Von: APA/Reuters/dpa
Bei israelischen Angriffen im Gazastreifen sind nach Darstellung der Hamas am Sonntag insgesamt 30 Menschen an humanitären Verteilungszentren getötet und dutzende weitere verletzt worden. Die israelische Armee dementierte das am Abend. Unterdessen schwinden die Hoffnungen auf eine Waffenruhe und der israelische Generalstabschef Ejal Zamir kündigte die Ausweitung der Bodenoffensive auf weitere Gebiete des Gazastreifens an.
Eine vorläufige Untersuchung habe ergeben, dass das Militär “nicht auf Zivilisten geschossen hat, während diese sich in der Nähe oder innerhalb des Verteilungszentrums für humanitäre Hilfe aufhielten, und dass die Berichte entsprechend falsch sind”, hieß es in der Stellungnahme der Armee. Auch die Gaza Humanitarian Foundation (GHF), die über die Zentren Mahlzeiten verteilt, hatte davor die Berichte dementiert. “Unsere Hilfe wurde heute ohne Zwischenfall verteilt”, hieß es in einer Mitteilung. Seit Beginn des Einsatzes seien mehr als 4,7 Millionen Mahlzeiten verteilt worden. “Uns sind Gerüchte bekannt, die aktiv von der Hamas verbreitet werden und angebliche Todesfälle und Verletzungen am heutigen Tag betreffen”, hieß es. “Diese sind unwahr und frei erfunden.”
Anrainer und Sanitäter sagten dagegen, israelische Soldaten hätten vom Boden aus auf einen nahe gelegenen Kran geschossen, der das Gebiet überragt. Ein Panzer habe zudem das Feuer auf Tausende von Menschen eröffnet, die auf dem Weg waren, um Hilfe von der Stelle in Rafah zu erhalten. Aufnahmen von Reuters zeigten Krankenwagen, die Verletzte zum Nasser-Krankenhaus brachten. Das von der Hamas geführte Medienbüro der Regierung in Gaza sagte, Israel habe die Verteilungsstellen in “Todesfallen” für Menschen verwandelt, die verzweifelt Hilfe suchten.
Das Hamas-Medienbüro hatte von einem israelischen Angriff in einer Pufferzone in Rafah berichtet, wo die Stiftung Hilfsgüter verteilt habe. Israel ermöglicht der Stiftung die Verteilung von Hilfsgütern im Gazastreifen, um auf diese Weise Hilfsorganisationen der UNO und anderer Initiativen zu umgehen. Die UNO kritisiert das und wirft Israel vor, humanitäre Hilfe als Waffe einzusetzen. Israel hatte nach fast drei Monaten Blockade wieder Hilfslieferungen an die hungernde Bevölkerung in begrenztem Umfang erlaubt.
Israel will nach eigenen Angaben mit Hilfe des neuen Systems verhindern, dass die Hamas humanitäre Hilfe für sich abzweigt. Stattdessen will sie die Hilfsgüter direkt an die Menschen in Gaza übergeben. Die UN sagen, Israel habe keine Beweise für eine Kontrolle der Hilfsgüter durch die Hamas vorgelegt. Augenzeugen im abgeriegelten Gazastreifen haben jedoch in der Vergangenheit mehrfach bestätigt, Hamas-Kämpfer hätten Hilfslieferungen gekapert.
Bemühungen um Waffenstillstand stocken wieder
Unterdessen stocken die Bemühungen um eine Waffenruhe wieder. Die Hamas fordert Änderungen an einem US-Vorschlag, dass auf einen vorübergehenden Waffenstillstand und die Freilassung der von der Hamas in Gaza festgehaltenen israelischen Geiseln im Austausch gegen Palästinenser in israelischen Gefängnissen abzielt. Die US-Regierung, die Israel unterstützt, lehnte Änderungen ab.
Der israelische Generalstabschef Ejal Zamir kündigte am Sonntag die Ausweitung der Bodenoffensive auf weitere Gebiete des Gazastreifens an. Das teilte Israels Armee nach einem Truppenbesuch des Militärchefs im Süden des umkämpften Küstengebiets mit. “Wir befinden uns mitten in einer starken und unerbittlichen Operation”, sagte Zamir vor Soldaten. Die Offensive solle so lange laufen, bis “die Voraussetzungen für die Rückkehr der Geiseln und die entscheidende Niederlage der Hamas geschaffen sind”, hieß es in der Mitteilung weiter. Zamir sagte, die islamistische Terrororganisation verliere inzwischen die Kontrolle über den Gazastreifen. Details nannte er nicht.
Israel hatte seine Militäroffensive im palästinensischen Gazastreifen als Reaktion auf den von der Hamas angeführten Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 begonnen, bei dem nach israelischen Angaben 1.200 Menschen getötet und 251 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Bei der israelischen Offensive waren danach ein Großteil des Gazastreifens verwüstet und mehr als 54.000 Palästinenser getötet worden. Ein Großteil der palästinensischen Bevölkerung lebt mittlerweile in Notunterkünften in provisorischen Lagern. Mitglieder der israelischen Regierung wollen eine Vertreibung der rund zwei Millionen Menschen aus dem Gebiet – was etwa die Europäer ablehnen.
Am Samstag hatte Israel ein geplantes Treffen arabischer Minister in der palästinensischen Verwaltungshauptstadt Ramallah im besetzten Westjordanland blockiert. Ein israelischer Regierungsvertreter erklärte, man werde kein “provokantes Treffen” zur Gründung eines palästinensischen Staates fördern. Zuvor hatten Medien berichtet, dass arabische Politiker an der Einreise gehindert worden seien. Diese benötigen für die Reise von Jordanien ins Westjordanland die Zustimmung Israels. Nach Angaben der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) gehörten der Delegation Minister aus Jordanien, Ägypten, Saudi-Arabien, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten an. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu lehnt die von den Vereinten Nationen und europäischen Länder geforderte Zweistaaten-Lösung für Israelis und Palästinensern ab.
Aktuell sind 7 Kommentare vorhanden
Kommentare anzeigen