Von: mk
Brixen – Der Brixner Gemeinderat Brixen hat am 29.11.2019 mit großer Mehrheit bei nur zwei Gegenstimmen der Grünen Bürgerliste einen Landesbeitrag zur Gestaltung des 2,4 Hektar großen Hofburggartens in Höhe von 1,4 Millionen Euro eingebucht und bereits im Vorfeld weitere 0,5 Millionen Landesmittel zur Sanierung übernommen. Die bisher mündlich erfolgte Zusage des Landes, 80 Prozent der Kosten bis zu einer Höhe von zehn Millionen Euro zu tragen, wird somit ratenweise umgesetzt; in den folgenden Jahren sollen weitere Zahlungen folgen.
„Die Zusage stellt einen großen Bonus für Gemeindeverwaltung und Kurie dar. Die Verträge mit der Diözesanverwaltung sind erst in Ausarbeitung; ihr Inhalt wird genau zu bewerten sein, da die sie über die Bereitstellung der Fläche hinaus keine Leistungen erbringt und grundsätzlich nur Vorteile aus dem Abkommen erzielen dürfte. Der Auftrag an André Heller, der bislang nur eine Vorstudie zum Honorarsatz von ca. 40.000 Euro vorgelegt hat, soll nun auf definitive Grundlagen gestellt werden. Seine Beauftragung kann aufgrund des Landes-Vergabegesetzes direkt erfolgen, allerdings müssen sein künstlerischer Rang und seine Qualifikation von externer Stelle belegt werden. Zwei Jahre nach der vorläufigen Annahme der Vorstudie durch den Gemeinderat (14.12.2017) tritt das Vorhaben nun in eine neue Phase“, erklärt die Initiativgruppe für einen Offenen Hofburggarten in einer Asusendung.
Die in ihren Augen wichtigsten Aspekte und Probleme für die Zukunft fasst die Gruppe in neun Punkten zusammen:
„Attraktion statt Allgemeinnutzen“
Die von Heller entworfene Vorstudie und der Wunsch der Gemeinderatsmehrheit, von Bürgermeister und Stadtrat, der Verantwortlichen für Hofburg und Tourismus würden auf die Schaffung einer besonderen Attraktion zielen: Kein Offener Bürgergarten sei das Ziel, sondern ein künstlerisch und ästhetisch anspruchsvoll gestaltetes Areal von hoher Anziehungskraft auf Besucher, zumal für Gäste. Die Argumente der Bürgerinitiative für einen offenen Hofburggarten würden ignoriert, in Lippenbekenntnissen sei von Partizipation die Rede, während kaum ein Argument der Initiative je konkret in einer Diskussion aufgenommen worden sei. „Die Allgemeinheit hat keinen Einblick in Planung und Projektierung erhalten, die Finanzierung des zehn Millionen Euro teuren Objekts ist durch Land und Gemeinde gesichert, aber für die Steuer zahlenden Bürger handelt es sich bis heute um ein teures Phantom, von dem bisher nur ein zwei Jahre altes Exposé existier“, erklärt die Initiativgruppe
„Kosten in dreifacher Höhe im Vergleich zu früherem Siegerprojekt“
Das im März 2015 nach europäischem Wettbewerb im Stadtrat verabschiedete Siegerprojekt eines denkmalgerechten und ansprechend gestalteten Gartens sah Kosten von ca. 2,5 Millionen Euro vor, die realistisch auf 3,5 Millionen Euro anzusetzen seien. Der von Heller in grobem Rahmen auf rund zehn Millionen Euro berechnete Gartengestaltung (Sanierung, Umbauten, Infrastruktur, Gestaltung, künstlerische Leistung) stimmte auch das Gutachten des Museumsbeirates (23.5.2019) zu. Davon sollen 80 Prozent das Land Südtirol, den Rest übernimmt die Gemeinde.
Völlig offen seien allerdings Führungskosten, Führungskonzept und Business-Plan. Zahlreiche Fragen seien ungeklärt: „Wie hoch liegen die jährlichen Ausgaben für Instandhaltung, Pflege, Beaufsichtigung, Verwaltung, Inkasso usw.? Wer führt den Garten, Gemeinde, Land, Tourismusgenossenschaft, mit wie viel Personal? Wird das absehbare Eintrittsinkasso die Kosten decken, wie viele zahlende Besucher sind hierzu nötig? Wie werden die Brixner und Südtiroler behandelt, haben sie freien Zutritt oder zahlen sie – wie öfters erklärt– einen symbolischen Preis? Welches sind die täglichen und jährlichen Öffnungszeiten? Ist der Garten nur von Norden her zugänglich, wo doch von Süden her vor allem Senioren und Bürger im Umfeld von Mozartallee und Milland Zugang wünschten?“
„Trotz aller Beteuerungen von Gemeinde und Kurie, dass der Hofburggarten Brixen der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt wird, bleibt es bei den Plänen für einen Schau- und Bezahlgarten. Brixner und Einheimische aus Südtirol können den Garten nur mit Ticket besuchen. Touristen bezahlen offenbar über die Touristenabgabe bzw. über ein Kombiticket für das Diözesanmuseum. Fazit: Der Gemeinderat beschließt trotz fehlenden Führungskonzepts und Business-Plans, mit Annahme des Landesbeitrags in ein riskantes Projekt einzutreten. Er ist gewissermaßen im Blindflug unterwegs, ohne Kenntnis eines Grundkonzepts und wichtiger Parameter. Verantwortliches Handeln sieht anders aus“, erklärt die Initiative.
„Verlorene Zeit seit 2008“
„Hätte man das Siegerprojekt von 2015 umgesetzt, könnten Bürger und Besucher den Garten bereits benützen. So aber tritt nun erst eine konkrete Planungsphase ein, mit deren Umsetzung und der anschließenden Garteneröffnung erst in einigen Jahren, frühestens 2024, zu rechnen ist. Die seit 2008 verstrichene Zeit verursacht zusätzliche Kosten für Anmietung des Areals, das in bisher elf Jahren nur 327 Tage lang benützt werden konnte“, so die Initiative.
„Management der Besucherströme ungeklärt“
Zur Deckung der Kosten und im Sinne der Anziehungskraft für die Altstadt seien hohe Besucherzahlen erwünscht. Falls jährlich 200.000 bis 250.000 Menschen (ca. 50 Prozent von Meran/ Trauttmansdorff) den Garten besuchen, würden vor allem in der Hochsaison enorme Frequenzspitzen entstehen. Die Belastung für Verkehr, Parkraum und Altstadt, zusätzlich zu bereits starken Gästeströmen, sei absehbar hoch, ihre Bewältigung sei noch völlig ungeklärt.
Im Gegensatz zu Trauttmansdorff, das außerhalb von Merans Stadtkern gelegen ist, über eigene Parkflächen und gute Öffi-Anbindung verfügt, treffe die Zunahme eine Stadt, die durch den Verkehr bereits hoch belastet sei, und deren Bürger.
Denkmalschutz und Kulturgüterpflege – „offene Flanke“
Der Hofburggarten steht seit 30 Jahren unter Denkmalschutz; zur Realisierung des Heller-Projekts bedarf es einschneidender Aufweichungen und Modifikationen seitens der Abteilung Denkmalpflege des Landes. „Noch liegt kein definitives Gutachten des Landes vor; auch stellt sich die Frage, ob eine absehbar tiefgreifende Änderung mit den internationalen Kriterien zum Schutz Historischer Gärten vereinbar ist. Es wird aber deutlich: Das Denkmalamt liefert den Ideenträgern von Tourismus und Stadtmarketing die nötige Legitimation, indem Anpassungen genehmigt werden, die es Heller erlauben, den Garten nach seinen Plänen zu verwirklichen und damit dessen historischen Charakter und Funktion grundlegend und nachhaltig zu verändern“, so die Initiative.
Hofburg und Kurie als „lachende Dritte“
Die Diözesanverwaltung stellt die Flächen im Wege eines Vertrags mit Fruchtgenuss der Gemeinde voraussichtlich auf längere Zeit zur Verfügung. „Das scheint zunächst ein großes Entgegenkommen, ist aber auf den zweiten Blick ein enormer Gewinn für die Diözese. Sie entledigt sich aller Sorgen um die Dekontamination, Gestaltung und Führung des Gartens, sie dürfte auch noch Miete beanspruchen und rechnet auf deutlich erhöhte Besucherzahlen des Diözesanmuseums. Das weit schonendere Konzept eines Offenen Bürgergartens wird eigener Attraktivierung und touristischer Inwertsetzung Brixens untergeordnet“, erklärt die Initiative. Die Kurie verkünde zwar durch ihr Institut de pace fidei hehre Ziele über Bewahrung der Schöpfung und Gemeinwohlökonomie, verhalte sich aber in Bezug auf die Umgestaltung des Hofburggartens wie die Lobby einer marktwirtschaftlich orientierten Firma, die den Wert ihrer Immobilie durch eine publikumswirksame Attraktion zu steigern wünscht.
Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Bürgernähe
„Die Vorzüge eines Offenen Bürgergartens mit zurückhaltender Gestaltung, vielen Freiflächen, langer Öffnungszeit und freiem Eintritt belegen zahlreiche Beispiele des In- und Auslandes – in Innsbruck der allgemein zugängliche, zehn Hektar große Hofgarten, in Regensburg der neu eingeweihte, 13 Hektar große ‚Brixen Park‘, der in Deutschland als vorbildhaft für eine sozial und stadtökologische Nutzung gilt, aber für die namengebende Gemeinde kein Vorbild ist. Im Zeichen der Klimakrise ist die Option für den Ressourcen und Finanzmittel aufzehrenden, Verkehr erzeugenden Heller-Garten kein gutes Signal. Auch der Bereich des Sozialen würde die hier eingesetzten Mittel dringend benötigen“, erklärt die Initiativgruppe für einen Offenen Hofburggarten.
Die Initiative nehme die Mehrheitsentscheidung zur Kenntnis, bleibe aber wachsam und hörbar.