagen. Der angekündigte Stopp für Resorts und große Strukturen über 140 Betten ist daher willkommen, reicht aber nicht aus.
Daher sollten künftig neben touristisch entwickelten und schwachen Gemeinden auch „touristische Ruhezonen“ errichtet werden: Gemeinden, die auf touristische Neubauten zur Gänze verzichten und dafür mit Finanzierungsboni als „Ausgleichsmaßnahme“ rechnen können.
3. Grüne Sterne als erster Schritt, Ziel bleibt Klimagerechtigkeit.
Betriebe sollen nach Empfehlung des LTEK im Falle der Einhaltung besonderer ökologischer Kriterien einen „Grünen Stern“ erhalten, der nicht nur als Einstufung gilt, sondern auch als Werbemaßnahme Wirkung entfaltet.
Noch besser wäre eine Klimazertifizierung, der sich Betriebe in den kommenden Jahren schrittweise unterziehen sollten. Pro Gast und Nächtigung fallen rund 40 bis 100 kg CO2 (je nach Betrieb, Qualifikation und Lage) an. (Südtiroler Durchschnitt: 20 kg pro Tag. Und der müsste auf vier kg gesenkt werden!)
Daher ist es prioritär, den CO-2-Ausstoß pro Betrieb zu erfassen und Maßnahmen zu setzen, um ihn zu senken. Dass dies funktionieren kann, zeigen in Südtirol bereits mehrere Pionierbetriebe.
4. Urlaub auf dem Bauernhof ist wichtiger Zuerwerb und Visitenkarte – mit Neuausrichtung.
„Urlaub auf dem Bauernhof“ (UaB) verbindet als erfolgreiches Segment Regionalität und Qualität, UaB stärkt die bäuerliche Landwirtschaft und fördert mit dem Faktor „Authentizität“ Südtirols Markenbildung. Trotz allen Erfolgs verleitet UaB auch zu Missbrauch, zur Ausnutzung raumordnerischer Schlupflöcher und bedenklicher Steuervorteile.
Auch in diesem Bereich muss künftig die Zahl der Betriebe beschränkt werden. Die verstärkte Abnahme von lokalen und biologischen Produkten wie Milch, Fleisch, Korn, Gemüse und Obst durch die Tourismusbetriebe muss angestrebt werden: Synergien statt Konkurrenz.
5. Neue Mobilität für einen besseren Tourismus.
Tourismus und Mobilität sind untrennbar miteinander verknüpft. Eine postfossile An- und Abreise unserer Gäste steckt erst in den Anfängen.
Ziel bleibt es, bei der An- und Anreise stärker auf den Zug zu setzen und die bisher magere Quote von ca. 15 Prozent Öffi-Anreise um zwei bis drei Prozent pro Jahr zu erhöhen. Auch für einen fossilienfreien, öffentlichen Nahverkehr zwischen Bahnknotenpunkten und Reisezielen sowie am jeweiligen Aufenthaltsort bestehen große Spielräume. Wenn die Verkehrslenkung und -kontingentierung an den Dolomitenpässen und anderen Pässen umgesetzt ist (nur: wann?), wird die Ruhe unserer Bergwelt ungleich schöner erlebt werden können.
Fazit der Grünen: “Soll das Landestourismusentwicklungskonzept ein echter Problemlöser sein, so muss es mutiger sein. Neben dem drohenden Overtourism hat die Pandemie gezeigt, dass Südtirols Tourismus längst schon unter Überkapazitäten leidet. Die Tourismusjahre 2020 und 2021 haben nur im Sommer Rekorde gebrochen, der Sektor kann nicht mehr auf weiteres Wachstum setzen. Weniger Betten und ein gezügelter Ausbau sichern den Tourismus vor der Konkurrenz- und Dumpingfalle und vor dem spürbaren Mangel an Arbeitskräften. Es haben also alle zu gewinnen: die Urlauber, die Tourismustreibenden, die Natur und Landschaft, das Klima – und die im Lande Lebenden, wir Südtiroler.”